Arzneimittel und Therapie

M. tuberculosis: Neuer Wirkstoff hemmt Zellwandbildung

Die Tuberkulose ist wieder auf dem Vormarsch. Zahlreiche Stämme des wichtigsten Erregers Mycobacterium tuberculosis haben gegen Antibiotika bereits Resistenzen entwickelt, und selbst die kostenaufwändige Standardtherapie gegen eine unkomplizierte Tuberkulose beginnt heute mit einer komplexen Vierfachkombination. Seit Jahren wurde zudem kein neues Antituberkulotikum entwickelt. Würzburger Wissenschaftler haben jetzt einen neuen Wirkstoff synthetisiert, der die Zellwandbildung des Bakteriums hemmt.
Mycobacterium tuberculosis Ein neuartiger, vielversprechender Wirkstoff, der die Zellwandbildung des TuberkuloseerregersM. tuberculosis hemmt, wurde von Würzburger Wissenschaftlern auf der Basis eines strukturbiologischen Drug Designs entwickelt.
Foto: CDC/ Dr. Ray Butler; Janice Carr

Rund ein Drittel der Weltbevölkerung ist mit Tuberkuloseerregern infiziert, aber nur ein geringer Teil der Infektionen führt sofort zu einer Erkrankung. Knapp 9 Millionen Menschen erkranken und etwa 1,6 Millionen sterben an der Infektionskrankheit pro Jahr; andere Schätzungen gegen von 3 Millionen Toten aus. In Deutschland erkrankten im Jahr 2008 mehr als 4500 Menschen. Viele Stämme des wichtigsten Erregers Mycobacterium tuberculosis sind gegen die bereits vorhandenen Antibiotika resistent, und seit Jahren wurde kein neues Tuberkulose-Medikament mehr entwickelt. Diese multiresistenten Erreger machen die Behandlung von Patienten zu einem langwierigen und kostenintensiven Prozess.

Entwicklung eines neuartigen Wirkstoffs

Ein Team von Wissenschaftlern unter der Führung der Strukturbiologin Prof. Dr. Caroline Kisker, Gruppenleiterin am Rudolf-Virchow-Zentrum in Würzburg, hat jetzt einen viel versprechenden neuen Wirkstoff gegen Mycobacterium tuberculosis entwickelt: Die Zellwand des Erregers besteht zum Großteil aus Mykolsäuren, sehr langkettigen Fettsäuren, die den Bakterien Schutz gegen eine Abwehr durch das Immunsystem bieten. Sie ermöglichen ihnen, in Makrophagen (Fresszellen) zu überleben. Eines der Enzyme, das an der Herstellung dieser Fettsäureketten beteiligt ist, ist die Enoyl-ACP-Reduktase (InhA). Die Fettsäuren werden im Enzym in einer so genannten Substrattasche gebildet. Ausgehend von einem bereits existierenden Hemmstoff, Triclosan, wurde ein strukturverwandter Wirkstoff, das 2-(o-Tolyloxy)-5-hexylphenol (PT70), synthetisiert. Zwar hemmt auch das Triclosan das Enzym InhA, es passt jedoch nur recht unspezifisch in die Subtrattasche und lässt sich daher leicht wieder herausdrücken. PT70 hingegen ist länger als Triclosan und reicht noch weiter in die Substrattasche hinein. Durch eine optimierte Zusammensetzung wird weiterhin erreicht, dass PT70 noch besser an das Enzym InhA bindet. Ein entscheidendes Kriterium für die Wirksamkeit ist jedoch, dass es mit dem neuartigen Wirkstoff – ähnlich wie bei der Fettsäure – gelingt, die Substrattasche zu schließen.

Alle Faktoren zusammen bewirken, dass der Hemmstoff PT70 etwa 24 Minuten an das Enzym gebunden bleibt, 14.000-mal länger als bei bisherigen Substanzen wie Triclosan. Als Medikament sollte er daher wesentlich wirksamer sein als die vergleichsweise nur kurz gebundenen Substanzen. Die Würzburger Wissenschaftler sehen ihre Ergebnisse als erfolgreichen Ansatz für die Entwicklung neuartiger Wirkstoffe über strukturbiologische Untersuchungen.

Quelle Luckner, S.R., et al.: A slow, tight binding inhibitor of InhA, the enoyl-acyl carrier protein reductase from Mycobacterium tuberculosis. J. Biol. Chem. 285(19): 14330 –14337 (2010).

 


Dr. Hans-Peter Hanssen

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