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Vorschläge zur Präzisierung der Substitutionspflicht
Vor allem im Zusammenhang mit den AOK-Rabattverträgen sorgt der gegenwärtige § 129 Abs. 1 SGB V für heftige Auseinandersetzungen zwischen Apothekern und Herstellern einerseits und Krankenkassen andererseits: Wann kann man vom "gleichen Indikationsbereich" für zwei Arzneimittel sprechen? Reicht es – bei Vorliegen der übrigen Substitutionsvoraussetzungen –, wenn sie zumindest für ein gemeinsames Anwendungsgebiet zugelassen sind? Oder müssen die Indikationsbereiche gänzlich übereinstimmen? Muss die Packungsgröße nummerisch identisch sein – oder genügt die Übereinstimmung der Normgröße? Die Apothekerschaft hat das Bundesgesundheitsministerium schon mehrfach aufgefordert, hier für Klarheit zu sorgen.
Im nun vorliegenden ersten Diskussionsentwurf stellt sich das Ministerium auf die Seite der Kassen. In der vorgeschlagenen Änderung des § 129 Abs. 1 S. 2 SGB V heißt es: Bei der Abgabe eines Arzneimittels "haben die Apotheken ein Arzneimittel abzugeben, das mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch ist, für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen ist und die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt; als identisch gelten dabei Packungsgrößen mit dem gleichen Packungsgrößenkennzeichen nach der Rechtsverordnung nach § 31 Absatz 4."
Ein gleiches Anwendungsgebiet ausreichend
In der Begründung heißt es, durch die vorgesehenen Änderungen würden Umgehungsmöglichkeiten bei der Substitutionspflicht und insbesondere von Rabattverträgen verhindert. Was den Knackpunkt "gleicher Indikationsbereich" betrifft, so ist es aus Sicht des BMG unerheblich, ob die in der Fachinformation aufgeführten Anwendungsgebiete abschließend übereinstimmen: Aufgrund der besonderen Voraussetzungen für die Zulassung von wirkstoffgleichen Arzneimitteln nach § 24b Arzneimittelgesetz sei sichergestellt, dass diese Arzneimittel sowohl mit dem Referenzarzneimittel als auch untereinander austauschbar sind. Um die Zulassung als Generikum zu erhalten, sei es erforderlich, dass ein Arzneimittel die gleiche Zusammensetzung der Wirkstoffe nach Art und Menge und die gleiche Darreichungsform aufweist und die Bioäquivalenz durch Bioverfügbarkeitsstudien nachgewiesen wurde. "Somit ist bereits aufgrund der Zulassung davon auszugehen, dass Generika die gleiche Wirksamkeit in all den Anwendungsgebieten aufweisen, für die das Referenzarzneimittel zugelassen wurde und ein gleiches Sicherheitsprofil aufweisen", heißt es in der Begründung.
Packungsgrößenkennzeichen weiter mit Spielraum
Ergänzend wird die genannte Rechtsverordnung – die Packungsgrößenverordnung – geändert. Hier ist nach dem derzeitigen Entwurf vorgesehen, dass Arzneimittel ein Packungsgrößenkennzeichen entsprechend der Dauer der Therapie, für die sie bestimmt sind, erhalten. Genaue Stückzahlen werden nicht vorgegeben. Vielmehr wird klargestellt, dass geringfügige Abweichungen in der Packungsgröße nicht zu einer Aufhebung der Substitutionspflicht führen. N1-Packungen sind demnach für die Akuttherapie oder zur Therapieeinstellung mit Anwendungseinheiten für eine Behandlungsdauer von zehn Tagen vorgesehen. Dies soll auch für Packungen gelten, deren Anzahl von einzelnen Anwendungseinheiten um nicht mehr als 20 Prozent hiervon abweicht. Packungen für die Dauertherapie, die einer besonderen ärztlichen Begleitung bedarf (N2), dürfen eine Anzahl von einzelnen Anwendungseinheiten für eine Behandlungsdauer von 30 Tagen enthalten. Hier soll eine Abweichung von bis zu 10 Prozent nach oben oder unten möglich sein. Mit N3 werden Packungen für die Dauertherapie gekennzeichnet, die für eine Behandlungsdauer von 100 Tagen vorgesehen sind – hier reduziert sich die zulässige Schwankung auf 5 Prozent. Das Nähere zur Ermittlung der Packungsgrößen soll das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) bestimmen.
