Arzneimittel und Therapie

Aktuelle Therapien für schwache Herzen

Unter chronischer Herzinsuffizienz leiden in Deutschland etwa 1,8 Millionen Menschen, Tendenz steigend. Zwar gab es in den letzten Jahren ein therapeutisches Umdenken bei der Behandlung der Herzschwäche, doch trotz moderner Strategien geht die Erkrankung mit einer hohen Morbidität und Mortalität einher. Was aktuelle Leitlinien zur Therapie vorschlagen und welche neuen Behandlungsansätze für die Forschung interessant sind, war einer der Schwerpunkte bei der 2. Freiburger Sommerakademie.

Atemnot (Dyspnö), Müdigkeit und verminderte körperliche Belastbarkeit sowie Flüssigkeitsretention gehören zu den Leitsymptomen einer Herzmuskelschwäche. Oft kommen Herzrhythmusstörungen, nächtliches Wasserlassen und Ödembildung hinzu. Herzinsuffizienz ist stark altersabhängig – je höher das Lebensalter, desto mehr Personen in dieser Gruppe leiden an der Erkrankung. Sie trifft in den jüngeren Altersklassen bevorzugt Männer, in höheren Lebensjahren vermehrt Frauen. Im Verhältnis zu anderen chronischen Erkrankungen leidet die Lebensqualität von Patienten mit Herzinsuffizienz besonders. Aufgrund steigender Lebenserwartung sowie verbesserter Überlebenschancen nach akutem Herzinfarkt, Herzklappenerkrankungen und anderen Myokarderkrankungen werden für die nächsten Jahre zunehmend mehr Herzinsuffizienz-Fälle in den westlichen Industrieländer erwartet.

Pathologischer Umbau des Muskels

Eine Herzinsuffizienz beschreibt das Unvermögen des Herzens, den Körper mit genügend Blut und damit Sauerstoff zu versorgen. Der Stoffwechsel unter Ruhe- wie unter Belastungsbedingungen ist eingeschränkt. Pathologisch betrachtet sorgen verengte oder verschlossene Herzkranzgefäße für die verminderte Sauerstoffversorgung des Herzmuskels. Herzmuskelzellen gehen zugrunde und das Restmyokard versucht sich dieser Situation anzupassen, indem der Körper das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System und das sympathische Nervensystem aktiviert. Kurzfristig wirken diese Mechanismen positiv auf die Herzleistung. Langfristig werden jedoch weitere Herzmuskelzellen geschädigt und die Herzinsuffizienz vorangetrieben. Es kommt zum Remodeling, also "Umbau" des Herzens. Spezialisierte Gewebezellen werden durch "minderwertige" funktionsarme Zellen wie Fibroblasten, ersetzt. Das größte Risiko einer Herzinsuffizienz besteht im plötzlichen Herzversagen. Einer akuten Herzinsuffizienz liegt meist ein Herzinfarkt zugrunde, während chronische Herzmuskelschwäche bevorzugt die Folge jahrelanger Hypertonie und koronarer Herzkrankheit ist.

Lebensqualität nicht-medikamentös verbessern

Einen wichtigen Baustein bei der Behandlung von Herzinsuffizienz stellt die nicht-medikamentöse Therapie dar. Entgegen früheren Empfehlungen setzt man bei Patienten mit stabiler Herzinsuffizienz heute auf moderate Bewegung in Form eines individuell angepassten und überwachten körperlichen Trainings, um die Leistungsfähigkeit zu verbessern. Das Körpergewicht sollte täglich kontrolliert und eine ungewöhnlich rasche Gewichtszunahme, die in der Regel auf Wassereinlagerungen zurückzuführen ist, umgehend abgeklärt werden. Patienten mit einem BMI > 30 wird zum Abnehmen geraten. Bei leichtem Übergewicht scheint eine Gewichtsreduktion vor allem für Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz allerdings keine prognostischen Vorteile zu bringen – im Gegenteil: sie zeigen unter leicht erhöhtem BMI (Body Mass Index) bessere Überlebenschancen. Darüber hinaus wird empfohlen, die Kochsalz- und Flüssigkeitszufuhr (1,5 bis 2 l/d) einzuschränken. Alkohol sollte nur wenig und Nicotin gar nicht konsumiert werden. Schließlich raten die Leitlinien herzinsuffizienten Patienten sich regelmäßig gegen Pneumokokken und Influenza impfen zu lassen.

