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Deutscher Apothekertag 2010
Politik will den Apotheker als Medikationsmanager
Die Diskussionsteilnehmer
Moderation: Dr. Albrecht Kloepfer |
Die Politik sieht durchaus, dass den Apothekern durch das geplante AMNOG ein schmerzhafter Beitrag zu den Einsparungen abverlangt wird, sagte Flach. Aber es gehe nicht darum, Apotheker quälen zu wollen, als Politiker müsse man vielmehr nach Wegen suchen, wie man das drohende Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung abwenden könne, so Spahn. Ziel sei es, die Belastungen für die Versicherten finanziell erträglich zu gestalten und gleichzeitig eine qualitativ gute Versorgung anzubieten. Spahn: "Hier sitzen alle mit in einem Boot." Als "angemessen" sieht es der Unionspolitiker an, wenn Großhandel und Apotheken 400 Millionen dazu beitragen. Volkmer warf Spahn vor, eine undurchsichtige Politik zu betreiben, da die Apotheker bisher im geplanten AMNOG nicht vorkommen.
Kritik übte Bender am Gesetzentwurf. Am meisten seien dadurch die Versicherten gekniffen, die 6,3 Milliarden aufbringen müssten, während sich die Ärzte über 1 Milliarde Honorarzuwachs freuen könnten.
ABDA-Vize Schmidt verdeutlichte den Politikern, dass das Gesetz ungebremst in seiner Offizin aufschlage. "Wenn das AMNOG wie geplant Realität wird", so Schmidt, "dann ist ein Apothekenbetrieb wie meiner ruiniert. Wenn es heißt, dass wir derzeit alle in einem Boot sitzen, dann sitzen wir Apotheker im Maschinenraum, bei jeder Reform". Schmidt stellte heraus: Die Apotheker gehören nicht zur Vertriebsebene, Apotheker sind Leistungserbringer, sie versorgen – das sei der entscheidende Unterschied.
Fritz Becker, der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, rechnete vor, dass die Apotheker mit dem vorgelegten Gesetz überproportional belastet würden.
Was die Zahlen angeht, so Spahn, kommt es auf die zugrunde gelegte Basis an, ob man mit oder ohne Mehrwertsteuer rechnet, mit oder ohne Direktbelieferung. Um hier eine neue Diskussionsgrundlage zu haben, machte der Unionspolitiker den Apothekern das Angebot, im Vertriebsbereich Großhandel/Apotheke insgesamt 400 Millionen einzusparen. Konkret könnte eine Umstellung des Zwangsrabatts an die Krankenkassen 200 Millionen an Einsparungen bringen und beim Großhandel eine Umstellung der Marge auf 70 Cent Fixum plus einen Aufschlag von 3,4 Prozent weitere 200 Millionen. Damit wären nach seiner Auffassung "sauber und transparent" die 400 Millionen an Einsparungen auf beide Bereiche, Apotheke und Großhandel, verteilt. Spahn. "Das ist ein Vorschlag – und 400 Millionen sollen es sein, darüber lässt sich nicht verhandeln." Wenn die Apotheker bisher von einer Belastung von 620 Millionen ausgingen, dann sollten sie sich jetzt darüber freuen, dass es nur 400 Millionen werden.
Damit wäre das Problem für die Apotheker allerdings nicht gelöst, konterte Schmidt diesen Vorschlag, denn der Großhandel gäbe die auf ihn zukommenden 200 Millionen an Einsparungen an die Apotheken weiter, da der Großhandel eine solche Höhe gar nicht einsparen könnte. Aber, so fragte Schmidt nach, warum werden nur die Apotheker zu Kasse gebeten, nicht aber die anderen Leistungserbringer wie beispielsweise die Ärzte: "Warum behandeln Sie uns als Leistungserbringer anders als alle anderen?"
Spahn bot an, auch über Rechtssicherheit beim Kassenrabatt zu reden. Es sei ein unerträglicher Zustand, dass dieser immer in der Schwebe hänge.
Volkmer sieht eine Gefahr darin, dass die Regierung die Einsparungen, die sie über die Kosten-Nutzen-Bewertung von der Pharmaindustrie holen will, nicht bekommen wird. Das bedeute, dass der Druck auf die anderen Vertriebswege und Leistungserbringer steigen werde.