Mehrkostenregelung
Ebenfalls im Diskussionsentwurf enthalten sind Vorschläge zur Einführung der Mehrkostenregelung im Rahmen der Rabattverträge. Dazu sind ebenfalls in § 129 SGB V Änderungen vorgesehen, zudem in § 13 SGB V, der die Kostenerstattung im Rahmen der GKV regelt. Abweichend von der grundsätzlich in § 129 Abs. 1 Satz 3 normierten Substitutionspflicht bei Rabattverträgen, können Versicherte gegen Kostenerstattung ein anderes Arzneimittel erhalten als das, für welches ihre Krankenkasse einen Rabattvertrag abgeschlossen hat. Dabei müssen die übrigen Voraussetzungen erfüllt sein. Das heißt, das Arzneimittel muss mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch sowie für einen gleichen Anwendungsbereich zugelassen sein.
Kassen-Satzung soll Näheres regeln
Wie in der Begründung des Diskussionsentwurfs ausgeführt wird, besteht nach § 13 Abs. 2 Satz 9 ein Anspruch auf Erstattung höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Mithin gebe es keinen Anspruch auf die Erstattung von Mehrkosten, die der Krankenkasse gegenüber einem Arzneimittel entstehen, für das die Kasse einen Rabattvertrag geschlossen hat. Die gesetzlichen Abschläge erhalte die Krankenkasse dagegen unabhängig von der Entscheidung des Versicherten für die Kostenerstattung vom pharmazeutischen Unternehmer. Sie dürften dem Versicherten nicht in Rechnung gestellt werden. In der Begründung zu der in § 13 Abs. 2 SGB V vorgesehenen Änderung heißt es, für diesen neuen Fall der Kostenerstattung sei in der Satzung der Krankenkasse zu regeln, in welcher Form die Mehrkosten zu berücksichtigen sind. "Dies steht einem gegebenenfalls vertraglich vereinbarten Stillschweigen über die Höhe der Rabatte nicht entgegen", so die Begründung. Dabei soll eine pauschalierte Berücksichtigung erfolgen – ausdrücklich verpflichtend ist dies jedoch nicht.
Verhandlungen über Erstattungsbeträge
Auch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen des Eckpunktepapiers findet sich im ersten Diskussionsentwurf. So gibt es Vorschläge, wie die Vorschriften zur Nutzen- und Kosten-Nutzen-Bewertung neu gefasst werden können. Auch die geplanten "Preis"-Verhandlungen zwischen Kassen und Arzneimittelherstellern werden in Gesetzesform gegossen. Ein neuer
§ 130b SGB V soll die zentralen Verhandlungen zwischen Hersteller und GKV-Spitzenverband regeln. Dabei geht es um Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden können. Für diese sollen auf Grundlage eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Nutzenbewertung Erstattungsbeträge vereinbart werden – und zwar in Form eines Rabatts auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers. Damit haben die Verhandlungen keine Auswirkungen auf die PKV und auch der deutsche Referenzpreis für die Preisbildung im Ausland bleibt unberührt. Allerdings hat der pharmazeutische Unternehmer dem GKV-Spitzenverband Angaben zur Höhe seines tatsächlichen Abgabepreises in anderen europäischen Ländern zu übermitteln. Abweichend von diesen zentralen Vereinbarungen – ihr Bestehen vorausgesetzt – sollen auch einzelne Krankenkassen oder ihre Verbände mit pharmazeutischen Unternehmern Vereinbarungen über die Erstattung von Arzneimitteln sowie zur Versorgung ihrer Versicherten mit Arzneimitteln treffen können. Für derartige Mehrwertverträge soll mit einem neuen § 130 c SGB V eine eigene Rechtsgrundlage geschaffen werden.
Keine Vorschläge zur Großhandelsspanne
Einige der im Eckpunktepapier genannten Maßnahmen bleiben im ersten Diskussionsentwurf allerdings noch offen. Dies betrifft insbesondere die geplanten Änderungen bei der Großhandelsspanne sowie die Überprüfung der im letzten Jahr mit der 15. AMG-Novelle geänderten Regeln zur Zytostatikaversorgung. Viel Zeit für das weitere Feilen am Gesetzentwurf bleibt dem BMG nicht. Damit der Zeitplan eingehalten werden kann, sollte die erste Lesung des Gesetzes noch vor der parlamentarischen Sommerpause stattfinden.
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