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DAZ aktuell
Nur Switches sorgen noch für Wachstum
Auch international gesehen zeigt sich ein gutes Wachstum für OTC-Arzneimittel vor allem in den sich entwickelnden Märkten, beispielsweise in Süd-Ost-Asien, China und Lateinamerika.
In Europa ist Wachstum im OTC-Markt weniger in den westlichen Ländern festzustellen als vielmehr in den osteuropäischen Ländern (Zentral- und Osteuropa). In der Ukraine sind die Pro-Kopf-Ausgaben für OTC im letzten Jahr um 31 Prozent gestiegen, gefolgt von Russland (+20%), Polen (+17%) und Bulgarien (+9%). Der durchschnittliche Zuwachs im osteuropäischen Markt lag bei 18 Prozent. Von solchen Steigerungen kann Westeuropa nur träumen. Hier wächst derzeit der OTC-Markt in Frankreich und Italien nur leicht, während er in Deutschland stagnierend bis leicht rückläufig ist. Das Durchschnittswachstum erreicht im Westen nur einen Wert von +3 Prozent.
Erkältungsmittel vorn
Der OTC-Markt wird von fünf Kategorien dominiert:
- Erkältungspräparate (mit einem Wachstum von 10,1%),
- Schmerzmittel (5,6%),
- Digestiva (7,9%),
- Vitamine, Mineralstoffe und Stärkungsmittel (5,6%) sowie
- Dermatika (8,9%).
Zu den zehn Top-Unternehmen im OTC-Markt gehören Novartis, Bayer, Sanofi Aventis, Johnson&Johnson, GSK, Reckitt-Benckiser, Boehringer Ingelheim, Bristol Myers Squibb, Pierre Fabre und Pfizer.
OTC in anderen Vertriebskanälen
OTC-Arzneimittel werden in Europa nicht mehr nur über Apotheken vertrieben. In mehreren Ländern ist beispielsweise der Verkauf bestimmter OTC-Produkte in Verkaufsstätten außerhalb von Apotheken erlaubt:
- seit 1999 in Deutschland: Verkauf bestimmter pflanzlicher Produkte und Nahrungsergänzungsmittel im Lebensmittel- und Drogeriehandel;
- seit 2001 in Dänemark: bestimmte OTC-Produkte (Raucherentwöhnungsmittel, Schmerzmittel, Magenpräparate) in Verkaufsstätten außerhalb von Apotheken;
- seit 2003 in Norwegen: bestimmte OTC-Produkte außerhalb von Apotheken;
- seit 2005 in Portugal: alle OTC-Präparate können außerhalb von Apotheken verkauft werden;
- seit 2006 in Italien: alle OTC-Produkte können in Supermärkten unter Aufsicht eines Apothekers verkauft werden;
- seit 2007 in Ungarn: viele OTC-Produkte können außerhalb von Apotheken verkauft werden;
- seit 2009 in Schweden: ausgewählte OTC-Produkte dürfen auch außerhalb von Apotheken verkauft werden.
Auf etwa zehn Prozent hat sich beispielsweise in Portugal der Anteil der OTC-Präparate eingependelt, die dort heute im Mass-Market verkauft werden, in Italien auf etwa acht Prozent. Die italienischen Erfahrungen zeigen, dass der Supermarkt weniger OTC-Marken führt als eine Apotheke, aber durchschnittlich die doppelte Umschlagshäufigkeit der gelisteten Produkte hat. Trotz dieser Entwicklungen sollte man nicht übersehen: In Europa ist der OTC-Markt nach wie vor fest in den Händen der Apotheken – mit Ausnahme der Niederlande, wo OTC-Produkte überwiegend nicht mehr von Apotheken vertrieben, sondern in Supermärkten verkauft werden. Als weiterer Vertriebskanal mit Wachstum wird in den letzten Jahren das Internet und die Versandapotheken wahrgenommen. Bereits knapp zehn Prozent des OTC-Umsatzes laufen derzeit über Versandapotheken.
Internationale Zulassung im Kommen
Die Marke Nurofen benötigte noch 25 Jahre, um in 24 Ländern zugelassen und als europäische Marke wahrgenommen zu werden. Das Produkt Alli dagegen brauchte nur noch zwei Monate, um als europäische Marke in 28 Ländern präsent zu sein. Auf der Tagung der europäischen Selbstmedikationshersteller zeigte sich die Tendenz, dass Hersteller bei Arzneimittel-Switches die Strategie der europäischen Zulassung verstärkt einschlagen. Dennoch, eine Garantie für den Erfolg gibt es nicht. Die Arzneimittelmärkte Europas sind nach wie vor sehr unterschiedlich, angefangen bei den verschiedenen Verbrauchergewohnheiten und Kulturen über die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften für die Bewerbung der Produkte und die unterschiedlichen Regelungen im Apothekenbereich bis hin zu unterschiedlichen Möglichkeiten in den Vertriebskanälen.
