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Schwabe weist den Vorwurf der Biopiraterie von sich

STUTTGART (du). Der von der Firma Dr. Willmar Schwabe hergestellte Pelargonium-sidoides-Extrakt, enthalten in dem umsatzstarken Fertigarzneimittel Umckaloabo® , sorgte in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen. Nach zweitägiger Verhandlung hatte das Europäische Patentamt am 26. Januar 2010 ein im Jahr 2007 erteiltes Patent auf das Herstellungsverfahren widerrufen. Vorläufig, wie die Firma Schwabe betont. Denn Schwabe wird gegen den Widerruf Beschwerde einlegen, und solange dieses Verfahren nicht abgeschlossen ist, bleibt die Entscheidung vorläufig. Vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) wurde der Widerruf als Erfolg im Kampf gegen die Biopiraterie gefeiert, Schwabe fühlt sich dagegen gerade von dem sehr belastenden Vorwurf der Biopiraterie freigesprochen.
Sammlung von Pelargonium sidoides Schwabe beteuert, großen Wert auf die nachhaltige Nutzung der Pflanze zu legen und Ware nur von geschulten Sammlern abzunehmen. Foto: W. Spitzner Arzneimittelfabrik GmbH, Ettllingen

Hintergrund des Verfahrens ist eine beim Europäischen Patentamt (EPA) anhängige Klage sowohl von drei Wettbewerbern von Schwabe als auch von Organisationen, die der Biopiraterie in der Dritten Welt den Kampf angesagt haben. Die Wettbewerber von Schwabe haben gegen die Patentierung des Herstellungsverfahrens an sich geklagt haben, mit dem Argument, dass es sich um ein übliches, nicht patentierfähiges Extraktionsverfahren handele. Dagegen sahen die anderen Kläger, das "African Center for Biosafety" und die "Erklärung von Bern", unterstützt vom Evangelischen Entwicklungsdienst, Bonn, vor allem einen Verstoß gegen das Übereinkommen der Vereinten Nationen für biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD-Konvention). Die Vorwürfe der Organisationen rund um das African Center for Biosafety wiegen schwer. Es werde traditionelles Wissen der Südafrikaner genutzt, ohne dass ihre vorherige informierte Zustimmung und eine Vereinbarung über eine angemessene Gewinnbeteiligung vorgelegen habe. Es handele sich um traditionelles Wissen, weil es in Südafrika über Generationen weiter gegeben wurde und schon vor 100 Jahren über Großbritannien nach Deutschland kam. Von Ausbeutung von Arbeitskräften und Zerstörung der Artenvielfalt ist die Rede. Über solche Vorwürfe zeigt man sich bei Schwabe und dem Umckaloabo® vertreibenden Tochterunternehmen Spitzner Arzneimittel besonders betroffen.

Nun hat das Europäische Patentamt am 26. Januar 2010 die Erteilung des Patentes EP 1429795 auf den Herstellungsprozess des Extraktes widerrufen. Begründet wurde der Widerruf damit, dass das beschriebene Verfahren aus patentrechtlicher Sicht die Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit nicht erfülle, da die Technik bereits ausreichend vorbekannt gewesen sei und ein Fachmann nach Literaturstudium auf das Gleiche kommen könne. Die schriftliche Begründung des EPA steht jedoch noch aus.

Die Reaktionen auf diese Entscheidung hätten unterschiedlicher kaum sein können: Während der Evangelische Entwicklungsdienst sich über einen Sieg im Kampf gegen die Biopiraterie freut, fühlt sich Schwabe gerade von diesem Vorwurf freigesprochen und zeigt sich optimistisch, im Beschwerdeverfahren durch Klärung von Detailfragen die Einzigartigkeit und Neuheit des Herstellungsverfahrens belegen zu können (s. Kasten Erklärung von Schwabe und Interview).

Vom Vorwurf der Biopiraterie freigesprochen

Im Gespräch mit der Deutschen Apotheker Zeitung beteuerte Dr. Traugott Ullrich, Leiter Marketing und Vertrieb der Schwabe-Tochter Spitzner Arzneimittel, dass die Firma Schwabe alle gesetzlichen Vorschriften einhalte. So verfüge Schwabe über Sammelgenehmigungen der örtlichen Behörden und zahle im Rahmen von Benefit Sharing Agreements über die Nutzungsgebühren hinaus einen Beitrag für einen Trust, mit dem kommunale Projekte unterstützt werden. Großen Wert werde auf die nachhaltige Nutzung der Pflanze Pelargonium sidoides gelegt. Ein sogenannter Sustainability Survey würde den Pflanzenbestand kartographieren und periodisch die Pflanzenbestände kontrollieren. Zudem werde Ware nur von geschulten Sammlern angenommen. Die Sammler müssen nicht nur die richtige Pflanze erkennen können, sie müssen auch beim Ernten dafür Sorge tragen, dass ein Teil der Wurzel jeder Pflanze in die Erde zurückgegeben wird, so dass der Bestand erhalten bleibt. Dies habe man alles bei dem Klageverfahren vorgebracht. Die Kammer habe daraufhin festgestellt, dass das Patent nicht gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoße. Hieraus leitet der Hersteller Schwabe ab, dass er von dem Vorwurf der Biopiraterie freigesprochen ist.

