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Verdicker sind keine Dickmacher*

In der Lebensmittelindustrie spricht man von Dickungsmitteln, Geliermitteln und Stabilisatoren, die als Zusatzstoffe die Konsistenz und die Textureigenschaften unserer Nahrung, besonders von Halbfertig- und Fertiggerichten, verbessern. Sie können natürlich auch bei der eigenen Zubereitung von Speisen verwendet werden.

* Frau Profesora Doctora Leticia Quinteros Cortes, Universidad Autónoma de Puebla, in Bewunderung ihrer außerordentlichen Leistungen mit besten Wünschen zum 60. Geburtstag gewidmet.

Hydrokolloide

Sehen wir einmal von der Stärke und der Gelatine ab, so sind es im Wesentlichen vom menschlichen Organismus nicht verwertbare Kohlenhydrate – also keine "Dickmacher" – , die eine reinigende Wirkung im Verdauungstrakt entfalten und bei ausreichender Dosierung im Darm Gifte adsorbieren können. Nach ihren physikochemischen Eigenschaften werden sie als Hydrokolloide bezeichnet, die im wässrigen Milieu aufquellen oder kolloidale Lösungen bilden, einhergehend mit einer Erhöhung der Viskosität oder der Ausbildung eines Gels.

Zu den festen Gelen, die mit Hydrokolloiden zubereitet werden, gehören die Süßspeisen nach Art der Götterspeise.

Anforderungen

Zu den Anforderungen, die an die "Verdicker" zu stellen sind, gehören vor allem metabolische (chemische) Stabilität, Temperaturbeständigkeit, toxikologische und physiologische Unbedenklichkeit sowie Geruchs- und Geschmacksneutralität.

Anwendungen

Die zwölf wichtigsten, in der Bundesrepublik zugelassenen "Verdicker" sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. Zum Teil werden sie in der pharmazeutischen Technologie als Hilfsstoffe verwendet. Das erklärt, warum einige von ihnen im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) als Monografien beschrieben sind. Hydrokolloide werden eingesetzt,

  • um bei Eiscreme oder Tortenguss das Auskristallisieren von Zucker zu verhindern;

  • um bei Brot und Backwaren durch Bindung des enthaltenen Wassers die Frischeperiode zu verlängern;

  • um den Genusswert einer Speise zu erhöhen durch die Beeinflussung der Textur, die im Mund eine positive Empfindung hervorruft: cremig, weich, zart;

  • um Suspensionen (Fest-Flüssig-Systeme) zu stabilisieren, die in Suppen und Soßen oder auch in Käsezubereitungen vorliegen;

  • um die Haltbarkeit von Emulsionen (Flüssig-Flüssig-Systeme, Wasser-in-Öl- oder Öl-in-Wasser-Systeme) zu vergrößern; das gilt für Dressings, Remouladen und Cremes;

  • um Schäume zu stabilisieren (Schlagsahne, Milchprodukte, Getränke),

  • um in diätetischen Lebensmitteln verwertbare Kohlenhydrate zu ersetzen.


Es folgen ein paar willkürlich gewählte Beispiele aus dem Lebensmittelmarkt:

  • Paradiescreme® Nougat von Dr. Oetker mit Carrageen als Geliermittel.

  • Helle Soße® von Maggi mit Guarkernmehl neben verdaubaren Kohlenhydraten.

  • aranca® Aprikose-Maracuja von Dr. Oetker mit Guarkernmehl und Pektin.

  • WeightWatchers® Fix für Gemüsegratin mit Johannisbrotkernmehl.

  • WeightWatchers® Thai Curry Suppe mit Carmellose (Carboxymethylcellulose).

  • Philadelphia® Leichter Genuss, 5% Fett, mit Johannisbrotkernmehl und Carrageen.

  • Multaben® figur Eiweiß-Diät Shake Vanille mit Inulin, Guarkernmehl und Xanthan.

  • Nestargel® – Bindemittel, das aus Johannisbrotkernmehl und Calciumlactat hergestellt wird.


