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- DAZ 5/2010
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Feuilleton
50 Jahre "Pille"
Die Sexualhormone wurden bereits zwischen den beiden Weltkriegen erforscht. Adolf Butenandt stellte 1929 das Estron dar, kurz darauf folgte die Entdeckung der Östrogene Estriol und Estradiol sowie der Androgene Androsteron und Testosteron. All diese Hormone konnten aus Schlachtvieh isoliert werden, wie das ja auch beim Insulin gehandhabt wurde, doch war diese Methode nicht ergiebig. So benötigte man 500 kg Eierstöcke von Schweinen, um 30 μg Estradiol zu gewinnen, was (nach Abwandlung zum Ethinylestradiol) der Dosis einer einzigen "Pille" entspricht. Das Problem der geringen Verfügbarkeit wurde jedoch gelöst, als es 1940 gelang, Steroidhormone aus Diosgenin, einem Steroidsapogenin in der Yamswurzel (Dioscorea), partialsynthetisch herzustellen.
Mittlerweile waren auch die ersten Konzepte entwickelt, durch die Anwendung von Sexualhormonen oder ihren Derivaten den Zyklus der Frau so zu beeinflussen, dass eine Empfängnis und folglich eine Schwangerschaft verhindert wird. Die Zeitumstände behinderten aber auf längere Zeit ihre Realisierung.
"Die Mutter der Pille"
Es war ein Grundgedanke des Psychoanalytikers Sigmund Freud, dass Männer sich gern schöpferisch betätigen, um zu kompensieren, dass sie keine lebenden Geschöpfe auf die Welt bringen können, d. h. keine Kinder gebären können. Ein Landsmann Freuds war der 1923 in Wien geborene Chemiker Carl Djerassi, einer der Erfinder der "Pille", der Freuds Gedanken allzu wörtlich nahm, indem er seine 1991 publizierte Autobiographie "Die Mutter der Pille" nannte: der Erfinder als Mutter.
Djerassi hatte 1951 die gestagen wirkenden Testosteron-Derivate Norethisteron und Norethinodrel synthetisiert. In den Tierversuchen zur Entwicklung der "Pille", die der Physiologe Gregory Pincus durchführte, erwies sich Norethinodrel als besonders nebenwirkungsarm, sodass der Gynäkologe John Rock es für die ersten klinischen Versuche verwendete. 1956 begannen dann auch klinische Versuche mit Norethisteron.
1957 erhielt Enovid, eine Kombination von Norethinodrel mit dem Östrogen Mestranol, in den USA die Zulassung für die Indikation "Zyklusregulation". Erst drei Jahre später, am 18. August 1960, folgte die Zulassung für "hormonelle Kontrazeption".
In Deutschland hat Norethinodrel niemals eine Rolle als Arzneistoff gespielt. Das Präparat Anovlar enthielt Norethisteron und Ethinylestradiol, eine auch heute noch übliche Kombination, während im Präparat Ovosiston das Gestagen Chlormadinonacetat mit Mestranol kombiniert war.
Die gesellschaftlichen Auswirkungen der "Pille" waren gewaltig und können in ihrem Ausmaß mit den Antibiotika verglichen werden. Die "Pille" hat die Selbstbestimmung der Frau gefördert und wesentlich zum Geburtenrückgang beigetragen, der deshalb das Etikett "Pillenknick" erhielt. Die Sexualmoral der Gesellschaft hat sich gewandelt – und damit auch das Verhältnis der Geschlechter zueinander. Die befürchteten gesundheitlichen Schäden bei den Anwenderinnen sind entweder gar nicht eingetreten oder blieben auf bestimmte Risikogruppen beschränkt; so erhöht die "Pille" bei Raucherinnen das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Dagegen mindert sie das Auftreten von Dysmenorrhöen sowie von Ovarialkarzinomen.
"Pille für den Mann" nicht in Sicht
50 Jahre "Pille" sind eine 50-jährige Erfolgsgeschichte. Deshalb fragen schon seit Langem immer wieder viele Leute, wann diese Erfolgsgeschichte ihre Ergänzung findet in der "Pille für den Mann". Die entsprechenden Forschungen verliefen enttäuschend, und das Ziel erscheint in größerer Ferne denn je. Vielleicht fehlt hier die Frau, die sich zum "Vater der Pille" berufen fühlt? cae
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