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- DAZ 41/2010
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Deutscher Apothekertag 2010
Unvermeidbare Debatte
Die meisten Anträge beim Apothekertag wurden einstimmig oder mit wenigen Gegenstimmen angenommen. Die Delegierten bestätigten das, was ohnehin klares Meinungsbild unter politisch aktiven Apothekern ist. Kontrovers zu betrachtende Anträge waren dagegen sehr selten. Eine brisante Ausnahme bildete der Antrag der Sächsischen Landesapothekerkammer zu Spezialrezepturen. Demnach sollte die Ausnahmeregel des § 11 Absatz 3 ApoG erweitert werden. Nach dieser Regel ist es möglich, Rezepte über anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen an eine entsprechend ausgerüstete Apotheke weiterzureichen. Die Antragsteller wollten dies auf alle Rezepturen erweitert sehen, für die eine spezielle Ausrüstung erforderlich ist. Dabei wurden sterile Zubereitungen hervorgehoben. Als Beispiel führte Dr. Christina Bendas spezielle Augenrezepturen an, die gemäß einschlägiger BAK-Leitlinie unter einer Laminar-Air-Flow-Werkbank hergestellt werden müssen, die aber nicht in jeder Apotheke vorhanden ist. Logischerweise blieben nur die Alternativen, eine solche Werkbank allgemein vorzuschreiben oder die Abgabe durch eine andere Apotheke zu legalisieren. Diese Logik ist überzeugend. Spezielle Rezepturen werden immer häufiger, doch die kollegiale Aushilfe kann nur eine Auffanglösung für seltene Ausnahmen sein.
Dennoch wurde dagegen argumentiert, Zytostatika seien gewissermaßen ein Sonderfall ersten Ranges, weil sie neben dem Produktschutz auch den Arbeitsschutz tangieren. Wenn weitere Ausnahmen zugelassen würden, gerieten die Apotheken in eine nicht endende Spezialisierungsdebatte. Daraufhin schlug Dr. Kerstin Kemmritz den Kompromiss vor, Ausnahmen für solche Arzneimittel zuzulassen, die nicht mit der Pflichtausstattung gemäß Apothekenbetriebsordnung hergestellt werden können. Magdalene Linz, Präsidentin der Landesapothekerkammer Niedersachsen, unterstützte dies und bestätigte die Relevanz des Themas. Sie forderte, das Problem konsequent aus Verbrauchersicht zu sehen und ehrlich zu diskutieren. Hier sehe ich auch das entscheidende Argument, denn es kann nicht Aufgabe des Patienten sein, eine entsprechend ausgerüstete Apotheke zu suchen. Doch eine weitere Diskussion fand nicht statt – und erst recht keine Abstimmung zur Sache. Stattdessen wurde der Antrag mit großer Mehrheit in einen Ausschuss verwiesen. Hier hätte ich mir eine kraftvolle Gegenrede vom Podium gewünscht, zumal ein konstruktiver Vorschlag im Raum stand. Es geht um eine fundamentale Frage für die Zukunft der Apotheken. Wer sonst, wenn nicht das Plenum des Deutschen Apothekertages, sollte dazu ein differenziertes Meinungsbild entwickeln und letztlich eine gemeinsame Richtung vorgeben? Warum reisen die Delegierten überhaupt nach München? Nur um Selbstverständlichkeiten abzunicken?
Doch trotz der Vertagung wird die Frage nach dem Umgang mit Spezialrezepturen weiter an Bedeutung gewinnen. Der technische Fortschritt und die zunehmende Individualisierung der Therapie werden zu immer mehr neuen Verfahren führen, die nicht jede Apotheke realisieren kann. Diese Spezialisierung ist eine große Chance für viele Apotheken, aber auch für die Reputation des Berufsstandes insgesamt. Wir sollten sie nicht schamhaft verstecken, sondern selbstbewusst damit werben. Individuelle Arzneimittelherstellung auf hohem technischen Niveau ist ein überzeugendes Argument für die Apotheke. Doch Zweifler sehen darin das Problem, es könnten Apotheken erster und zweiter Klasse entstehen. Schlimmstenfalls sei die Einheit der Apothekerschaft in Gefahr. Das reale pharmazeutische Problem ist aber zu groß, um es verstecken zu können – und es wird weiter wachsen. Ärzte leben schon lange mit der Spezialisierung und treten weiterhin als einheitliche Berufsgruppe auf. Hier liegt auch die Lösung für die Apotheker: Es muss nicht jeder alles können, aber viele können sich auf unterschiedliche Leistungen spezialisieren. Das müssen nicht nur Herstellungsverfahren sein, es können auch Angebote aus der pharmazeutischen Betreuung oder aus dem Leistungskatalog LeiKa sein. Auch Apotheken ohne Spezialisierung können für die flächendeckende Versorgung unverzichtbar sein. Die Einheit der Apotheker und des Apothekenbildes in der Öffentlichkeit hängt davon ab, eine vermittelbare und tragfähige gemeinsame Basis zu definieren. Das ist primär eine Sache der Apothekenbetriebsordnung. Angesichts der anstehenden Neufassung dieser "Verfassung der Apotheke" hätte die Debatte daher jetzt ideal gepasst. Es geht darum, sich einer schwierigen, aber unvermeidlichen Herausforderung zu stellen, die Gunst der technologischen Entwicklung als Chance zu nutzen und zugleich die Weichen für die Zukunft aller Apotheken zu stellen. Ich meine, das ist kein Thema für einen Ausschuss.
Thomas Müller-Bohn
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