Arzneimittel und Therapie

Glycin-Wiederaufnahmehemmer bessert Negativsymptome

Der Glycin-Wiederaufnahmehemmer RG16781 kann bei Schizophreniepatienten negative Symptome verbessern. Jetzt wurden die Ergebnisse nach den ersten acht Wochen einer Phase-II-Studie vorgestellt.

Schizophrenie ist eine schwere Erkrankung, die sich durch tief greifende Störungen in Denken und Verhalten auszeichnet und die Fähigkeit beeinträchtigt, ein normales Leben zu führen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) betrifft diese Erkrankung etwa 24 Millionen Menschen weltweit und wird üblicherweise bei Erwachsenen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren diagnostiziert.

Positive und negative Symptome

Die Symptome der Schizophrenie werden in die Kategorien positive und negative Symptome und kognitive Defizite eingeteilt. Positive Symptome sind psychotische Symptome wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Negative Symptome gehen mit Störungen normaler Verhaltensweisen und Gefühle einher, wie Apathie, Rückzug aus dem sozialen Leben, Antriebsschwäche und Freudlosigkeit im Alltagsleben. Kognitive Defizite sind unter anderem Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und/oder Anweisungen zu befolgen, Schwierigkeiten, Aufgaben zu Ende zu führen, Gedächtnisprobleme und ungeordnetes Denken.

Die neue Prüfsubstanz RG16781 könnte die erste Behandlungsmethode sein, welche die mit der Schizophrenie verbundenen Negativsymptome anspricht und Patienten in die Lage versetzt, im Alltagsleben besser zurecht zu kommen.

Verbesserte Glutamatwirkung

Der Glycin-Wiederaufnahmehemmer RG1678 normalisiert die Glutamat-Neurotransmission, indem er den Glycinspiegel an den Synapsen erhöht und somit einen wichtigen Pfad bei psychiatrischen Störungen beeinflusst.

In der Phase-II-Studie wurden Wirksamkeit und Sicherheit der drei Dosierungsschemen von RG1678 (10, 30 und 60 mg) bewertet. Die Daten ergaben einen klinisch bedeutsamen Rückgang bei den negativen Symptomen der Schizophrenie, der mit günstigen Veränderungen in der persönlichen und sozialen Funktionsfähigkeit einherging. Dabei wurden Besserungen bei Patienten mit überwiegend negativen Schizophrenie-Symptomen festgestellt, die RG1678 in Kombination mit Antipsychotika der zweiten Generation erhielten.

Kombination mit Antipsychotika

In der randomisierten, doppeltblinden multizentrischen Studie der Phase II mit Parallelgruppen mit insgesamt 323 Patienten wurde RG1678 in Vergleich zu Placebo an Patienten mit überwiegend negativen Symptomen der Schizophrenie erprobt. Die Patienten wurden acht Wochen lang behandelt. Daran schloss sich eine vierwöchige Nachbeobachtungszeit an. Sie erhielten RG1678 oder Placebo einmal täglich oral in Kombination mit Antipsychotika der zweiten Generation.

Primärer Endpunkt für die Wirksamkeit war die Veränderung des negativen Symptomfaktors in Woche acht im Vergleich zur Ausgangsuntersuchung, bewertet mit Hilfe der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS). Der PANSS-Wert wird anhand einer 30-Punkte-Skala ermittelt, die darauf ausgelegt ist, für viele Symptome der Schizophrenie den Schweregrad zu erfassen. Der Patient wird bei 30 unterschiedlichen Symptomen zwischen eins und sieben eingestuft; die Grundlage hierfür bilden eine Befragung sowie Berichte von Familienmitgliedern oder Krankenhausmitarbeitern der Erstversorgung.

Nach dem PANSS-Score besserten sich negative Symptome bei Patienten, die RG1678 10 mg und 30 mg einnahmen, im Gegensatz zu Placebo statistisch signifikant.

Sekundäre Endpunkte wurden anhand der Clinical Global Impression (CGI) – Besserungen bei negativen Symptomen – sowie der PSP-Skala (persönliche und soziale Leistung) gemessen. Die Besserung nach CGI wird bei jedem Besuch des Patienten nach Einleitung der Medikation bewertet. Der Arzt vergleicht den klinischen Allgemeinzustand des Patienten mit der Ausgangsuntersuchung und verwendet dabei eine Skala mit sieben Punkten von stark gebessert (1) bis stark verschlechtert (7).

Auch die negativen Symptome nach CGI besserten sich unter RG1678 10 mg statistisch signifikant stärker als unter der Placebotherapie. Außerdem zeigte sich ein Trend zur funktionalen Verbesserung gemäß PSP-Skala. Bei der PSP werden über eine klinische Befragung in Kombination mit klinischer Beobachtung die Funktion des Patienten in vier Hauptbereichen betrachtet: sozial nützliche Aktivitäten, persönliche und gesellschaftliche Beziehungen, Selbstfürsorge und beunruhigende, aggressive Verhaltensweisen. Der Bewertungsbereich liegt zwischen 0 und 100 auf einer in zehn gleiche Abschnitte unterteilten Skala, die es erlaubt, auch geringfügige Veränderungen im Funktionsgrad zu bestimmen.

Gut verträglich

In der Studie wurde der neue Glycin-Wiederaufnahmehemmer allgemein gut vertragen, und das Sicherheitsprofil war günstig. Der Prozentsatz an Patienten, die mindestens ein unerwünschtes Ereignis erlitten, war in der Placebogruppe und den mit RG1678 10 mg und 30 mg behandelten Gruppen ähnlich.

Der Prozentsatz an Patienten, die aufgrund unerwünschter Ereignisse aus der Studie ausschieden, betrug in der Placebogruppe und der mit RG1678 10 mg behandelten Gruppe 1%, 9% bei 30 mg und 10% bei 60 mg.

Drei Fälle schwerwiegender unerwünschter Ereignisse, bei denen ein Zusammenhang mit der Behandlung nicht ausgeschlossen werden konnte, traten während der Studie und Nachbeobachtung auf: einer in der 10-mg-Gruppe (Angst), einer in der 30-mg-Gruppe (Selbstmordversuch), und einer in der 60-mg-Gruppe (Panikattacke). Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse dieser Art sind bei dieser Krankheit nicht ungewöhnlich, und die Patienten werden in allen klinischen Studien streng überwacht. In der Studie wurde außerdem ein dosisabhängiger Rückgang im Hämoglobin beobachtet, der als nicht klinisch relevant betrachtet wurde.


Quelle

Presseinformation der F. Hoffmann-La Roche Ltd, Basel, 6. Dezember 2010.


hel

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