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DAZ aktuell
Pharmazeutischer Nachwuchs im Mittelpunkt
Prof. Dr. Theo Dingermann, Frankfurt, hob die große Bedeutung des Pharmaziestudiums hervor. Es bilde die Grundlage für eine exklusive Aufgabe, denn die Gesellschaft gestehe allein den Apothekern mit gesellschaftlichem Hoheitsauftrag zu, Arzneimittel zu verwalten und zu verkaufen. Die Kompetenzen des Arztes und des Apothekers würden sich komplementär ergänzen. "Unsere Kompetenz liegt darin, dass wir die Moleküle kennen", betonte Dingermann. Wenn der Apothekerberuf seine wissenschaftliche Basis verliere, würde das ärztliche Dispensierrecht eingeführt. Doch die größte Bedrohung sei der Tankwart, der auf neue Produkte warte.
Dingermann gab einen Überblick über die Studieninhalte der fünf pharmazeutischen Teilfächer und wies auf große Neuerungen gegenüber früheren Jahrzehnten hin. Weitere Verbesserungsmöglichkeiten sieht er nur in Details. So solle das Grundstudium gestärkt werden. Die Klinische Pharmazie solle dort weiter ausgebaut werden, wo sie bisher nur rudimentär umgesetzt und fachfremd vertreten wird. Außerdem empfahl er, das Studium mehr auf pharmazeutische Aspekte zu konzentrieren. Sowohl die Apotheker im Berufsleben als auch die pharmazeutischen Institute müssten sich stärker mit anderen Disziplinen vernetzen.
Die Forderung nach einer stärkeren Ausrichtung des Studiums an der Berufspraxis sei hingegen naiv. Dies sei die Aufgabe des dritten Ausbildungsabschnittes, in dem auch die Kultur des Apothekerberufes vermittelt werden sollte. Dingermann lobte die Vielfalt des Studiums, das individuelle Spezialisierungen in vielen Naturwissenschaften ermöglicht und damit viele Arbeitsgebiete eröffnet, dabei aber immer die Alternative bietet, in einer Apotheke zu arbeiten. Dort müssten die Apotheker die therapeutischen Optionen der Patienten interpretieren. Daher prüfe er im Examen nicht Faktenwissen, sondern den Umgang mit Expertensystemen. Im Berufsalltag würden die Apotheker so zum "Mittler zwischen Hoffnung und Angst" für die Patienten. Auf der Basis einer naturwissenschaftlichen Ausbildung könnten sich die Apotheker auf die Verwirklichung dieser Vision freuen.
Gefestigte Identität nötig
Für ABDA-Vizepräsident Friedemann Schmidt stehen dagegen weniger die Moleküle, sondern mehr die Menschen im Mittelpunkt des Apothekerberufs. Der Patient sei das zentrale Element. Die wirtschaftliche Lage biete keine hinreichende Motivation, den Beruf zu ergreifen – eher schon das Sozialprestige oder der Forschungsdrang. Doch plädierte Schmidt dafür, die Freiheit in den Vordergrund zu stellen – einerseits die Freiheit des Apothekers zur selbstständigen Berufstätigkeit und andererseits die Freiheit des Patienten von Leid und Krankheit. Mit dieser Sichtweise könnten junge Menschen für das Pharmaziestudium und für die Arbeit in der Apotheke motiviert werden. Dies ist nach Einschätzung von Schmidt auch nötig. Derzeit gäbe es zwar noch keinen Versorgungsnotstand, aber in 10 bis 20 Jahren drohe ein Versorgungsproblem. Dies ergibt sich aus der Altersstruktur der Apotheker, insbesondere der Apothekenleiter. Etwa 30 Prozent der Apotheken kämen innerhalb der nächsten zehn Jahre auf den Markt, weil der Leiter in den Ruhestand gehe, so Schmidt. Daher sei es auch nötig, die wirtschaftlichen Werte zu sichern.
Um die Versorgung auch in Zukunft sicherzustellen, seien sowohl der Staat als auch die Apotheker selbst gefragt. Es sei eine Honorarreform nötig. Es müsse eine andere Honorarpolitik gemacht werden, die nicht ständig zu Einbußen führe. Doch sollten die Apotheker auch nicht über ihren Beruf jammern. "Wir brauchen eine gefestigte Identität", forderte Schmidt. Wenn viele Apotheker ihre Zukunftserwartungen negativ sehen, sei dies auch keine gute Werbung für den Nachwuchs. Wer darüber nachdenke, überflüssig werden zu können, der werde es letztlich auch.
Als Vorbild verwies Schmidt auf die Scheele-Gesellschaft, deren Jahrestagung wieder zusammen mit dem Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern stattfand. Diese Gesellschaft repräsentiere den akademischen Beruf in enger Verbindung zum Patienten. Als Beispiel für Bemühungen um den künftigen Nachwuchs stellte Schmidt, der auch Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer ist, die Ausbildungsoffensive in Sachsen vor. Dazu gehört die Information in Schulen und auf Kontaktbörsen, eine Internetplattform für Studenten und die Anwerbung von Praktikums- und Famulaturplätzen.
