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Rechtsprechung
Keine Kaufverträge zwischen Apothekern und Kassen
Der dritte Senat des BSG hat nunmehr die Gründe seiner Entscheidung vom 17. 12. 2009, Aktenzeichen:
B 3 KR 13/08 R (vgl. DAZ 2010, Nr. 1, S. 28) veröffentlicht. Danach hält der nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Krankenversicherungsrecht, insbesondere für die nichtärztliche Leistungserbringung zuständige Senat nicht mehr an der rechtlichen Konstruktion fest, wonach der Vertragsarzt aufgrund der ihm durch das Vertragsarztrecht verliehenen Kompetenzen als Vertreter der Krankenkasse auftritt und durch die Verordnung eines Arzneimittels auf Kassenrezept ein Kaufvertragsangebot der Krankenkasse abgibt, welches der Versicherte durch Vorlage des Kassenrezepts dem Apotheker übermittelt und das der Apotheker dann wiederum durch die Aushändigung des Arzneimittels an den Versicherten annimmt. Diese Kaufvertragskonstruktion des Bundessozialgerichts war auch bereits in der Literatur als verfehlt kritisiert worden (Dettling, A&R 2005, 51 ff). Außerdem präzisiert das Gericht seine Auffassung zur Bedeutung des in den jeweiligen Arznei-Lieferverträgen geregelten Beanstandungsverfahrens.
Sachverhalt: Arzneimittelabgabe aufgrund nachträglich veränderter Verordnung
Ein bei der klagenden AOK Niedersachsen Versicherter hatte unter Täuschung eines Vertragsarztes mit Hilfe eines gefälschten Arztberichts im Oktober 1999 eine vertragsärztliche Verordnung über das Medikament "Intron A Pen 30 Mio ILO 8 ST N" erhalten. Die Verordnung war unter Verwendung des Vordrucks Muster 16 in Maschinenschrift ausgestellt, mit dem Praxisstempel versehen und von dem Arzt handschriftlich mit seinem Namen unterzeichnet worden. Der Mittäter des Versicherten fügte vor die maschinenschriftliche Bezeichnung des Medikaments den handschriftlichen Zusatz "4x" ein. Die so veränderte Verordnung legte der Mittäter in der Apotheke des beklagten Apothekers vor und erhielt das Medikament im Umfang der Veränderung, also in der vierfachen Menge. Dafür berechnete der Beklagte der Klägerin 24.514,92 DM. Dieser Vorgang wiederholte sich im zweiwöchigen Abstand, insgesamt 14-mal. In einem Fall allerdings hatte der Vertragsarzt die Verordnung nicht maschinenschriftlich, sondern vollständig handschriftlich ausgestellt. Aber auch bei dieser Verordnung hatte der Versicherte bzw. sein Mittäter vor die handschriftliche Arzneimittelbezeichnung nachträglich die Mengenangabe "4x" gesetzt. Die auf diese Weise erlangten Arzneimittel veräußerten die beiden Täter an die P.GmbH & CoKG – einen Pharmagroßhändler, von welchem der Beklagte zuvor die Arzneimittel selbst bezogen hatte. 2003 wurden der Versicherte und sein Mittäter wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.
Für die aufgrund der verfälschten Rezepte gelieferten Arzneimittel stellte der Beklagte der Klägerin einen Betrag von insgesamt 343.208,88 DM in Rechnung.
Mit Schreiben vom 13. 3. 2001 forderte die Klägerin unter Bezifferung des von ihr geltend gemachten Anspruchs den Beklagten zur Rückzahlung der von ihr geleisteten Zahlungen auf, weil er seine Prüfpflichten als Apotheker verletzt habe. Dagegen legte der Beklagte mit Schreiben vom 21. 3. 2001 Einspruch ein. Er habe die Verfälschung der Verordnungen nicht erkennen können. Die Klägerin erhob daraufhin am 12. 7. 2001 Klage.