Mögliche neue Ansätze zur Therapie der Herzinsuffizienz

Bislang ist eine Heilung der chronischen Herzinsuffizienz nicht möglich und auch die Überlebenswahrscheinlichkeit hat sich in den letzten Jahren nicht entscheidend verbessert. Alle bisherigen Herzinsuffizienz-Medikamente sind vorrangig Substanzen, die den Blutdruck senken. Sie greifen jedoch nicht direkt oder nur sekundär an den Herzmuskelzellen an, um die Remodelingprozesse zu stoppen bzw. umzukehren. Somit besteht ein großer Bedarf nach neuen therapeutischen Strategien.

Regenerative Zellstrategien: nach der Implantation eines Herzunterstützungssystems (Kunstherz) bei Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz (Stadium IV, warten auf Spenderherz) konnte in einigen Fällen eine deutliche Erholung der kardialen Funktion festgestellt werden. Hypertrophie und Fibrose gingen zurück und die Aktivierung von Sympathikus und Renin-Angiotensin-Aldosteron-System nahmen ab. In einer Studie verbesserte sich bei 10% der Patienten die Herzfunktion so gut, dass nach dem Entfernen des Gerätes eine Transplantation nicht mehr erforderlich war. Allerdings "heilen" Fibrosen und Narben nach einem Infarkt bislang nicht ab.

Epigenetische Ansätze: Das Remodeling im Herzen wird über Änderungen im Genexpressionsprogramm im Zellkern vermittelt. Interessant für die Forschung sind jene Schlüsselproteine, die die Expression bestimmter Gene in Herzmuskelzellen an oder abschalten, beispielsweise über Methylierung oder Ent-Methylierung an der DNA.

Mikro-RNAs: Mikro-RNAs sind "Schalter", die sich auf der DNA zwischen den "richtigen" Genen befinden. Sie können die RNA dieser "richtigen" Gene destabilisieren oder die anschließende Proteinsynthese hemmen. Über Mikro-RNAs ließen sich möglicherweise Schaltkreise von Zellen und Organen manipulieren und somit bestimmte biologische Reaktionen oder Krankheitsabläufe modifizieren. Hieraus ergibt sich auch ein neuer medikamentöser Ansatz. Mithilfe sogenannter Antagomire, Gegenspieler zur Mikro-RNA, die ebenfalls ein Stück RNA sind und wie ein Schlüssel ins Schloss der entsprechenden Mikro-RNA passen, können Mikro-RNAs effizient beeinflusst werden. Klinische Studien zeigen beispielsweise einen Rückgang von Fibrose im Herzmuskel, nachdem ein Antagomir i.v. appliziert wurde.

Komplementäre Ansätze:

"Telefon-Schwestern": speziell geschulte Herzinsuffizienz-Schwestern betreuen herzschwache Patienten, mindestens einmal pro Woche für mindestens 15 Minuten

telemedizinische Überwachung der Vitalparameter wie Blutdruck, Herzfrequenz und -rhythmus sowie Gewicht werden täglich übermittelt

Defibrillatoren mit Flüssigkeitsfrühwarndetektor sollen den Widerstand in der Lunge messen – ist diese mit Wasser gefüllt, steigt auch der Widerstand, was über einen Signalton registriert wird.

Das Herz entlasten statt zu fordern

Herzinsuffizienz kann sich überwiegend als systolische oder diastolische Funktionsstörung bemerkbar machen. Die systolische Herzschwäche geht als "Klassiker" mit einer verminderten Pumpleistung des Herzmuskels einher. In der Vergangenheit wurde therapeutisch versucht, Schlagkraft und Schlagvolumen des Myokards mithilfe positiv inotroper Substanzen, wie Herzglykosiden, zu erhöhen. Heute sind bevorzugt Arzneistoffe im Einsatz, die nicht primär die Auswurfleistung des Herzens fördern, sondern den Muskel entlasten. Man spricht von der Ökonomisierung des Herzmuskels – der Energieverbrauch soll gesenkt werden. Als Basis und Mittel der ersten Wahl gelten ACE-Hemmer und Beta-Blocker, die in Kombination mit nicht medikamentösen Maßnahmen bereits im NYHA-Stadium I eingesetzt werden, also auch dann, wenn noch keine Symptome auffällig sind. Alternativ sind AT1-Rezeptor-Blocker angezeigt, sobald Patienten unter ACE-Hemmern einen medikamenteninduzierten Reizhusten entwickeln. Beta-Blocker – noch vor einigen Jahren als negativ inotrope Substanzen für die Therapie von Herzinsuffizienz kaum denkbar – hemmen die unter Herzinsuffizienz erhöhte Sympathikusaktivität. ACE-Hemmer mindern ebenso wie AT1-Rezeptor-Blocker die negativen Auswirkungen des Renin-Angiotensin-Systems auf den Herzmuskel. Wird der Patient symptomatisch und treten Flüssigkeitsansammlungen auf, werden ab NYHA-Stadium II zusätzlich Diuretika verordnet. Die erhöhte Kochsalz- und Flüssigkeitsausscheidung entlastet das Herz und schwemmt kardiale Ödeme aus. Bei schwerer systolischer Herzinsuffizienz (NYHA III-IV) ist die ergänzende Gabe von Aldosteron-Antagonisten (z. B. Spironolacton) indiziert. Sie reduzieren die Proliferation von Fibroblasten und wirken somit den Mechanismen des Remodelings entgegen. Herzglykoside haben ihre Bedeutung als klassische Substanzen bei Herzinsuffizienz weitgehend verloren. Die Inotropika werden nur noch zur Frequenzsenkung und Überleitungsstabilisierung bei Vorhofflimmern in den Stadien NYHA I bis II und als Mittel der 2. Wahl bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA III bis IV) mit Sinusrhythmus (normaler Herzrhythmus) eingesetzt.

