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Fachmedien kurz rezensiert
Chronobiologie in der pharmazeutisch-technischen Anwendung
Chronobiologie und Chronopharmakologie liefern wertvolle und verblüffende Erkenntnisse über die Abhängigkeit physiologischer Prozesse von tageszeitlichen und anderen Schwankungen. Dies kann große Folgen für die Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln haben. Doch die praktische Umsetzung solcher Ergebnisse in eine alltäglich einzusetzende "Chronotherapie" ist leider oft noch unzureichend. Zugleich bietet die pharmazeutische Technologie zunehmend Verfahren, um Wirkstoffe in Einklang mit chronopharmakologischen Anforderungen an ihren Wirkort zu bringen. Die Verbindung beider Disziplinen – chronobiologische Grundlagen und pharmazeutisch-technologische Umsetzung – ist das Anliegen des vorliegenden Buches und der Hintergrund für das Kunstwort "Chronopharmaceutics". Der Herausgeber, Dr. Bi-Botti C. Youan, ist Professor der Kansas City School of Pharmacy an der Univisität Missouri. Er bot erstmals 2004 eine wissenschaftliche Fortbildungseinheit zur "chronopharmaceutical drug formulation" an und hat nun das nach eigenen Angaben erste "textbook" für diese Schnittstellen-Disziplin vorgelegt.
In den ersten Kapiteln werden die chronobiologischen Grundlagen vorgestellt. Ausgehend von der bereits in den 1930er-Jahren formulierten Kritik an der "Idiotie des drei mal täglich" werden Meilensteine der Entwicklung präsentiert. Das Credo "Timing is everything" soll ausdrücken, dass die Chronopharmakologie neue Erklärungsansätze für die unterschiedlichsten Phänome bietet. Die Autoren gehen davon aus, dass die Berücksichtigung der chronobiologischen Zusammenhänge die Nutzen-Risiko-Relation vieler Arzneimittel entscheidend verbessern, viele unerwünsche Effekte verhindern, die Arzneimittelforschung vereinfachen und den Nutzen für zahlreiche Patienten erheblich steigern kann.
Das Einführungskapitel und weitere spezielle Kapitel über chronobiologische Effekte stammen aus dem Arbeitskreis von Professor Franz Halberg, dem mittlerweile neunzigjährigen Begründer der modernen Chronobiologie, der an der Universität von Minnesota tätig ist. Aus seinem Arbeitskreis werden Beispiele für die chronobiologische Forschung, spezielle Erkenntnisse für die Anästhesiologie und der Einsatz der Marker-gesteuerten "Chronotheranostics" vorgestellt. Dieses Kunstwort beschreibt die Kombination aus Diagnose und Therapie von Erkrankungen, die auf Störungen zeitlicher Rhythmen beruhen. Ziel ist die Prävention schwerwiegender Ereignisse durch die Auswertung zeitlicher Schwankungen von Körperfunktionen, die als Marker dienen. Als ein wichtiges Anwendungsgebiet sehen Halberg und sein Arbeitskreis die Verhinderung von Schlaganfällen anhand von Blutdruckschwankungen.
Die Themen weiterer Kapitel sind:
- "Chronogenetics", die genetischen Grundlagen der inneren Uhr und die Wirkungsweisen der Uhr-Gene,
- "Chronopharmacokinetics", die zeitlichen Schwankungen in der Pharmakokinetik und Biotransformation von Arzneistoffen sowie
- die Bedeutung chemischer Oszillatorsysteme für die Chronotherapie.
Anschließend werden verschiedene pharmazeutisch-technologische Konzepte für die praktische Chronotherapie präsentiert. Dabei geht es um Systeme zur chronopharmakologisch angemessenen Freisetzung von Arzneistoffen. Dazu gehören chemische Verfahren und diffusionskontrollierte Systeme für unterschiedliche gewünschte Freisetzungskinetiken. Es geht aber auch um elektronisch gesteuerte Systeme mit Mikrochips. Dabei sind herkömmliche aktive Mikrochips aus Silizium und resorbierbare passive Mikrochips aus Polymermaterial zu unterscheiden.
Damit ist das Buch gleichermaßen ein Einblick in die faszinierende Welt der Chronobiologie und eine Sammlung interessanter und innovativer pharmazeutisch-technologischer Konzepte. Es wendet sich sowohl an Leser mit speziellen Interessen in einer dieser beiden Disziplinen als auch an Neueinsteiger. Diese Vorteile sollten auch die vielleicht weniger gewohnte Lektüre eines englischsprachigen Buches rechtfertigen. In erster Linie sind wohl junge Wissenschaftler auf der Suche nach einem Forschungsgebiet angesprochen, doch auch Praktiker im Apothekenalltag können Erkenntnisse für die Patientenberatung gewinnen und ihren Blick für chronobiologische Probleme schärfen. Die Gliederung in zwölf abgegrenzte Kapitel verschiedener Autoren ist ein klarer Vorteil des Buches, weil die einzelnen Themen damit auch isoliert voneinander bearbeitet werden können. Angesichts der verblüffenden Ergebnisse der Chronobiologie ist dem Buch eine weite Verbreitung zu wünschen.
Apotheker Dr. Thomas Müller-Bohn, Süsel/Holstein
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