Verurteilung des Apothekers durch die Instanzgerichte
Das Sozialgericht gab der Klage weitgehend statt, meinte aber, dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nur in dem Umfang der Verfälschung ("4x" statt "1x") bestehe, sah also insoweit, wie der Apotheker pro Verordnung einmal das verordnete Medikament abgegeben hatte, seinen Zahlungsanspruch gegen die Kasse als gegeben an. Die gegen das Urteil vom Beklagten eingelegte Berufung wurde vom Landessozialgericht abgewiesen, während auf die von der Klägerin eingelegte Anschlussberufung der Beklagte zur Rückzahlung sämtlicher an ihn wegen der verfälschten Rezepte geleisteten Zahlungen verurteilt wurde.
BSG: Klageabweisung – Erstattungsanspruch zwar entstanden, aber …
Auf die Revision des Beklagten hob das BSG beide Urteile der Vorinstanzen auf und wies die Klage in vollem Umfang ab.
Zwar sei bezüglich der 14 veränderten Verordnungen ein Erstattungsanspruch entstanden. Dieser sei jedoch nicht mehr durchsetzbar, weil der Einspruch des Beklagten wegen der verspäteten Erhebung der Klage als anerkannt gelte. Die Zahlungen im Umfang von 343.208,88 DM seien ohne Rechtsgrund erfolgt, weil die 14 verfälschten vertragsärztlichen Verordnungen insgesamt, also nicht nur hinsichtlich der durch die Verfälschung erhöhten Zahl der Packungen, nicht abrechnungsfähig gewesen seien.
Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung dieser Zahlungen sei jedoch nachträglich entfallen, weil sie eine landesvertragliche Ausschlussfrist für dessen Geltendmachung versäumt habe.
Im Interesse der Rechtssicherheit für alle Beteiligten seien die im Landesvertrag (hier: in dem gem. § 129 Abs. 5 S. 1 SGB V zwischen den niedersächsischen Landesverbänden der Krankenkassen und dem Landesapothekerverband Niedersachsen e.V. für das Land Niedersachsen abgeschlossenen und am 1. 1. 1997 in Kraft getretenen Arznei-Liefervertrag, nachfolgend ALV NdS) für das Beanstandungsverfahren vereinbarten Fristen bindend.
So hat nach § 10 ALV Nds eine Beanstandung innerhalb von 18 Monaten nach Eingang der Verordnungsblätter zu erfolgen (wofür ein formloses Schreiben genügt, sofern dieses den Umfang des Rückzahlungsbegehrens nennt und die Begründung dafür angibt); innerhalb von 2 Monaten kann der betroffene Apotheker dagegen Einspruch einlegen, über den die Krankenkasse dann innerhalb von einer Frist von 3 Monaten nach dessen Eingang zu entscheiden hat.
Im Streitfall hatte die Kasse auf den fristgerecht eingelegten Einspruch des Apothekers dadurch reagiert, dass sie Klage gegen ihn erhob. Der dritte Senat des BSG fasst die Klageerhebung zwar als eine Stellungnahme zu dem Einspruch auf, da aber die Klageerhebung erst am 12. 7. 2001 erfolgte, obwohl der Einspruch bereits am 29. 3. 2001, also schon mehr als drei Monaten zuvor bei der Klägerin eingegangen war, sieht er die Klageerhebung als außerhalb der Äußerungsfrist des § 10 Abs. 3 ALV Nds liegend an. In Bezug auf die Notwendigkeit der Beachtung der im ALV geregelten Fristen spiele es keine Rolle, ob die Kasse ihren Erstattungsanspruch durch Aufrechnung oder Verrechnung ("Retaxierung") gegen den betroffenen Apotheker geltend mache oder ob sie ihn – wie im zu entscheidenden Fall – im Wege der Klage durchzusetzen versuche. Den im ALV Nds enthaltenen Regelungen über die Rechnungsbegleichung (§ 9 ALV Nds) sowie die Rechnungs- und Taxberichtigungen (§ 10 ALV Nds) sei nicht zu entnehmen, dass ein Erstattungsanspruch nur dann den Form- und Fristvorschriften des ALV unterliege, wenn er durch Aufrechnung oder Verrechung geltend gemacht werde oder zumindest so geltend gemacht werden könnte.
