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Kabinett beschließt zweites Pharma-Sparpaket
Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) will dem drohenden Rekorddefizit bei den gesetzlichen Krankenkassen mit Einsparungen bei Arzneimitteln entgegenwirken. Dabei setzt man auf Strukturveränderungen. Das zunächst geplante Verbot von Pick-up-Stellen ist nach dem Veto des Bundesinnen- und Justitzministeriums aus dem Gesetzentwurf entfallen. Die seitens der Ministerien vorgetragenenen verfassungsrechtlichen Bedenken konnten in der Ressortabstimmung nicht ausgeräumt werden (siehe AZ 2010, Nr. 26, S. 1).
Patentgeschützte Arzneimittel im Mittelpunkt
Zu den Einsparungen beitragen soll insbesondere die künftige Verpflichtung der Pharmaunternehmen, den Nutzen für neue Arzneimittel nachzuweisen und innerhalb eines Jahres einen Rabatt auf den Preis des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung zu vereinbaren. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet eine zentrale Schiedsstelle mit Wirkung ab dem 13. Monat nach Markteinführung über den Erstattungspreis. Für Arzneimittel ohne Zusatznutzen wird die Erstattungshöhe begrenzt auf den Preis vergleichbarer Medikamente. Bei vollständiger Umsetzung des Vertragsmodells ist laut Kabinettsentwurf mit einer Entlastung von rund zwei Milliarden Euro für die GKV zu rechnen. Für nicht festbetragsfähige Arzneimittel wird die Entlastung auf 1,7 Milliarden Euro geschätzt, die schnelle Einbeziehung von Arzneimitteln ohne Zusatznutzen in die Festbeträge soll weitere 300 Millionen Euro sparen.
Großhandelsrabatte werden eingeschränkt
Die Neufestsetzung der Großhandelsspanne – die in den Vorgängerentwürfen noch nicht geregelt war – soll die Kostenträger um knapp 400 Millionen Euro pro Jahr entlasten. Hiervon entfallen laut Gesetzenwurf auf die gesetzliche Krankenversicherung ca. 85 Prozent. Konkret soll sich der Großhandelszuschlag künftig aus einem Festzuschlag in Höhe von 60 Cent je Packung und einem prozentualen Zuschlag von 1,7 Prozent des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) zusammensetzen.
Um eine Bevorzugung hochpreisiger Arzneimittel zu vermeiden, darf der Zuschlag von 1,7 Prozent auf den ApU einen Betrag von 20,40 Euro nicht übersteigen. Dies entspricht einem Zuschlag von 1,7 Prozent bei einem ApU in Höhe von 1200 Euro ohne Mehrwertsteuer. Der preisunabhängige Vergütungsbestandteil ist dabei nicht rabattfähig, wogegen der prozentuale Zuschlag – wie der bisherige Großhandelszuschlag – als Höchstzuschlag ausgestaltet ist. Hierdurch werde dem Großhandel ein "gewisser Spielraum bei der Preisgestaltung gegenüber den Apotheken" gewährleistet, heißt es in der Begründung. Insbesondere soll er Funktionsrabatte, etwa bei Bestellung größerer Mengen, ermöglichen. Klar ist damit aber auch, dass diese drastisch eingeschränkt werden.
Neue Zuschläge für parenterale Zubereitungen
Der Kabinettsentwurf sieht gegenüber den Vorgängerentwürfen auch eine Anhebung der Apothekenzuschläge für die Zubereitung parenteraler Lösungen vor. So sollen zytostatikahaltige Lösungen künftig statt 70 Euro einen Zuschlag von 90 Euro erhalten. Für Antibiotika-, Virusstatika- sowie Schmerzmittel-haltige Lösungen ist eine Vergütung von 51 statt bisher 40 Euro vorgesehen. Bei Ernährungslösungen wird der Zuschlag von 65 auf 83 Euro erhöht. Für sonstige Lösungen gibt es künftig 70 statt 55 Euro. Neu aufgenommen wurden Lösungen mit monoklonalen Antikörpern, für die es 87 Euro Zuschlag geben soll, sowie für Calciumfolinat, die mit 51 Euro veranschlagt sind. Die Zuschläge kommen allerdings nur zur Anwendung, soweit es keine anderweitige Vereinbarung zwischen Deutschem Apothekerverband und den Kassen gibt. Im Bereich der GKV gilt seit Anfang des Jahres die neue Hilfstaxe, sodass die neuen Zuschläge nur bei privat versicherten Patienten relevant werden.
Auskunftsanspruch des GKV-Spitzenverbands
Überdies erhält der GKV-Spitzenverband ebenso wie bisher bereits die Krankenkassen einen Anspruch gegenüber der Apotheke über die von ihr tatsächlichen vereinbarten Einkaufspreise für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen – ebenso besteht der Auskunftsanspruch gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmer hinsichtlich der Höhe der tatsächlichen vereinbarten Abgabepreise für diese Arzneimittel. Diese Angaben seien erforderlich, damit für diese Arzneimittel marktnahe Vereinbarungen über abrechnungsfähige Preise zwischen den Krankenkassen und den Apotheken getroffen werden können, heißt es in der Begründung. Hiervon erwartet man zusätzliche Einsparungen von ca. 150 Millionen Euro pro Jahr für die GKV.
Weiterentwicklung der Rabattverträge
Die angekündigte Dereglierung im Dschungel der Steuerungsinstrumente bleibt im vorliegenden Gesetzenwurf übersichtlich. Abgeschafft werden die Bonus-Malus- und die Zweitmeinungsregelung. Die Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Ärzte werden verschlankt. Bei den Rabattverträgen bleibt es hingegen. Sie sollen aber "wettbewerblicher und patientenfreundlicher" gestaltet werden. So gelten hier künftig die Vorschriften des Kartellrechts. Die Rechtswegzuweisung für Klagen erfolgt zu den Zivilgerichten. Patienten bekommen zudem im Rahmen der Mehrkostenregelung die Möglichkeit, ihr gewohntes Arzneimittel zu behalten, wenn sie dafür zunächst in Vorleistung gehen. Klar geregelt ist im Gesetzentwurf zudem, wie künftig die Begriffe "identische Packungsgröße" und "gleiches Anwendungsgebiet" im Rahmen der Aut-idem-Substitution zu verstehen sind (siehe DAZ 2010, Nr. 22, S. 16).
Nächste Woche erste Lesung im Bundestag
Bundesgesundheitsminister Rösler zeigte sich nach dem Kabinettsbeschluss zufrieden: "Mit dem Gesetzentwurf haben wir grundlegende strukturelle Änderungen im Arzneimittelmarkt auf den Weg gebracht und gleichzeitig die schwierige Balance zwischen Innovation und Bezahlbarkeit geschafft". Der Gesetzentwurf wird nun der parlamentarischen Beratung zugeführt. Am 6. Juli sollen die Regierungsfraktionen die "parallele Einbringung als Koalitionsentwurf" beschließen, damit ist später eine Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens möglich. Die 1. Lesung ist für den 9. Juli vorgesehen – am letzten Tag vor der parlamentarischen Sommerpause des Deutschen Bundestages. Das Gesetz soll am 1. Januar 2011 in Kraft treten.
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