Deutscher Apothekertag 2010

Altes Problem – neue Variante

Thomas Müller-Bohn

Das AMNOG schwebte als allgegenwärtige Bedrohung über dem Apothekertag. Der mit schwarzem Tuch abgetrennte Saal und der schlichte Pflanzenschmuck mit Friedhofscharakter ließen zunächst den Eindruck einer würdigen Trauerfeier für den Apothekerberuf aufkommen. Doch das Ambiente lähmte nicht jede Aktivität. Insbesondere in der Diskussionsrunde mit den Politikern gab es Ansätze für inhaltliche Bewegung. Vor dem Apothekertag galt ein neuer Großhandelszuschlag von 60 Cent plus 1,7 Prozent als Vorgabe für das neue Gesetz. Doch während der Diskussionsrunde beim Apothekertag machte der gesundheitspolitische Sprecher der Bundestags-Unionsfraktion, Jens Spahn, einen neuen Vorschlag öffentlich: 70 Cent plus 3,4 Prozent für den Großhandel plus 200 Millionen Euro Einsparung aus der Erhöhung des Kassenabschlages für die Apotheken. Damit stellt sich zuerst die Rechenaufgabe, ob dies am Ende den gleichen Gesamtbetrag ergibt. Doch auch wenn dies hier einmal voraussetzt werden soll, verschiebt der neue Vorschlag letztlich nur die Akzente zwischen verschiedenen problematischen Folgen.

Von der ursprünglichen Variante wären primär solche Apotheken betroffen, die bisher noch Rabatte vom Großhandel erhalten. Das sind tendenziell eher umsatzstarke Apotheken und weniger die betriebswirtschaftlichen Grenzbetriebe, die bei jeder weiteren Belastung vor dem Aus stünden. Die errechnete Einbuße von 23.000 Euro pro Apotheke ist ein Durchschnittswert - aber die Durchschnittsapotheke gibt es nicht. Verschiedene Apotheken wären unterschiedlich betroffen. Bei einer Erhöhung des Kassenabschlages wäre es dagegen noch wahrscheinlicher, dass besonders kleine Apotheken und solche mit hohem GKV-Anteil existenziell bedroht werden. Apotheken mit günstigen Voraussetzungen (z. B. mit vielen Privatverordnungen) wären dagegen weniger betroffen als bei der vorherigen Variante. Der neue Vorschlag würde dem Großhandel wahrscheinlich noch einen gewissen Spielraum lassen, rationelles Bestellverhalten zu honorieren und eigene Rationalisierungserfolge weiterzugeben. Das ist kurzfristig eine gute Nachricht, birgt aber langfristig die Gefahr, dass sich die derzeitige Argumentation in einigen Jahren wiederholt: Erst wird den Apotheken eine Spanne zugewiesen, bei der die Existenz von Einkaufsvergünstigungen mit berücksichtigt wird. Einige Zeit später folgt dann die Entrüstung darüber, dass Apotheken "Rabatte" erhalten. Diese vermeintlich erstaunliche Erkenntnis kann dann leicht zum Anlass für neue Sparvorschläge genommen werden.

Der neue Vorschlag würde zudem bedeuten, den Kassenabschlag wieder gesetzlich zu regeln. Das erscheint zunächst als Rückschritt gegenüber einer liberalen Verhandlungslösung. Es wäre geradezu eine Bankrotterklärung für die Selbstverwaltung. Und doch ist es bei pragmatischer Betrachtung vielleicht sogar das Beste an der neuen Variante. Denn ein gesetzlich festgelegter Abschlag würde die Unwägbarkeit künftiger Schiedsstellenentscheidungen vermeiden, brächte Rechtssicherheit und würde allen Beteiligten sehr viel Mühe mit langwierigen Prozessen ersparen. Auch das wäre durchaus Geld wert. Doch letztlich bleibt bei allen Varianten das entscheidende Grundproblem: Wo sollen Apotheken und Großhandel 400 Millionen Euro einsparen, ohne ihre Leistungen zu verringern?


Thomas Müller-Bohn

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