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Die ersten 100 Tage sind nicht gut gelaufen …
Mit seinen ersten Amtshandlungen nährte Rösler unfreiwillig manches Vorurteil gegenüber der FDP: Er holte sich einen Vertreter der privaten Krankenversicherung als Abteilungsleiter ins Ministerium und er schickte den Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in die Wüste. Die Opposition schimpft den Minister prompt einen "Erfüllungsgehilfen der Pharmalobby".
"Jetzt gehts los"
Weil plötzlich die Umfragewerte der FDP sinken, zeigt die Kritik nun erste Wirkung: "Jetzt gehts los", verkündete Rösler zu Wochenbeginn nach einer Krisensitzung der FDP-Spitze trotzig. "Wir werden mehr auf unsere Positionen achten und eine Stufe härter schalten." Das erscheint durchaus notwendig. Hatte der Politikneuling auf dem rauen Berliner Parkett mit einem TV-Auftritt doch kürzlich erst selbst Zweifel an seiner Durchsetzungskraft gesät. "Wenn es nicht gelingt, ein vernünftiges Gesundheitsversicherungssystem auf den Weg zu bringen, dann will mich keiner mehr als Gesundheitsminister haben", fabulierte er ausgerechnet in der ARD-Talkshow "Beckmann" über ein vorzeitiges Karriereende. An den fragefreundlichen ARD-Mann wenden sich Politiker normalerweise, wenn sie wie Ulla Schmidt wegen einer Dienstwagen-Affäre Abbitte leisten müssen oder wenn das Familienleben oder eine neue Partnerin Anlass zur öffentlichen Darstellung gebieten. Rösler bei Beckmann – für viele Beobachter ein weiteres Signal, dass der erste FDP-Gesundheitsminister seine Rolle noch nicht so recht gefunden hat.
Vermisst: klare Worte
Bisher jedenfalls vermissen Opposition wie Koalitionspolitiker vom zuständigen Minister klare Worte – beispielsweise eine Reaktion auf die Ankündigung einiger gesetzlicher Krankenkassen, in Kürze Zusatzbeiträge zu erheben. In seinen ersten drei Monaten als Minister wurde Rösler zwar nicht müde, die im Koalitionsvertrag festgeschriebene einkommensunabhängige Prämie nebst Sozialausgleich als Allheilmittel zu propagieren. Wie das funktionieren soll, verrät Rösler aber nicht. Vor allem übers Geld spricht der Gesundheitsminister lieber nicht. Aus der CSU heißt es über Röslers Schlüsselreform nur schlicht: "Nonsens". CSU-Chef Horst Seehofer ist wild entschlossen, die Prämie zu verhindern. "Ich werde genau so dagegen Sturm laufen wie 2004", ließ er Rösler wissen. Damals warf er seinen Job als CSU-Fraktionsvize hin, weil er sich gegen Angela Merkel und seinen eigenen Parteichef Edmund Stoiber nicht durchsetzen konnte. Wer den CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsidenten als politischen Widersacher hat, muss sich vor keiner Opposition fürchten.
Das muntere Geplappere im Regierungslager über Zusatzbeiträge, Gesundheitsprämie und ausufernde Kassenausgaben belegt jenseits der inhaltlichen Differenzen ein weiteres: Um die politische Autorität des jugendlichen Ministers ist es in der Machthierarchie des Regierungslagers nicht gut bestellt. "Jetzt geht‘s los!" – Röslers Anfeuerungsruf gilt daher wohl auch in eigener Sache. Sonst ist es gut möglich, dass nicht erst ein Scheitern bei der Umstellung auf eine Gesundheitsprämie Röslers Stuhl ins Wackeln bringt. Anfang der 90er-Jahre musste nämlich Gerda Hasselfeldt (CSU) nach nur zwei Jahren gehen, weil sie nichts gegen ein drohendes Milliarden-Defizit der Krankenkassen unternahm. Einfach aussitzen kann ein Gesundheitsminister die Probleme nicht.
Diffuses Bild
Auch bei der Therapie bleibt ein diffuses Bild: Während für die Koalition CSU-Gesundheitspolitiker Johannes Singhammer und FDP-Sprecherin Ulrike Flach in der DAZ für den Sommer ein Gesetz zur Kostendämpfung bei Arzneimitteln ankündigten, glaubt Rösler, dass es ohne staatliche Eingriffe geht: "Im Zweifel sind der mündige Versicherte und der aufgeklärte Patient besser in der Lage, Kosten in den Griff zu bekommen als Gesetze und Vorschriften", sagte er vor wenigen Tagen während der Haushaltsdebatte des Bundestages. Mehr Freiheit für Patienten, Ärzte und Krankenkassen, aber nicht ohne Solidarität. "Wohlfeile Worte" nennt das nicht nur SPD-Gesundheitspolitikerin Elke Ferner. Auch bei Union und FDP gibt es Kopfschütteln. Wer gibt eigentlich den Ton vor in der Gesundheitspolitik – der Minister oder die Fraktionen?
Zugegeben: Alle Amtsvorgänger Röslers hatten mit großen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Aber Rösler fehlt die Zeit, sich gründlich einzuarbeiten. Die Große Koalition hat ihm mit dem Gesundheitsfonds nicht nur eine unfertige Reform hinterlassen. Mit der Senkung des Einheitsbeitrages von 15,5 auf 14,9 Prozent im Zuge des Kampfes gegen die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Politik den finanziellen Druck im Gesundheitssystem bis zum Bersten selbst erhöht. Die ersten 100 Tage sind für Rösler nicht gut gelaufen und die nächsten 100 Tage werden noch komplizierter. Ausgerechnet mitten im schwierigen Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen muss sich der unerfahrene FDP-Nachwuchspolitiker behaupten.
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