Fristen für Herstellung von Interessenausgleich und Wahrung des Rechtsfriedens
Nur durch Anwendung des § 10 ALV Nds auch auf den Fall der separaten Zahlungsklage könne verhindert werden, dass die Krankenkasse bei Überschreitung der ihr in § 10 Abs. 1 und 3 ALV Nds gesetzten Fristen von einer Beanstandung im Abrechnungsverfahren auf die Anspruchsverfolgung im Klagewege übergehen könne. Vielmehr sei das Verfahren nach § 10 ALV Nds einzuhalten, um dessen Funktion als Regelung zur zeitnahen Herstellung von Interessenausgleich und Rechtsfrieden zu wahren.
Wie schon in vorausgegangenen Entscheidungen stellt der Senat klar, dass das den Krankenkassen in den Landesverträgen eingeräumte Recht zur Rechnungs- und Taxberichtigung umfassend ist, also nicht nur die Berichtigung von reinen Einordnungs-, Schreib- und Rechenfehlern betrifft, sondern jede Beanstandung und Taxberichtigung, die daraus folgt, dass sich nachträglich herausstellt, dass es an einer ordnungsgemäßen vertragsärztlichen Verordnung mangelte oder gegen die landesvertraglich festgelegten Abgabebestimmungen verstoßen wurde. Die Rückforderung der Vergütung für eine nicht abrechnungsfähige Verordnung stelle sich als "sachliche Berichtigung" i.S. des § 10 Abs. 1 S. 1 ALV Nds dar.
Abschließende Regelung der der Kasse bei Verletzung von Abgabebestimmungen zustehenden Ansprüche im ALV
Das Gericht vertritt ferner in Abgrenzung zur Entscheidung des Berufungsgerichts die Auffassung, dass dann, wenn eine dem Apotheker vorgeworfene Pflichtverletzung allein in dem Verstoß gegen landesvertragliche Abgabebestimmungen bestehe, ein – neben den Anspruch auf Erstattung der gezahlten Vergütung tretender – Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher Nebenpflichten ausscheide. Die Rechtsfolgen der Verletzung von solchen Abgabebestimmungen seien im Landesvertrag abschließend geregelt. Der ALV Nds halte mit den Rechnungs- und Taxberichtigungen und dem Beanstandungsrecht nach § 10 ein ausgewogenes Instrumentarium zum Schutz der Vermögensinteressen der Krankenkassen bei Verstößen gegen die Abgabebestimmungen bereit, das mit seinen Fristen auch das Interesse des vorleistungspflichtigen Apothekers an Rechtsfrieden nach der Zahlung berücksichtige.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hin, dass das in den Landesverträgen niedergelegte Verfahren flankiert werde durch die Ermächtigung nach § 129 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 7 des Rahmenvertrages 1993, wonach die Landesverträge Maßnahmen bei Pflichtverletzungen der Apotheker vorsehen können. (Seit längerem schon regelt der Rahmenvertrag nunmehr selbst die in solchen Fällen möglichen Sanktionen, vgl.
§ 11 des Rahmenvertrages i.d.F. v. 7. 12. 2009.)
Er weist aber auch ausdrücklich darauf hin, dass durch die Regelungen des ALV nur solche Schadensersatzansprüche erfasst würden, die sich aus Verstößen gegen Abgabebestimmungen ergäben. Nicht erfasst seien dagegen solche Schadensersatzansprüche, die den Krankenkassen wegen Verhaltensweisen des Apothekers außerhalb des vorgenannten Rahmens zustünden, wie z.B. Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen vertragliche oder gesetzliche Informations-, Warn- und Schutzpflichten
(§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 61 Satz 2 SGB X i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB und § 280 BGB, so z.B., wenn der Apotheker die nachträgliche Änderung der Kassenrezepte tatsächlich als "Verfälschung" erkannt hätte, wofür es im streitgegenständlichen Fall aber keinen Anhaltspunkt gab) oder wegen unerlaubter Handlung (z.B. wegen Betrugs, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB). Schadensersatzansprüche dieser Art würden daher durch den Ablauf der Ausschlussfrist des § 10 Abs. 3 ALV Nds nicht berührt.
