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DAZ wissenswert
Verdicker sind keine Dickmacher*
Hydrokolloide
Sehen wir einmal von der Stärke und der Gelatine ab, so sind es im Wesentlichen vom menschlichen Organismus nicht verwertbare Kohlenhydrate – also keine "Dickmacher" – , die eine reinigende Wirkung im Verdauungstrakt entfalten und bei ausreichender Dosierung im Darm Gifte adsorbieren können. Nach ihren physikochemischen Eigenschaften werden sie als Hydrokolloide bezeichnet, die im wässrigen Milieu aufquellen oder kolloidale Lösungen bilden, einhergehend mit einer Erhöhung der Viskosität oder der Ausbildung eines Gels.
Zu den festen Gelen, die mit Hydrokolloiden zubereitet werden, gehören die Süßspeisen nach Art der Götterspeise.
Anforderungen
Zu den Anforderungen, die an die "Verdicker" zu stellen sind, gehören vor allem metabolische (chemische) Stabilität, Temperaturbeständigkeit, toxikologische und physiologische Unbedenklichkeit sowie Geruchs- und Geschmacksneutralität.
Anwendungen
Die zwölf wichtigsten, in der Bundesrepublik zugelassenen "Verdicker" sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. Zum Teil werden sie in der pharmazeutischen Technologie als Hilfsstoffe verwendet. Das erklärt, warum einige von ihnen im Europäischen Arzneibuch (Ph. Eur.) als Monografien beschrieben sind. Hydrokolloide werden eingesetzt,
um bei Eiscreme oder Tortenguss das Auskristallisieren von Zucker zu verhindern;
um bei Brot und Backwaren durch Bindung des enthaltenen Wassers die Frischeperiode zu verlängern;
um den Genusswert einer Speise zu erhöhen durch die Beeinflussung der Textur, die im Mund eine positive Empfindung hervorruft: cremig, weich, zart;
um Suspensionen (Fest-Flüssig-Systeme) zu stabilisieren, die in Suppen und Soßen oder auch in Käsezubereitungen vorliegen;
um die Haltbarkeit von Emulsionen (Flüssig-Flüssig-Systeme, Wasser-in-Öl- oder Öl-in-Wasser-Systeme) zu vergrößern; das gilt für Dressings, Remouladen und Cremes;
um Schäume zu stabilisieren (Schlagsahne, Milchprodukte, Getränke),
um in diätetischen Lebensmitteln verwertbare Kohlenhydrate zu ersetzen.
Es folgen ein paar willkürlich gewählte Beispiele aus dem Lebensmittelmarkt:
Paradiescreme® Nougat von Dr. Oetker mit Carrageen als Geliermittel.
Helle Soße® von Maggi mit Guarkernmehl neben verdaubaren Kohlenhydraten.
aranca® Aprikose-Maracuja von Dr. Oetker mit Guarkernmehl und Pektin.
WeightWatchers® Fix für Gemüsegratin mit Johannisbrotkernmehl.
WeightWatchers® Thai Curry Suppe mit Carmellose (Carboxymethylcellulose).
Philadelphia® Leichter Genuss, 5% Fett, mit Johannisbrotkernmehl und Carrageen.
Multaben® figur Eiweiß-Diät Shake Vanille mit Inulin, Guarkernmehl und Xanthan.
Nestargel® – Bindemittel, das aus Johannisbrotkernmehl und Calciumlactat hergestellt wird.
