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Liese: "Das wird kein Spaziergang"
Im Durchschnitt zahlen Deutschlands Patienten nach den Berechnungen von Liese etwa 20 Prozent mehr als in den europäischen Nachbarländern. In Deutschland werde "ein Hochpreisniveau kultiviert, das nicht sein müsste", meint auch der Vorsitzende des EU-Gesundheitsausschusses, Jo Leinen (SPD). Einen ersten Schritt auf dem langen Weg in Richtung Preisharmonisierung haben die beiden deutschen EU-Politiker jetzt getan. Der EU-Gesundheitsausschuss soll ein Gutachten in Auftrag geben, das die Preisunterschiede in den Mitgliedstaaten wissenschaftlich untersucht.
Mehrheit für Initiativ-Bericht erhofft
Liese und Leinen hoffen darauf, dass sich aus diesen Ergebnissen eine Mehrheit des Ausschusses für einen Initiativ-Bericht an das EU-Parlament bildet. Dann müssten sich auch die anderen EU-Parlamentarier mit den Arzneimittelpreisen beschäftigen. Am Ende der Debatte könnte ein Auftrag des Parlaments an die EU-Kommission stehen, die Arzneimittelpreise in Europa per EU-Verordnung zu harmonisieren. Ein langer, steiniger Weg. Das weiß auch Peter Liese: "Das wird kein Spaziergang. Unser Ziel ist es, dass die EU-Kommission mit den Herstellern Preisverhandlungen für ganz Europa führt."
Aus Lieses Sicht ist die Gelegenheit jetzt so günstig wie nie für die deutsche Initiative. Bisher hat sich auch die Bundesregierung gegen Preisvereinbarungen und Harmonisierung gesträubt. Seitdem die Berliner Koalition aber selbst mit den Arzneimittelherstellern über die Preise sprechen will, habe sich die Lage geändert: "Es gibt keinen Grund mehr, das nun nicht europaweit zu machen", sagte Liese.
Gute Argumente
Der CDU-EU-Parlamentarier wirbt für seine Idee mit Argumenten: Die deutschen Arzneimittelhersteller setzten den Großteil ihrer Produktion nicht in Deutschland, sondern in der EU und anderen Ländern ab. Ein hoher Preis in Deutschland helfe daher nur begrenzt, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern. Die meisten in Deutschland verkauften Arzneimittel stammten zudem schon längst nicht mehr von deutschen, sondern von französischen, britischen und amerikanischen Firmen. Liese: "Das hohe Preisniveau in Deutschland hilft also vor allem ausländischen Firmen."
Reimport ist ineffizient
Ineffizient findet Liese zudem den Reimport billiger Arzneimittel. Die Importeure unterhielten riesige Mitarbeiterstäbe, um die Preisunterschiede aufzuspüren und auszunutzen. Das sei wirtschaftlicher Unsinn, urteilt Liese: "Die Arbeitsplätze in der Branche sind ähnlich produktiv wie die Arbeitsplätze von Zöllnern vor Schaffung des europäischen Binnenmarktes."
Nach Lieses Recherchen geht es bei den Preisdifferenzen nicht nur um Aspirin. Betaferon, ein gängiges Mittel gegen multiple Sklerose, kostet hierzulande in der 250-Mikrogramm-Dosis pro Milliliter 1429 Euro, in Italien nur 817 Euro. 100 Milligramm des Rheumamittels Remicade sind in Portugal für 1460 Euro zu haben, in Deutschland für 2080 Euro. Das Krebsmittel Glivec kostet in der griechischen 400-Milligramm-Packung 6914 Euro, in der deutschen 7806 Euro.
Neben den wirtschaftlichen Vorteilen sieht Liese seinen Vorschlag auch als Beitrag zur EU-weiten Entbürokratisierung. Die jetzt in Deutschland diskutierte und in anderen Ländern bereits bestehende Kosten-Nutzen-Bewertung neuer Arzneimittel könne dann zentral von der zuständigen EU-Behörde durchgeführt werden.
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