Anspruch auf Vergütung ordnungsgemäß abgegebener Arzneimittel wurzelt unmittelbar im Gesetz
Der dritte Senat des BSG nahm die Klage zum Anlass, grundlegende Überlegungen anzustellen zu der Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage ein Apotheker, der aufgrund einer vertragsärztlichen Verordnung das verordnete Medikament an einen gesetzlich Versicherten abgibt, von dessen Krankenkasse die Vergütung des abgegebenen Medikaments verlangen kann. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist die bisher in der Rechtsprechung angewendete Konstruktion eines in jedem Einzelfall abzuschließenden, den Versicherten begünstigenden öffentlich-rechtlichen Kaufvertrages zwischen Apotheker und Krankenkasse entbehrlich, weil sich schon aus § 129 SGB V in Verbindung mit den Verträgen nach § 129 Abs. 2 SGB V (Rahmenvertrag auf Spitzenverbandsebene) und § 129 Abs. 5 S. 1 SGB V (Arzneilieferverträge auf Landesebene) eine tragfähige Rechtsgrundlage ergebe.
§ 129 SGB V begründe im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Leistungsberechtigung und -verpflichtung für die Apotheken zur Abgabe von vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln an die Versicherten. Im Gegenzug erwürben die Apotheken einen vertraglich näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen. Einer Heranziehung des § 433 Abs. 2 BGB bedürfe es daher nicht mehr. Dass § 129 SGB V nicht ausdrücklich eine Zahlungspflicht der Krankenkassen begründe, stünde dem nicht entgegen. Die Vorschrift setze die Vergütungspflicht der Krankenkassen voraus. Auch dem § 130 Abs. 3 S. 1 SGB V, wonach die Gewährung des Rabattabschlags voraussetze, dass die Rechnung des Apothekers innerhalb von zehn Tagen nach Eingang bei der Krankenkasse beglichen werde, sei nur indirekt zu entnehmen, dass ein solcher – durch die Rechnung zu konkretisierender – Vergütungsanspruch bestehe.
Der dritte Senat des BSG ist damit abgerückt von der Konstruktion, der Vergütungsanspruch der Apotheker und Apothekerinnen sei vertraglicher Natur. Der Vergütungsanspruch wird danach zwar durch (Kollektiv-)Vertrag konkretisiert, gründet aber unmittelbar im Gesetz.
Vertragsärztliche Verordnung als zentrales Element der Arzneimittelversorgung gesetzlich Versicherter
Das BSG hebt in seiner Entscheidung die zentrale Funktion der vertragsärztlichen Verordnung für die Arzneimittelversorgung der Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hervor. Mit ihr konkretisiere der Vertragsarzt das aus §§ 27 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 31 SGB V folgende Rahmenrecht des Versicherten auf Arzneimittelversorgung als Sachleistung für den vorliegenden Versicherungsfall. Die vertragsärztliche Verordnung dokumentiere, dass das Medikament als Sachleistung der GKV (§ 2 Abs. 2 SGB V) auf Kosten der Krankenkasse an den Versicherten abgegeben werden. Als Pendant folge daraus der Vergütungsanspruch des Apothekers gegen die Krankenkasse dem Grunde nach; er werde durch das Kassenrezept als für das Abrechnungsverhältnis zwischen Apotheker und Krankenkasse maßgebliche Dokument konkretisiert.
Dass der Versicherte die von ihm beim Beklagten vorgelegten Verordnungen durch Täuschung des verordnenden Vertragsarztes mittels Vorlage eines gefälschten Arztberichts erhalten habe, berühre die Wirksamkeit der vertragsärztlichen Verordnung nicht.
Die Verordnungen seien aber durch die ohne Wissen des Vertragsarztes erfolgte Heraufsetzung der verordneten Anzahl auf nunmehr vier Packungen des verordneten Medikaments verfälscht worden. Damit seien diese Kassenrezepte nicht mehr einlösungs- und abrechnungsfähig gewesen. Dies ergebe sich zwar nicht aus dem gem. § 129 Abs. 2 SGB V abgeschlossenen Rahmenvertrag in der für den streitgegenständlichen Fall maßgebenden Fassung von 1993, wohl aber aus den Vorschriften des ALV Nds.
