DAZ aktuell

Rx-Abgabe ohne Rezept – Betriebserlaubnis weg

BERLIN (ks). Ein Apotheker, der verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept abgegeben hat, muss seine Apothekenbetriebserlaubnis abgeben. Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat in einem aktuellen Urteil den entsprechenden Widerruf des zuständigen Landesamts bestätigt.
(Urteil des VG Berlin vom 19. Mai 2010, Az.: VG 14 K 45.09)

Der Kläger, ein 64-jähriger Apotheker und bisher Inhaber einer Apotheke in Berlin-Wilmersdorf, war im Januar 2009 vom Landgericht (LG) Berlin zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt und mit einem dreijährigen Berufsverbot belegt worden. Er hatte in seiner Apotheke unerlaubt Betäubungsmittel sowie verschreibungspflichtige Arzneimittel – teilweise zu Dopingzwecken im Sport – abgegeben. Das Ganze hatte ein beträchtliches Ausmaß. So ermittelte das Gericht beispielsweise, dass ein pharmazeutischer Großhändler zeitweise über ein Drittel seiner im gesamten Berliner Stadtgebiet an Apotheken verkauften Rohypnol-Packungen an den Kläger lieferte.

Widersprüchliche Prognosen?

Nach diesem Urteil hatte das Landesamt für Gesundheit und Soziales die Apothekenbetriebserlaubnis des Apothekers widerrufen. Im August 2009 hob der Bundesgerichtshof (BGH) im Revisionsverfahren das strafrechtliche Urteil in seinem Maßregelausspruch – der Verhängung des Berufsverbots – auf und verwies es zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück. Der BGH hielt es für widersprüchlich, dass das LG einerseits die Strafaussetzung zur Bewährung damit begründet hatte, der Angeklagte sei in der Hauptverhandlung von dem Verfahren sichtlich so beeindruckt gewesen, dass er sich nach Überzeugung der Strafkammer schon die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zur Warnung dienen lasse und zukünftig keine Straftaten mehr begehen werde. Andererseits habe es die Gefahrenprognose bei der Festsetzung des Berufsverbots damit begründet, dass aufgrund der Anzahl der Taten und der sich stetig steigernden Mengen illegal abgegebener Arzneimittel davon auszugehen sei, der Angeklagte werde auch zukünftig gleiche oder ähnliche Taten begehen. Daraufhin entschied im Januar 2010 eine andere Kammer des LG, dass ein Berufsverbot nicht verhängt werden könne. Hierzu heißt es im Urteil: "Die Taten liegen bereits 3,5 Jahre zurück. Der Angeklagte hat in dieser Zeit seine Apotheke weiter betrieben, ohne erneut straffällig zu werden oder gegen andere Berufspflichten zu verstoßen. Er hat die Taten erst am Ende seines Berufslebens begangen, zuvor ist er nie straf- oder berufsrechtlich aufgefallen. Für den familiär eingebundenen Angeklagten sind die drohende Vollstreckung der zweijährigen Freiheitsstrafe und das anhängige Verwaltungsgerichtsverfahren ausreichend, um ihn von weiteren erheblichen Straftaten abzuhalten, zumal das Ende seiner Berufsausübung im Hinblick auf sein Alter ohnehin absehbar ist."

Zuverlässigkeit nachhaltig erschüttert

Der Apotheker wollte nunmehr auch gegen den behördlichen Entzug seiner Apothekenbetriebserlaubnis vorgehen. Seine gegen den Bescheid des Landesamts gerichtete Klage wurde jedoch vom VG Berlin abgewiesen, die behördliche Entscheidung bestätigt. Dazu führte das VG aus, dass die Erlaubnis bei Unzuverlässigkeit des Apothekers widerrufen werden könne. Dies sei insbesondere bei strafrechtlichen Verfehlungen und bei gröblicher oder beharrlicher Zuwiderhandlung gegen das Apothekengesetz der Fall, was hier zu bejahen gewesen sei. Die strafrechtlich festgestellte aktive Teilnahme am Anabolikahandel offenbare ein Maß an Verantwortungslosigkeit betreffend den Kernbereich apothekenrechtlicher Verpflichtungen, das das Vertrauen in seine apothekenrechtliche Zuverlässigkeit "grundlegend und nachhaltig erschüttert" habe.

Der Kläger habe sich bei der Überlassung verschreibungspflichtiger Arzneimittel nicht einmal ansatzweise die Frage gestellt, in welcher gesundheitlichen Verfassung sich die mutmaßlichen Endabnehmer befunden und welchen konkreten Risiken sie sich jeweils ausgesetzt hätten. Das Verhalten des Klägers rechtfertige den Rückschluss auf seine offenbare Ignoranz gegenüber den Verschreibungspflichtregeln und gegenüber den gesundheitlichen Gefahren, denen mit der Anbindung an eine ärztliche Verschreibung Rechnung getragen werden solle. Gerade das Nebeneinander der beiden Tatkomplexe – des Anabolikahandels einerseits und der willfährigen Abgabe von Diazepam sowie Rohypnol für die Verwendung in der Drogenszene andererseits – offenbarten eine tiefgreifende "Entfremdung" des Klägers von den grundlegenden Verpflichtungen eines Apothekers, heißt es im Urteil.

Kein milderes Mittel

Angesichts des nachhaltigen Wegfalls der apothekenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers sei die beklagte Behörde zum Widerruf der Apothekenbetriebserlaubnis gezwungen gewesen. Dies gelte selbst dann, wenn sich die faktische Situation des Klägers bei Wegfall der Apothekenbetriebserlaubnis wegen seines Alters nicht wesentlich von der bei einem Widerruf seiner Approbation unterscheide. Denn ein milderes geeignetes Mittel, den mit der Fortführung der Apothekenleitung durch den Kläger verbundenen Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung entgegenzuwirken, als die Entziehung dieser Kompetenz, stehe nicht zur Verfügung.

Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg statthaft.

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