Tab. 1: Native und partialsynthetische (modifizierte) Hydrokolloide

E-Nr.
Name
Stammpflanzen
Verbindungstyp
406
Agar*, Agar-Agar
Rotalgen (Rhodophyceae), hauptsächlich Gelidium -Arten
Hetero-Polysaccharid, Gemisch aus der gelierenden Agarose (lineare Galaktane) und dem nicht gelierenden Agaropektin
400
Alginsäure*, Algin
Hauptsächlich Braunalgen (Phaeophyceae)
Guluronomannuronane, D-Mannuronsäureketten mit wechselnden Anteilen L-Guluronsäure
414
Arabisches Gummi*, Acaciae gummi,
Gummi arabicum
Acacia senegal
und andere afrikanische Acacia -Arten
Hauptsächlich saure Alkali- und Erdalkalisalze der Polyarabinsäure (verzweigte Polysaccharide aus L ‑Arabinose, D-Galaktose, L ‑Rhamnose und D-Glucuronsäure)
407
Carrageen
Extrakt aus Rotalgen,
u. a. Chondrus crispus ,
Gigartina stellata
Polysaccharide (aus Galaktose, Glucose u. a.)
461
466
Celluloseether:
Methylcellulose
Carmellose
Polymethylether der Cellulose,
Polycarboxymethylether der Cellulose
412
Guar*,
Guarkernmehl
Samen der Guarbohne,
Cyamopsis tetragonolobus
Guar-Galaktomannan
Inulin
Ubiquitärer Bestandteil der Zellwände; Reservestoffe vieler Pflanzen
Polyfructosen
410
Johannisbrotkernmehl
Samen des Johannisbrotbaums, Ceratonia siliqua
Galaktomannane
440
Pektin
Ubiquitär in Früchten (bes. Apfel, Quitte, Zitrus), Wurzeln, Blättern
Galakturonsäureketten, deren Carboxylgruppen teilweise mit Ethanol verestert sind
405
Propylenglykolalginat
Propylenglykolester der Alginsäure
413
Tragant*,
Tragacantha
Astragalus gummifer und
andere Astragalus- Arten,
Exsudat aus Zweigen und Stämmen
Verzweigte Galakturonate, Gemisch aus dem wasserunlöslichen, stark quellbaren Bassorin und der wasserlöslichen Tragantinsäure
415
Xanthan,
Xanthangummi
Polysaccharid (Glucose in der Hauptkette, Mannose und Glucuronsäure in den Seitenketten), wird durch Fermentation von Kohlenhydraten mit dem Bakterium Xanthomonas campestris gewonnen
* Monografie im Europäischen Arzneibuch

Milde Laxanzien

Ernährungsmäßig nicht utilisierbare Hydrokolloide finden auch als milde Laxanzien (Quell-, Füll- und Ballaststoffe) Anwendung. Neben Agar-Agar und Tragant sind es die in Tabelle 2 genannten Stoffe und Drogen.

Besonders beliebt scheint dabei das Indische Flohsamenschalenpulver zu sein, das im Europäischen Arzneibuch monografiert ist. Es ist u. a. enthalten in Agiocur® Granulat, Flosine® Balance Granulat, Metamucil® kalorienarm Orange Pulver, Mucofalk® Apfel/-Fit/ -Orange Granulat, Pascomucil® Pulver.

Wer sucht, der findet weitere Speisen und Medikamente mit "Verdickern", die nicht dick machen!

Tab. 2: Hydrokolloide und Hydrokolloid-haltige Drogen als Quell-, Füll- und Ballaststoffe

Name
Stammpflanzen
Verbindungstyp
Agar*, Agar-Agar
s. Tabelle 1
s. Tabelle 1
Flohsamen*,
Psyllii semen
Plantago afra , P. psyllium , P. indica , P. arenaria
Komplexe Polysaccharide**, aufgebaut hauptsächlich aus Xylose, Galakturonsäure, Arabinose und Rhamnose
Indische Flohsamenschalen*, ∼ Pulver
Plantago ovata
Zu 85% Arabinoxylane** mit Anteilen an Galaktose, Rhamnose und Galakturonsäure
Karaya, Karaya-Gummi,
Indischer Tragant
Sterculia urens und andere Sterculia -Arten
Acetylierte Polysaccharide auf der Basis von Galaktose, Rhamnose, Galakturonsäure und Glucuronsäure
Leinsamen*,
Lini semen
Linum usitatissimum
Komplexe Polysaccharide**, hauptsächlich aus Xylose, Galaktose, Galakturonsäure und Rhamnose
Tragant*
s. Tabelle 1
s. Tabelle 1
* Monografie im Europäischen Arzneibuch ** Die Polysaccharide sind lokalisiert in der Epidermis der Samenschale

Autor:
Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Hermann J. Roth, FriedrichNaumannStr. 33, 76187 Karlsruhe, www.h-roth-kunst.com, info@h-roth-kunst.com

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