Einteilung schwacher Herzen

Um den Schweregrad einer Herzschwäche zu beschreiben, wird weltweit das Klassifikationssystem der New York Heart Association (NYHA) verwendet, welches sich ausschließlich am Beschwerdebild und der Leistungsfähigkeit des Patienten orientiert.

NYHA I: Herzerkrankung ohne körperliche Einschränkung, alltägliche körperliche Belastungen verursachen keine Beschwerden (Erschöpfung, Rhythmusstörung, Luftnot oder Angina pectoris) kardiologische Untersuchungen zeigen Herzschwäche an

NYHA II: leichte Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit, keine Beschwerden in Ruhe, stärkere körperliche Belastung verursacht jedoch Beschwerden, z. B. Bergaufgehen, Treppensteigen

NYHA III: höhergradige Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätigkeit, keine Beschwerden in Ruhe, geringe körperliche Belastung verursacht Beschwerden

NYHA IV: Beschwerden bei allen körperlichen Belastungen und in Ruhe

Vorrangig Therapie der Grunderkrankung

Bei der diastolischen Herzinsuffizienz ist die Pumpleistung unverändert, aber das Füllvolumen des Herzens vermindert. Verhärtete Herzwände und eine daraus resultierende mangelnde Dehnbarkeit sind für die Füllungsstörung verantwortlich. Diastolische Herzen sind klassische Bluthochdruckherzen, wobei oft der linke Ventrikel vergrößert ist (Hypertrophie). Die Behandlung zielt in erster Linie auf eine Therapie der Grunderkrankungen Hypertonie oder koronare Herzkrankheit ab. Spezifische Maßnahmen gegen die Herzinsuffizienz bringen nach aktueller Studienlage keine Fortschritte, müssen abgewogen werden und sind im Wesentlichen rein symptomatisch wirksam: Diuretika senken den erhöhten Fülldruck, Beta-Blocker verringern die Herzfrequenz und erreichen eine verbesserte Füllung des Herzmuskels, ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorblocker vermindern die Vergrößerung des linken Herzventrikels und Aldosteron-Antagonisten reduzieren die Versteifung der Myokardwand. Wie auch bei systolischer Herzschwäche ist die häufigste Todesursache einer diastolischen Funktionsstörung der plötzliche Herztod.

Neben der leitliniengerechten Behandlung sollte prinzipiell die frühzeitige Erkennung und Behandlung kardiovaskulärer Risikofaktoren, insbesondere des arteriellen Bluthochdrucks und der koronaren Herzerkrankung, im Mittelpunkt stehen. Außerdem gilt es bei der medikamentösen Therapie besonders älterer herzinsuffizienter Patienten auf Komorbiditäten (z. B. Diabetes, Herzrhythmusstörungen, COPD) zu achten.

Quelle Prof. Dr. Markus Haas; Mannheim; Prof. Dr. Lutz Hein, Freiburg: "Aktuelle Aspekte zur Therapie von Herzkrankheiten", 17. Juli 2010, 2. Freiburger Sommerakademie, veranstaltet von der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Nationale Versorgungsleitlinie Chronische Herzinsuffizienz 2010, www.versorgungsleitlinien.de Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Therapie der chronischen Herzinsuffizienz, 2009, leitlinien.dgk.org Prof. Dr. Thomas Herdegen: "Pharmako-logisch! Kardiale Erkrankungen", DAZ (2009) 39; 62 – 105.

 


Apothekerin Franziska Wartenberg

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