… oder doch nicht?

Einen solchen Freispruch kann Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungdienst (EED) nicht erkennen. Er wirft Schwabe vor, in seiner Fünf-Punkte-Erklärung (s. Kasten) aus zum Teil richtigen Fakten falsche Schlüsse zu ziehen. So habe das Europäische Patentamt (EPA) seiner Ansicht nach mit seiner Entscheidung nicht bestätigt, dass die Rohstoffgewinnung von Pelargonium sidoides die Anforderungen an Nachhaltigkeit und Schutz der Umwelt erfüllt.

Eines der Ziele des EED ist es, die Biopiraterie zu stoppen. Unternehmen, die das traditionelle Wissen Einheimischer aus Dritte-Welt-Ländern nutzen, müssten dazu zu verpflichtet werden, eine vorherige informierte Zustimmung zu der beabsichtigten Nutzung einzuholen und einen gerechten Vorteilsausgleich zu vereinbaren. Hier störe das Patentrecht ganz erheblich, so Frein. Denn es erlaube, Verfahren patentieren zu lassen ohne die UN-Konvention zu beachten. Gefordert wird der Abschluss CBD-konformer Verträge. Der Hersteller Schwabe weist darauf hin, dass er in seinen Patentschriften von 2001 die Herkunft der Pflanze und die traditionelle Verwendung der Pflanze im südlichen Afrika offengelegt habe.Den Vorwurf, dass das Patentrecht einen gerechten Vorteilsausgleich verhindere, will Schwabe nicht gelten lassen. Vielmehr ermögliche und fördere das Patentrecht die Entwicklung von Arzneimitteln und sorge damit über die gesamte Beschaffungskette für Einkommen.

Bezüglich CBD-konformer Verträge merkt Schwabe an, dass auch 18 Jahre nach der Ratifizierung dieser UN-Konvention immer noch keine verbindlichen Regeln existieren. Auf nationaler Ebene habe Südafrika dafür seit 2008 im Rahmen der nationalen Gesetzgebung (NEMBA – National Environmental Management: Biodiversity Act) eine Verordnung zur Bioprospektion, Access and Benefit-Sharing erlassen. Zur Nutzung von biologischen Ressourcen muss ein sogenannter Bioprospecting-Antrag gestellt werden. Einen solchen hat Schwabe nach Auskunft von Dr. Frank Waimer, Leiter Qualitätsmanagement der Firma Schwabe, beim zuständigen Ministerium der Südafrikanischen Regierung gestellt. Er sei derzeit noch in Bearbeitung. Im Rahmen dieses Antrags sind auch Benefit-Sharing-Verträge vorzulegen, die Schwabe mit den sammelnden Communities abgeschlossen hat. Wenn solche Verträge unter expliziter Zustimmung der betroffenen lokalen Gemeinschaften, der Träger des traditionellen Wissens, zustande kommen, wäre das für Frein und seine Mitstreiter schon ein großer Fortschritt, denn der Abschluss eines solchen CBD-konformen Vertrags mit einem wichtigen deutschen Hersteller könnte auch international paradigmatische Signalwirkung haben. Allerdings entbinde die Antragstellung nicht von dem Vorwurf der Biopiraterie, da die Rohstoffe schon vor Antragstellung ohne informierte Zustimmung gesammelt und genutzt worden seien, so Frein.

Grundsätzlich ist es auch nach Ansicht Waimers richtig, dass Unternehmen, die traditionelles Wissen nutzen, für einen gerechten Vorteilsausgleich zu sorgen haben, das Beispiel Pelargonium sei dafür nur falsch gewählt. Die CBD-Relevanz entstehe durch die Rohstoffbeschaffung im Herkunftsland und nicht durch die Nutzung traditionellen Wissens. Die zugelassene Anwendung von Umckaloabo® , das seit den 1930er Jahren auf dem Markt ist, beruhe aber nicht auf traditionellem Wissen, sondern auf eigenen wissenschaftlichen Daten.

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