Tab. 1: Native und partialsynthetische (modifizierte) Hydrokolloide | |||
E-Nr. |
Name |
Stammpflanzen |
Verbindungstyp |
406 |
Agar*, Agar-Agar |
Rotalgen (Rhodophyceae), hauptsächlich Gelidium
-Arten |
Hetero-Polysaccharid, Gemisch aus der gelierenden Agarose (lineare Galaktane) und dem nicht gelierenden Agaropektin |
400 |
Alginsäure*, Algin |
Hauptsächlich Braunalgen (Phaeophyceae) |
Guluronomannuronane, D-Mannuronsäureketten mit wechselnden Anteilen L-Guluronsäure |
414 |
Arabisches Gummi*, Acaciae gummi,
Gummi arabicum
|
Acacia senegal
und andere afrikanische Acacia -Arten |
Hauptsächlich saure Alkali- und Erdalkalisalze der Polyarabinsäure (verzweigte Polysaccharide aus L ‑Arabinose, D-Galaktose, L ‑Rhamnose und D-Glucuronsäure) |
407 |
Carrageen |
Extrakt aus Rotalgen, u. a. Chondrus crispus , Gigartina stellata |
Polysaccharide (aus Galaktose, Glucose u. a.) |
461
466 |
Celluloseether: Methylcellulose Carmellose |
Polymethylether der Cellulose,
Polycarboxymethylether der Cellulose |
|
412 |
Guar*,
Guarkernmehl
|
Samen der Guarbohne, Cyamopsis tetragonolobus |
Guar-Galaktomannan |
– |
Inulin |
Ubiquitärer Bestandteil der Zellwände; Reservestoffe vieler Pflanzen |
Polyfructosen |
410 |
Johannisbrotkernmehl |
Samen des Johannisbrotbaums, Ceratonia siliqua
|
Galaktomannane |
440 |
Pektin |
Ubiquitär in Früchten (bes. Apfel, Quitte, Zitrus), Wurzeln, Blättern |
Galakturonsäureketten, deren Carboxylgruppen teilweise mit Ethanol verestert sind |
405 |
Propylenglykolalginat |
Propylenglykolester der Alginsäure |
|
413 |
Tragant*, Tragacantha |
Astragalus gummifer
und
andere Astragalus- Arten, Exsudat aus Zweigen und Stämmen
|
Verzweigte Galakturonate, Gemisch aus dem wasserunlöslichen, stark quellbaren Bassorin und der wasserlöslichen Tragantinsäure |
415 |
Xanthan, Xanthangummi |
Polysaccharid (Glucose in der Hauptkette, Mannose und Glucuronsäure in den Seitenketten), wird durch Fermentation von Kohlenhydraten mit dem Bakterium Xanthomonas campestris
gewonnen |
|
* Monografie im Europäischen Arzneibuch |
Milde Laxanzien
Ernährungsmäßig nicht utilisierbare Hydrokolloide finden auch als milde Laxanzien (Quell-, Füll- und Ballaststoffe) Anwendung. Neben Agar-Agar und Tragant sind es die in Tabelle 2 genannten Stoffe und Drogen.
Besonders beliebt scheint dabei das Indische Flohsamenschalenpulver zu sein, das im Europäischen Arzneibuch monografiert ist. Es ist u. a. enthalten in Agiocur® Granulat, Flosine® Balance Granulat, Metamucil® kalorienarm Orange Pulver, Mucofalk® Apfel/-Fit/ -Orange Granulat, Pascomucil® Pulver.
Wer sucht, der findet weitere Speisen und Medikamente mit "Verdickern", die nicht dick machen!
Tab. 2: Hydrokolloide und Hydrokolloid-haltige Drogen als Quell-, Füll- und Ballaststoffe | ||
Name |
Stammpflanzen |
Verbindungstyp |
Agar*, Agar-Agar |
s. Tabelle 1 |
s. Tabelle 1 |
Flohsamen*,
Psyllii semen
|
Plantago afra
, P. psyllium
, P. indica
, P. arenaria
|
Komplexe Polysaccharide**, aufgebaut hauptsächlich aus Xylose, Galakturonsäure, Arabinose und Rhamnose |
Indische Flohsamenschalen*, ∼ Pulver |
Plantago ovata |
Zu 85% Arabinoxylane** mit Anteilen an Galaktose, Rhamnose und Galakturonsäure |
Karaya, Karaya-Gummi, Indischer Tragant |
Sterculia urens
und andere Sterculia
-Arten |
Acetylierte Polysaccharide auf der Basis von Galaktose, Rhamnose, Galakturonsäure und Glucuronsäure |
Leinsamen*,
Lini semen
|
Linum usitatissimum |
Komplexe Polysaccharide**, hauptsächlich aus Xylose, Galaktose, Galakturonsäure und Rhamnose |
Tragant* |
s. Tabelle 1 |
s. Tabelle 1 |
* Monografie im Europäischen Arzneibuch ** Die Polysaccharide sind lokalisiert in der Epidermis der Samenschale |
Autor:
Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Hermann
J. Roth, FriedrichNaumannStr. 33, 76187 Karlsruhe, www.h-roth-kunst.com,
info@h-roth-kunst.com
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