Spätes Interesse an der Apotheke
Der Pharmaziepraktikant Marco Neumann, Rostock, berichtete über eine Befragung von 63 Pharmaziepraktikanten, die an der Universität Greifswald studiert hatten. Diese fühlten sich nach dem Studium zu 63 Prozent nicht gut auf die Arbeit in der öffentlichen Apotheke vorbereitet. Die Befragten wünschten sich im Studium mehr Lehrinhalte zur Beratung in der Selbstmedikation, zur pharmazeutischen Betreuung, zu Fertigarzneimitteln und zu Kommunikationstechniken. 54 Prozent der Befragten nannten die Apotheke als einen möglichen späteren Arbeitsplatz, aber nur 33 Prozent gaben bei möglichen Mehrfachnennungen allein die Apotheke an. Letztlich würden aber doch mehr Absolventen in die Apotheke gehen. Als Konsequenz appellierte Neumann an die ausbildenden Apotheker, ihre Verantwortung wahrzunehmen, Leitfäden in der Ausbildung zu nutzen und sich an Qualitätszirkeln zu beteiligen.
Den Heilberuf leben
Eva-Maria Plank, München, Adexa, zeigt sich optimistisch für die Zukunft des Berufes, denn "die Gesellschaft braucht unsere Arbeit in Zukunft noch viel mehr als heute", so Plank. Sie appellierte an die Apotheker: "Leben wir unseren Heilberuf!" Dies sei zugleich die beste Werbung nach außen. Als wichtiges Arbeitsgebiet betonte sie die pharmazeutische Betreuung, die die Lebensqualität der Patienten verbessere. Die Apotheker müssten entsprechend ihrer Kompetenz Verantwortung für die Patienten übernehmen. Sie müssten dazu eine sinnvolle Weiterbildung betreiben, in den Apotheken solle die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert werden.
Mehr Engagement für den Nachwuchs
Diese Themen wurden in einer Diskussion unter Moderation von ABDA-Pressesprecher Thomas Bellartz vertieft. Dabei ging es zunächst um die Abgrenzung der Inhalte zwischen Studium und Apothekenpraktikum. Dingermann betonte, dass die Universität nur für die Berufsfähigkeit, aber nicht für die Berufsfertigkeit der Absolventen zuständig sei. Die Effizienz im dritten Ausbildungsabschnitt betrachtet er hingegen als verbesserungsfähig. Schmidt verwies dazu auf Qualitätsanforderungen an Ausbildungsapotheken, wie sie in Baden-Württemberg eingeführt wurden und auf andere Länder übertragen werden sollten. Doch stellte er auch eine Forderung an die Universitäten: "Ich erwarte von der Uni, dass sie die Patientenbezogenheit abbildet", so Schmidt. Nach Einschätzung von Christel Johanns, Präsidentin der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, reicht ein Jahr Praktikum aus, um Praktikanten so auszubilden, dass sie sich anschließend selbst entwickeln können. Prof. Dr. Christoph Ritter, der an der Universität Greifswald Klinische Pharmazie lehrt, erklärte, dass in seinem Fach die nötigen Methoden vermittelt würden, um mit Patienten zu kommunizieren. Doch fehlten die Strukturen, um im Studium praktisch mit Patienten arbeiten zu können. Eine Chance dazu böten Partnerschaften mit öffentlichen Apotheken.
Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion war die Nachwuchsgewinnung. Dies ist bereits jetzt ein wichtiges Thema, denn die Zahl der Studienplatzbewerber sinkt und trotz des Numerus clausus werden an einigen Standorten in Sommersemestern nicht alle direkt von den Universitäten vergebenen Studienplätze besetzt. Johanns meinte, die Apotheker hätten das Thema erst spät für sich entdeckt. Nach Einschätzung von Schmidt könnten insbesondere im ländlichen Raum Steuerungsinstrumente nötig werden, um die dortigen Apotheken zu erhalten, wie dies beispielsweise in Großbritannien bereits praktiziert werde. Verschiedene Teilnehmer machten deutlich, dass Landapotheken schon heute oft nur schwer Personal finden. Im Auditorium wurde zudem beklagt, dass die übertriebene Bürokratie und die Fremdbestimmung durch die Krankenkassen junge Menschen vom Apothekerberuf abhalten könne. Doch sollten sich die Apotheker trotz dieser Belastungen nicht verweigern, erklärte Johanns, denn es gäbe andere Interessengruppen, die sonst die Versorgung übernehmen würden. Schmidt bedauerte, dass in der Gesundheitspolitik auf Bundesebene kein Apotheker mehr vertreten sei. Die Apotheker sollten diese Szene besetzen. Er appellierte an die Apotheker, sich politisch zu engagieren. "Lassen Sie sich aufstellen", forderte Schmidt. Die Apotheker seien vertrauenswürdig und würden daher gewählt, sie sollten sich nicht zu schade für die Politik sein.
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