Becker erinnerte die Gesundheitspolitiker daran, dass den Apothekern bei der Umstellung der Arzneimittelpreisverordnung 2004 eigentlich ein Honorar von 8,55 Euro zugestanden hätte. Dem niedrigeren Honorar von 8,10 Euro abzüglich 2 Euro Kassenrabatt habe man deshalb zugestimmt, weil sich Politik und Apotheker auf eine Kompensationsmöglichkeit durch die Großhandelsrabatte verständigt hätten. Einen erneuten Sparbeitrag leisteten die Apotheker bei der Erhöhung des Kassenrabatts auf 2,30 Euro. Im Gegensatz dazu sieht man bei den ärztlichen Honoraren in den letzten Jahren eine lineare Steigerung. Warum, fragte Becker, werden die Apotheker vollkommen von Zuwachsraten abgekoppelt?
Ungeachtet der Zahlen muss sich die Politik immer wieder fragen, hielt Spahn dagegen, wo Effizienzreserven liegen. Und Rabatte hätten mit der Apothekervergütung, die die Tätigkeit in der Arzneimittelversorgung entlohnen soll, zunächst nichts zu tun. Deswegen sind jetzt diese Rabatte in den Focus geraten in einer Zeit, in der 9 Milliarden Defizit ausgeglichen werden müssten.
Schmidt bekräftigte, dass das 2004 gefundene Modell der Apothekervergütung das richtige sei. Er gab aber zu bedenken: Seit damals wurde die Höhe dieser Vergütung niemals angepasst, obwohl erhebliche Kostensteigerungen in allen Bereichen auf die Apotheken zugekommen sind. Vor diesem Hintergrund sind die Instrumentarien im Einkaufsbereich wie Großhandelsrabatte zu sehen. Wenn die Politik das nicht mehr will, dann ist dies gesetzlich zu regeln – "wir sind bereit, mit Ihnen darüber zu reden", so Schmidt an die Adresse Spahns. Aber der Vergütungsanteil, den die Apotheken jetzt aus dem Großhandelsrabatt schöpfen, müsste auf die bestehende Vergütung aufgeschlagen werden. Eine Wegnahme dieses Anteils ohne Kompensation, wie jetzt geplant, sei nicht machbar.
Bender warf ein, dass es auch Apotheken gibt, die nicht auf die Großhandelsrabatte angewiesen sind und mit der Apothekervergütung auskommen. Bender wörtlich: "Da fragt man sich schon mal, ob es nicht so sein sollte – und da müssten Sie ein Interesse daran haben: Anstatt dass die Apotheker dem Großhandel Rabatte abhandeln, verdienen sie mit der ehrlichen Arbeit des Apothekers, also Verkauf und Beratung, ihr Geld."
Auch laut Volkmer sei es seinerzeit das Ziel gewesen, den Apotheker unabhängig von Rabatten zu machen. Die Wirtschaftlichkeit einer Apotheke dürfe nicht von Rabatten abhängig sein. Man müsse für die Arbeit einen festen Preis haben, verhandelbare Rabatte seien dagegen intransparent und dürften nicht die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen bestimmen. Becker nahm den Ball auf: Er stimme zu, die Arzneimittelpreisverordnung zu ändern, wenn die Vergütung entsprechend angehoben würde.
Die FDP-Politikerin Flach wollte Rabatte im Gegensatz dazu nicht von vornherein verteufeln. Es gebe heute einige Apotheken, die von Rabatten lebten und ein entsprechendes Geschäftsmodell entwickelt hätten. Die Apotheker sollten sich aber ihre Kostenstrukturen ansehen. Im Personalbereich beispielsweise, provozierte Flach, seien in den letzten zehn Jahren laut Statistischem Bundesamt rund 50.000 PTAs mehr hinzugekommen. Ist dieses Mehr an Personal für die Beratung notwendig oder ist der Personalbereich nur aufgebläht worden? Dann könnte dieser Personalbestand wieder zurückgeführt werden – eine Aussage, die reichlich Widerspruch und Unmut im Saal hervorrief. (Zahlreiche Apothekerinnen und Apotheker erklärten der FDP-Politikerin, dass diese Zahl von 50.000 PTA mehr in den letzten zehn Jahren nicht zutreffe.) ABDA-Vize erklärte der aus der Industrie kommenden Politikerin, dass sich solche Vorschläge nicht auf die Apotheken übertragen ließen. Das Apothekengeschäft mit seiner Beratung sei personalintensiv, "wir können nicht daran denken, Personal abzubauen".
