Rechtsprechung aktuell

Wenn eine Dienstreise nicht nur dienstlich ist …

Mit Beschluss vom 21. September 2009 hat der Große Senat des BFH (Bundesfinanzhof, GrS 1/06) entschieden, ob Reisekosten aufgrund einer sogenannten gemischten Veranlassung – d. h. man nutzt die Reise u. a. auch für private Zwecke, z. B. für ein verlängertes Wochenende – entsprechend der beruflich wie privat veranlassten Zeitanteile aufgeteilt werden müssen und somit steuerlich verwertbar sind. Die Finanzämter haben bisher grundsätzlich bei einer privaten Mitveranlassung die Absetzbarkeit verneint.
Foto: DAZ/diz
Dienstreise nach Davos Welche Reisekosten sind steuerlich absetzbar, wenn man ein paar Tage verlängert? Der Bundesfinanzhof hat mit seinem jüngsten Beschluss für mehr Klarheit gesorgt.

Ein angestellter "EDV-Controller" hat an einer Computerkonferenz und -messe in Las Vegas teilgenommen. Die Reise trat er alleine an. Er flog am Freitag, dem 11. November 1994, nach Las Vegas. Die Messe begann am darauf folgenden Montag und endete am Donnerstag. Montag bis Mittwoch fanden in der Zeit von 10.30 bis 17.00 Uhr (mit drei ½-stündigen Pausen) Fachveranstaltungen und Diskussionen statt. Am Donnerstag dauerten die Fachveranstaltungen von 9.00 bis 14.30 Uhr. Am darauf folgenden Samstag flog der Controller nach Hause und traf dort am Sonntag ein. Insgesamt hatte der Controller damit sieben Übernachtungen in Las Vegas.

Steuerliche Absetzbarkeit?

Betriebsausgaben (für selbstständige Apotheker/innen) bzw. Werbungskosten (für angestellte Apotheker/innen) sind dann gegeben, wenn die Aufwendungen im untrennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen. Im vorliegenden Fall sind die Tagungsgebühren sowie die Hotelübernachtungen betreffend Teilnahme an den Tagungen un-streitig betrieblich bzw. beruflich veranlasst gewesen. Streitpunkt war, ob die Flugkosten der Hin- und Rückreise voll, teilweise oder gar nicht steuerlich abziehbar sind. Das Finanzamt verneinte komplett die Berücksichtigung der Flugkosten, während das erstinstanzliche Finanzgericht eine anteilige Berücksichtigung als richtig ansah.

Die Ansicht des Finanzamtes stützt sich dabei grundsätzlich auf § 12 EStG. Hier ist das sogenannte Aufteilungs- und Abzugsverbot von gemischt veranlassten Aufwendungen gesetzlich geregelt.

Aufteilung nach Zeitanteil

Der Große Senat geht in seinem Urteil vom 21. September 2009 nunmehr davon aus, dass die Kosten für die Hin- und Rückreise (die Tagungsgebühren und anteiligen Hotelkosten waren unstreitig) aufzuteilen und somit anteilig zu berücksichtigen sind. Im Ergebnis wurden 4/7 der Flugkosten steuerlich berücksichtigt, weil entsprechend der Zeitanteile die berufliche Veranlassung eindeutig feststand und nicht von untergeordneter Bedeutung war. Damit vollzieht der Große Senat eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung.

Veranlassungsbezogene Sicht

Der Große Senat vertritt nunmehr die Auffassung, eine veranlassungsbezogene Sicht der einzelnen Aufwendungen einer Reise entscheidet über die steuerliche Abziehbarkeit. Aus nahe liegenden Gründen und insbesondere auch als sachgerechter Aufteilungsmaßstab erscheint dabei eine Aufteilung anhand der zeitlichen veranlassungsbezogenen Anteile der Reise. Im vorliegenden Sachverhalt war dies die Teilnahme an den entsprechenden Fachveranstaltungen.

