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Haben Apotheken Kundendaten an die Polizei geliefert?

LEIPZIG (diz). Sachsens Apotheker sollen ihre Patienten angeblich bespitzelt und Käufer bestimmter Arzneimittel ans Landeskriminalamt (LKA) gemeldet haben. Dies berichtet die sächsische Regionalausgabe der "Bild"-Zeitung vom 18. Januar. Es geht dabei um den Kauf größerer Mengen der Selbstmedikationsarzneimittel Rhinopront Kombi und Reactine Duo, die den Wirkstoff Pseudoephedrin enthalten. Dieser Wirkstoff kann bei der Herstellung der Designerdroge Crystal verwendet werden.
Foto: DAZ/Schelbert
Friedemann Schmidt Kein Aufruf zum Bespitzeln von Patienten

Die Sächsische Apothekerkammer bat in ihrem Rundschreiben 12/2009 ihre Mitglieder, "sachdienliche Hinweise zu Anfragen/Bestellungen/(Online-)Kauf nicht therapiekonformer Mengen dieser Arzneimittel umgehend an das Sächsische Landeskriminalamt zu melden". Die "Bild"-Zeitung interpretierte dies so: "Bedeutet: Wer mehr als zwei Packungen kauft, ist schon verdächtig."

Da dies möglicherweise auch von Kollegen dahingehend missverständlich aufgefasst wurde, Namen von Personen ans LKA zu nennen, erfolgte aus Kollegenkreisen ein Hinweis an den Datenschutzbeauftragten, der die Kammer bat, ihre Bitte klarer zu fassen. In ihrem Rundschreiben 20/2009 präzisierte die Kammer daraufhin den Aufruf: "Wir bitten Sie daher, sachdienliche Hinweise zu Anfragen/Bestellungen/(Online-)Kauf nicht therapiekonformer Mengen dieser Arzneimittel umgehend an das Sächsische Landeskriminalamt zu melden. Darunter sind ausschließlich zeitliche und mengenmäßige Angaben zu auffälligen Kaufvorgängen, jedoch keine Angaben zu Kundendaten zu verstehen. Eine Übermittlung von Kundendaten oder Angaben, die einen Kunden identifizieren ließen, wäre mit der strafrechtlich (§ 203 StGB) bewehrten apothekerlichen Schweigepflicht unvereinbar, sofern nicht ausnahmsweise eine Offenbarungsbefugnis nach § 34 StGB bestünde."

Laut Bild-Zeitung sollen aufgrund des ersten Kammeraufrufs 69 Spitzel-Hinweise beim LKA eingegangen sein. Wie eine LKA-Sprecherin gegenüber "Bild" erklärte, seien daraufhin 46 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Den Anstoß zur Kooperation mit den Apotheken habe das Bundeskriminalamt gegeben.

Die Kundennamen haben die Apotheken leicht herausfinden können, so "Bild" weiter, weil die Präparate in vielen Fällen erst für die Kunden bestellt werden mussten.

Falsch verstandener Aufruf

Wir fragten beim Präsidenten der Sächsischen Landesapothekerkammer, Friedemann Schmidt, nach. Der Aufruf der Kammer, bei solchen Bestellungen mehr Achtsamkeit walten zu lassen, war nie so gedacht, dass die Apotheken dem LKA Kundennamen mitteilen. Möglicherweise sei die Formulierung des ersten Aufrufs zu offen gewesen. Nach dem Hinweis des Datenschützers habe man jedoch den Aufruf in der zweiten Mitteilung dazu konkretisiert. "Es war nie unsere Absicht, die Apotheke zur persönlichen Anzeige von Kunden aufzurufen", so Schmidt im Gespräch mit der DAZ. Es sollte mit dem Kammeraufruf lediglich Bewusstsein für die Problematik geschaffen werden, dass die Kollegenschaft bei größeren Bestellungen dieser Produkte besonders aufpassen und im Zweifelsfall nichts mehr abgeben.

Schweigepflicht?

Die Frage in solchen Fällen: Wie weit geht die Schweigepflicht? Wie ist sie zu interpretieren? Wenn ein Kunde zwischen 10 oder sogar 150 Packungen Reactine Duo verlangt, liegt die Vermutung nahe, dass er kein "Patient" ist, sondern dass er möglicherweise damit handelt oder für andere Zwecke missbraucht. In diesem Fall könnte es strittig sein, ob die Schweigepflicht noch greift. Wie Schmidt sagte, habe er noch ein Gespräch mit dem Datenschutzbeauftragten, wie solche Fragen von dieser Seite aus beurteilt werden.

Missbrauch von Reactine

Wie Apotheker Gerold Donner, Löwen-Apotheke in Dippoldiswalde, aus eigener Erfahrung gegenüber der DAZ berichten konnte, seien im vergangenen Sommer ein-, zweimal pro Woche in seine Apotheke Personen mit südeuropäischem Habitus gekommen, die gebrochen Deutsch sprachen und die nach Reactine Duo in größerer Stückzahl fragten. Man habe diese Frage in solchen Fällen allerdings verneint und darauf hingewiesen, dass man dies erst bestellen müsse. Eine Frage nach dem Namen der Kunden sei nicht erfolgt. Die Personen seien allerdings nicht mehr zur Abholung der Ware in die Apotheke gekommen. Über diesen Vorgang habe man die Polizei informiert. Namen wurden und konnten dabei nicht mitgeteilt werden. Die Polizei bat lediglich darum, bei Abholung der Ware Bescheid zu geben. Wie sich herausstellte, seien die Personen in allen Apotheken des Ortes gewesen, um nach diesen Präparaten zu fragen.

Kontrollpflicht der Apotheken

Die Sächsische Apothekerkammer wird diese Vorfälle nun zum Anlass nehmen, so kündigte Schmidt an, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie Apotheken ihre Kontrollpflicht, auch den Sinn der Apothekenpflicht wahrnehmen können unter den Bedingungen einer so weit gefassten Schweigepflicht. "Ich denke, wir haben in dieser Diskussion noch Nachholbedarf, was unter diesen Voraussetzungen machbar ist und was nicht", so Schmidt. Man könne diese Diskussion aber auch ins Positive wenden und sich öffentlich mit der Frage befassen, welchen Sinn die Apothekenpflicht hat und warum es sie gibt. Vielen Journalisten von Tageszeitungen sei nicht klar, wie Schmidt in Gesprächen feststellen musste, warum es die Apothekenpflicht überhaupt gibt und welche Kompetenzen der Apotheker hat.

Schmidts Fazit: "Wir hatten nie vor, Patienten persönlich auszuforschen. Wir glauben, dass unsere Kolleginnen und Kollegen sehr genau unterscheiden konnten zwischen Patienten und Personen, die die Arzneimittel in krimineller Absicht erwerben wollten, zu welchem Zweck auch immer. Wir glauben auch, dass ein Apotheker in der Lage ist, dies zu differenzieren." Man werde sich auf jeden Fall zum Thema Schweigepflicht in der Apotheke noch mit Juristen austauschen.

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