Spahn griff den Gedanken einer Vergütungsänderung auf. Wenn Apotheker ernsthaft eine andere Vergütung wollen, so der CDU-Politiker, dann sollte man sich zunächst um Einsparungen in allen anderen Bereichen bemühen. Vielleicht sollte man dann auch über andere Vergütungsformen reden, beispielsweise über die Vergütung für Ernährungs- oder Complianceberatung und vieles andere. Er wolle damit hin zu mehr Qualität in der Versorgung. Dafür sei man offen, erwiderte Becker, "schreiben Sie beispielsweise unser mit den Ärzten entwickeltes Medikationsmanagement mit in das Gesetz rein". Spahn machte aber deutlich, dass es ihm um mehr als nur Medikationsmanagement gehe.
Volkmer bekräftigte erneut, dass Festbeträge und Rabattverträge unverzichtbar seien und man auf die damit gewonnenen Einsparungen nicht mehr verzichten könne. Wenn man dem Patienten erkläre, dass gespart werden müsse, zeige dieser durchaus Verständnis dafür, meinte Volkmer. Die SPD-Politikerin bekräftigte gleichzeitig, dass es in ihrer Partei – trotz weniger anders lautender privater Einzelmeinungen – eine klare Positionierung gebe: "Wir sind gegen den Fremdbesitz, wir sind gegen Apothekenketten."
Blick nach vorne
Die Kompetenz des Heilberufs Apotheker sollte in Zukunft viel stärker genutzt werden, wünscht sich Spahn. Der Patient hat hier einen niedrigschwelligen Zugang zur Prävention, zu fachkundigen Ratschlägen und zu einer kompetenten Beratung über Nebenwirkungen und vielem mehr. Er erkannte an, dass der Apotheker heute schon sehr viel auf diesem Gebiet leiste. Auch die Grünen-Politikerin Bender sprach sich bei Apotheken für einen Qualitätswettbewerb aus, man solle die Beratungskompetenz des Apothekers ausschöpfen. Sie stelle sich den Apotheker als Teil eines Netzwerkes zusammen mit Ärzten und Krankenkassen vor, in dem der Apotheker Managementaufgaben übernehme.
Auch die FDP-Politikerin sieht die Zukunft des mittelständisch, beratungsintensiv geprägten Berufes vor allem darin, die Beratung zu verstärken. Ein Apotheker, der dies nicht tut, wird Probleme in den nächsten Jahren bekommen.
Für Volkmer ist die Ausrichtung des Apothekers in Richtung Hausapotheker sehr wichtig, vor allem auch für chronisch kranke Patienten. Auch die Beratung im Bereich der nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimittel werde zunehmend wichtiger. Der Apotheker ist für viele Patienten, vor allem auf dem Land, häufig der erste Ansprechpartner in Sachen Gesundheit. Die Kooperation zwischen Ärzten und Apothekern wird noch wichtiger werden.
Becker unterstrich, dass sich die Apotheker diesen Herausforderungen gerne stellen werden und sich dazu bekennen, Beratung und Versorgungsmanagement zu übernehmen. Schmidt gab den Politikern mit auf den Weg, dass die Apotheker bereit sind, den nächsten Schritt zu gehen: die Abkoppelung der apothekerlichen Leistung vom Produkt. Die Basis des Apothekerberufs liege in Zukunft in der Wissensvermittlung. "Arzneimittel vertreiben können andere auch ", so Schmidt. Man sollte sich über Honorarelemente unterhalten, die losgelöst vom Arzneimittelvertrieb sind. Ein Modell wäre, Apotheker dafür zu honorieren, dass sie Menschen, die Arzneimittel nehmen, begleiten und sich dafür einsetzen, die Therapietreue zu verbessern.
diz
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