Nachträglich veränderte Verordnungen dürfen nur beliefert werden, wenn Vertragsarzt die Veränderung durch datierte Unterschrift autorisiert hat
Der Senat lässt dabei offen, ob der Beklagte die Verfälschung hätte erkennen können oder nicht (nach § 4 Abs. 9 Satz 1 ALV NdS ist – ebenso wie nach den für die anderen Bundesländer geltenden ALV - die Krankenkasse verpflichtet, auch gefälschte oder unbefugt oder missbräuchlich ausgestellte Verordnungen zu bezahlen, sofern der Apotheker die Fälschung oder missbräuchliche Ausstellung nicht erkennen konnte); denn der Beklagte habe jedenfalls gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 3 ALV Nds verstoßen. Nach dieser Bestimmung, die inhaltsgleich auch in anderen Landesverträgen über die Arzneilieferung enthalten ist, ist eine hinsichtlich der Menge erhöhte Verordnung nur dann abrechnungsfähig, wenn der Arzt die Änderung durch seine Unterschrift mit Datum auf der Vorderseite des für die Verordnung zu verwendenden Vordrucks Muster 16 bestätigt hat.
Diese Bestimmung entspricht § 11 Abs. 1 der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gem. § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung beschlossenen Richtlinie (sog. Arzneimittel-Richtlinie - AM-RL) idF. vom 18. Dezember 2008/ 22. Januar 2009, welche für die Vertragsärzte, die Kassen, die kassenärztlichen Vereinigungen und die Versicherten verbindlich ist. Danach bedürfen Änderungen und Ergänzungen zu einer ausgestellten Verordnung der erneuten Unterschrift der behandelnden Ärztin oder des behandelnden Arztes mit Datumsangabe. Es liegt daher im ureigenen Interesse eines jeden Apothekers und einer jeden Apothekerin, ihnen vorgelegte vertragsärztliche Verordnungen vor Abgabe des verordneten Medikaments da-raufhin zu überprüfen bzw. durch die Mitarbeiter überprüfen zu lassen, ob diese nachträgliche (insbesondere handschriftliche) Veränderungen oder Ergänzungen aufweisen und ob diese Veränderungen durch entsprechende Unterschrift einschließlich Datum vom verordnenden Vertragsarzt autorisiert worden sind. Eine solche Autorisierung ist nicht nur dann erforderlich, wenn die Veränderung der Menge durch Durchstreichen oder Überschreiben der ursprünglich verordneten Menge als Änderung gekennzeichnet ist, sondern auch dann, wenn – wie im Streitfall – anhand des Erscheinungsbildes der Verordnung objektiv erkennbar ist, dass die Mengenangabe nach Erstellung der Verordnung verändert wurde, weil z.B. der Platz vor der (maschinen- oder handschriftlich erfolgten) Arzneimittelbezeichnung durch eine vor diese "gequetschte" oder sogar schräg über diese geschriebene Mengenangabe erst nachträglich ausgefüllt wurde.
Abgabe trotz objektiv erkennbarer und nicht autorisierter Mengenveränderung führt zum Verlust des gesamten Vergütungsanspruchs
Das BSG weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass ein Verstoß gegen die Bestimmung über die Notwendigkeit der vertragsärztlichen Autorisierung nachträglicher Mengenveränderung dazu führe, dass der Apotheker gar keinen Vergütungsanspruch erwerbe. Entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Auffassung sei eine Aufspaltung der Verordnung in die originär verordnete und die erhöhte Menge nicht möglich. Es könne daher offen bleiben, ob der Mitarbeiter des Beklagten in der Praxis des Vertragsarztes telefonisch Rückfrage gehalten und eine jeden Zweifel ausräumende Antwort erhalten habe. Eine telefonische Rückfrage sei nicht geeignet, die nach § 4 Abs. 1 S. 3 ALV Nds erforderliche handschriftliche Bestätigung zu ersetzen.
Rechtsanwältin Dr. Sabine Wesser, Kanzlei Dr. Saalfrank, Berrenrather Str. 393, 50937 Köln
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