Zur Erfolgsstory ist die zentrale Zulassung und europäische Ausbietung des Orlistat-Präparats Alli geworden, wobei man es hier mit einem Präparat zu tun hat, das auf einen großen Markt mit großer Erwartungshaltung trifft: die Fettsucht. Zudem hatte es der Hersteller verstanden, sein neues OTC-Produkt auf allen Ebenen hervorragend zu präsentieren. Die Apotheker wurden auf die Einführung von Alli gut vorbereitet, die Medien stürzten sich auf dieses Thema, das Produkt brachte es sogar bis auf die Titelseite führender Tageszeitungen. Eine eigens für Alli erstellte Internetseite informiert den Verbraucher rund um das Thema Adipositas und Möglichkeiten abzunehmen, große Anzeigenkampagnen und eine geschickte Visualisierung des Produktes in Apotheken durch Verkaufsaufsteller und Aktionen ergänzten die Durchdringung des Marktes.
Auf einem raschen europäischen Weg befindet sich auch die Zulassung von Pantoprazol für die Selbstmedikation. Derzeit ist dieses OTC-Präparat schon in 14 Ländern auf dem Markt, weitere Länder werden noch in diesem Jahr folgen. In kürzester Zeit ist der Anteil der Protonenpumpenhemmer im Markt der Magenpräparate von 0 auf über 14 Prozent gestiegen, während der Anteil der H2 -Antagonisten auf knapp sieben Prozent gesunken ist.
Der Apothekerberuf – da geht’s lang
Auf der Tagung der europäischen Selbstmedikationsindustrie spielt der Apotheker durchaus eine Rolle. Auch wenn es Tendenzen in Europa gibt, OTC-Produkte über Mass-Märkte und Supermärkte vertreiben zu wollen: Die Selbstmedikationsindustrie weiß, dass sie am Apotheker nicht vorbei kommt und dass er letztlich eine Schlüsselrolle beim Vertrieb ihrer Produkte spielt. 400.000 Apothekerinnen und Apotheker gibt es in Europa und 160.000 öffentliche Apotheken, 46 Millionen Menschen besuchen täglich eine Apotheke – die Apotheke ist damit ein bedeutender Faktor im Gesundheitswesen, so stellte es der Präsident der pharmazeutischen Apothekervereinigung in Europa (PGEU – Pharmaceutical Group of the European Union), Filip Babylon, auf der AESGP-Tagung deutlich heraus. Gleichzeitig setzte er sich dafür ein, den Apothekerberuf in drei Schritten neu auszurichten:
- Die Rolle des Apothekers solle neu definiert werden: er ist nicht nur für den Vertrieb von Arzneimitteln zuständig, sondern auch ein Gesundheitsdienstleister.
- Durch eine Gute Pharmazeutische Praxis muss das Qualitätsbewusstsein im Apothekerberuf verankert werden.
- Die Honorierung des Apothekers muss von einer Marge auf ein Gebührensystem umgestellt werden.
Eine besondere Rolle könne der Apotheker bei Arzneimitteln übernehmen, die aus der Verschreibungspflicht entlassen werden und in den OTC-Status wechseln (Switch). Beispielsweise kann es bei solchen Switch-Arzneimitteln erforderlich sein, dass der Apotheker zusammen mit dem Patienten Beratungsprotokolle erstellt, was in Europa heute noch kein normales Element der pharmazeutischen Praxis ist – Erfahrungen in England sind jedoch positiv.
Die Rolle des Apothekers sollte dabei nicht die des Arztes ersetzen, aber eine bessere Verfügbarkeit von Arzneimitteln sollte zu einer wegweisenden Empfehlung führen.
Zu den zukünftigen Herausforderungen rechnet Babylon: Es muss sichergestellt werden, dass der Apotheker vor einem Switch in geeigneter Form über das Präparat und seine Besonderheiten informiert und trainiert wird. Nach einem Switch muss die Evaluation sichergestellt werden. Die Pharmazie sollte bei der europäischen Zulassungsbehörde eine Stimme haben. Apotheker sollten als Teil des Switch-Prozesses gehört werden.
Zu den Zukunftsvisionen des PGEU-Präsidenten gehört die Überlegung, dass der Apotheker wegkommt von der produktorientierten und margenbezogenen Bezahlung hin zu einer Honorierung, die zumindest teilweise auf einer Beratungsgebühr basiert. Switch-Produkte, die Beratung erfordern, können hier eine Möglichkeit und eine Herausforderung für Apotheker sein, um in diese Richtung weiter zu gehen. Ärzte und Verbrauchergruppen sind darüber zu informieren, dass Apotheker bereit und kompetent sind, Switches zu unterstützen. Eine entsprechende Fort- und Weiterbildung kann diesen Prozess erleichtern. Babylon sieht in diesem Prozess eine historische Chance für Apotheker, ihre Stellung im Gesundheitswesen zu stärken.
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