Ob und inwieweit eine Aufteilung einer Reise in wirtschaftlichem Zusammenhang steht, hängt vom sogenannten auslösenden Moment ab. Hier muss man fragen, ob der Anlass der Reise mehr dienstlich oder mehr privat motiviert ist. Im vorliegenden Fall ist der Ehegatte nicht mitgereist und der berufliche Charakter der Fachveranstaltung war eindeutig. Insoweit war hier ein Veranlassungszusammenhang relativ leicht herauszustellen. Aber: Greifen die – für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden – beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge so ineinander (z. B. bei einer beruflich/privaten Doppelmotivation für eine Reise), dass eine Trennung nicht möglich ist, fehlt es also an objektiven Kriterien für eine Aufteilung, kommt ein Abzug insgesamt nicht in Betracht.

Beispiel

Für den Urteilssachverhalt sollen insgesamt Reisekosten in Höhe von € 5500,00 entstanden sein. Diese setzen sich zusammen aus Flugkosten in Höhe von € 1500,00, Hotelkosten in Höhe von € 2500,00 und Tagungsgebühren in Höhe von € 1500,00.

4/7 der Reisekosten sind beruflich
veranlasst = 57 %
Absetzbarkeit der Kosten (ohne Mitreise Ehegatte) lt.
Finanzamt
Finanzgericht
BFH GrS
Flugkosten € 1500,00
0 %
0 %
57 %
Hotelkosten € 2500,00
0 %
57 %
57 %
Tagungsgebühren € 1500,00
100 %
100 %
100 %
Gesamtkosten € 5500,00, Ansatz
1500,00
2925,00
3780,00

Somit können nach Rechtsprechung des BFH € 3780,00 abgesetzt werden.

Soweit die Steuerveranlagungen mit Steuerbescheiden noch nicht bestandskräftig sind und derartige relevante Aufwendungen vorliegen, könnten diese mittels eines Einspruches noch berücksichtigt werden. Insbesondere aber auch für die Zukunft können diese Kosten steuerlich Berücksichtigung finden.

Darf die Familie mitreisen?

Ob man sich auf einer Reise begleiten lässt und der mitreisende Ehegatte entsprechend ein sogenanntes "Rahmenprogramm" absolviert, hatte der Große Senat nicht entschieden. Sollte der Ehegatte entsprechend mitreisen, so kann man nur anraten, im Vorfeld entsprechend die rein berufliche Motivation für den persönlichen Antritt der Reise deutlich herauszustellen. Hier könnte es sogar Sinn machen, die Hotelrechnung entsprechend getrennt ausstellen zu lassen, soweit dies praktikabel ist. Dies ist im Einzelfall abzuwägen.

Wirkung auf andere Lebenssachverhalte?

Mit diesem grundsätzlichen Urteil hat der Große Senat einen ganz entscheidenden Schritt im Sinne der Abkehr vom Aufteilungs- und Abzugsverbot von gemischt veranlassten Aufwendungen getätigt. Dies müssen nicht nur Reisekosten sein, sondern können, wie bereits erwähnt, sonstige Kosten sein, bei denen eine gewisse private Mitveranlassung nie ganz auszuschließen ist. Inwieweit der Steuergesetzgeber auf dieses Urteil reagieren wird, bleibt abzuwarten. Insbesondere aber auch, ob die Finanzämter das Urteil überhaupt anwenden, denn es ist noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Allerdings kann man in einem Einspruchverfahren darauf verweisen.

Fazit

Der Große Senat macht mit seiner generellen Abkehr vom Aufteilungs- und Abzugsverbot einen Schritt in die richtige Richtung. Es ist nicht mehr zeitgemäß, Reisekosten ausschließlich beruflich oder privat zu beurteilen. Insbesondere verlockende Reiseziele könnten mit einem Kurztrip verbunden werden. Entsprechend der Zeitanteile sind die Kosten dann absetzbar, soweit eine bedeutende berufliche (Mit-)Veranlassung gegeben ist.


Dipl.-Kfm. Axel Witte, Steuerberater, c/o RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, Essen/Dresden/Dessau/Zwickau


Praxistipp


Sowohl für Veranstalter als auch Teilnehmer einer Reise sollte im Vorfeld klar umrissen sein, welche beruflichen Bestandteile die Reise hat. So sind beispielsweise Programme, aus denen sich unzweideutig berufliche Themen ergeben, entscheidendes Kriterium. Des Weiteren sind Teilnahme– bzw. Anwesenheitslisten oder Teilnahmebescheinigungen ein guter Nachweis bezüglich der tatsächlichen Veranlassung der Reise.

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