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- DAZ 7/2010
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Seite 3
Wann der Begriff von der Apotheke als soziale Drehscheibe zum ersten Mal aufkam, lässt sich kaum noch nachverfolgen, vermutlich schon in den 80er Jahren, als man nicht nur die Versorgungsfunktion einer Apotheke herausstellen wollte, als man weg wollte vom merkantilen Image eines "Ladens", der Arzneimittel verkauft. Soziale Drehscheibe – das war und ist bis heute ein gern zitierter Hinweis auf den sozialen Mehrwert einer Apotheke, den die Apotheke unbestritten hat. Was man darunter versteht? Wer ernsthaft krank ist, wer sich einer Arzneitherapie unterziehen muss, muss in aller Regel Teile unseres sozialen Netzes in Anspruch nehmen, von der Krankenversicherung bis hin zur Pflegeversicherung. Er verursacht zum Beispiel Leistungen des Krankenhauses, von Ärzten, Apothekern, Physiotherapeuten und Heimen. Er tritt mit Leistungsträgern, den Krankenkassen, in Verbindung. In diesem Beziehungsgeflecht von Leistungsträgern und Leistungserbringern kann es dabei zu den unterschiedlichsten Fragen, Problemen bis hin zu Konflikten kommen. Ein Knotenpunkt, eine Schaltstelle, eine Auskunftsstelle kann dabei die Apotheke sein. In der Apotheke findet der Patient mit der Person des Apothekers eine Vertrauensperson, die seine Krankheit aufgrund der Medikation kennt, mit der er über seine Erkrankung und seine Therapie sprechen kann, wenn er dies möchte. Nicht selten wird der Apotheker um Rat gefragt, um eine Beurteilung der verordneten Therapie, um Alternativen. Er wird auch um Rat gefragt, wenn es um die Auswahl eines Arzneimittels, aber auch Arztes, eines Krankenhauses, eines Pflegeheimes geht. Und der Apotheker muss bisweilen mit der Krankenkasse eines Patienten in Kontakt treten, wenn es beispielsweise um die Genehmigung von Hilfsmitteln geht. Selbst die Auswahl eines geeigneten Rabattarzneimittels, der Austausch eines Präparats als Alternative zum verordneten Rabattarzneimittel aufgrund pharmazeutischer Bedenken lässt sich im weitesten Sinne unter dem Oberbegriff der sozialen Drehscheibe subsumieren.
Sozial – weil der Apotheker das persönliche Umfeld des Patienten ein Stück weit kennt und beurteilen kann, ob man dem Patienten die Umstellung auf ein neues, ungewohntes Präparat zutrauen kann und wie es um die Compliance des Patienten steht.
Vor allem auf dem Land, wo der Apotheker noch stärker die Familien und deren Krankheitsgeschichten kennt, hat die Apotheke eine Funktion als Auskunftsstelle für soziale Fragen, wenn sich die Patienten im Dschungel der Sozialversicherung nicht auskennen.
Sozial bedeutet aber auch: Viele Menschen, insbesondere ältere und alleinstehende Menschen sehen im Apotheker einen Ansprechpartner für persönliche Fragen. Sie erwarten vom ihm neben dem fachlichen Rat auch Ratschläge zur persönlichen Lebensführung oder suchen eine Person zum Reden.
Sozial bedeutet auch: Der Zugang zur Apotheke ist niedrigschwellig. Die Apotheke verlangt keine Eintrittsgebühr, sie verlangt keine Beratungsgebühr, wenn man mal nur einen Rat einholt und kein Rezept einlöst. Das ist einmalig im Gesundheitswesen – wo bekommt man sonst noch auf so unkomplizierte Weise einen fachlichen Rat?
Die Apotheke als soziale Drehscheibe – diese Rolle kann die Apotheke auch wahrnehmen vor dem Hintergrund von Studien, die zeigen, dass es eine Korrelation zwischen Erkrankung und sozialer Position gibt (siehe Artikel "Soziale Ungleichheit und Gesundheit"). Plakativ ausgedrückt zeigen diese Studien: wer arm ist, wird eher krank, ist kränker und wird langsamer gesund. Armut oder eine niedrigere soziale Stellung in der Gesellschaft hat nicht selten mit dem Bildungsgrad der Personen zu tun: je niedriger, umso weniger Kenntnis und Verständnis für eine gesunde Lebensführung, für präventives Verhalten und für den richtigen Umgang mit einer Erkrankung bis hin zur höheren Noncompliance bei einer Arzneimitteltherapie. Unser Titelbeitrag in dieser Ausgabe stellt Studien vor, die diese Zusammenhänge belegen. Der Autor weist darauf hin: Der Apotheker kann einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass sozial schwächere Personen weniger krank oder schneller gesund werden. Eine Hypertonie-Studie zeigt zum Beispiel, dass Bluthochdruck bei Mitgliedern niedriger sozialer Schichten häufiger vorkommt als bei Mitgliedern höherer sozialer Schichten. Eine andere Studie macht deutlich, dass es bei der Behandlung älterer Hypertoniker durchaus schichtspezifische Unterschiede gibt. Hypertoniker in bildungsstärkeren Schichten bemühen sich häufiger darum, den Blutdruck – mit oder ohne Medikamente – durch einen gesunden Lebensstil günstig zu beeinflussen als Hypertoniker in bildungsschwächeren Schichten. Apotheker können das soziale und soziokulturelle Gefälle im Umgang mit Gesundheit und Krankheit bei bildungsschwächeren Personen durch entsprechende Beratungsgespräche verringern. Beratungsleistungen sollten hier besonders zielgruppengerecht gestaltet werden.
Ähnliches gilt für überschuldete und kranke Menschen. Ein Bericht vom 15. Armutskongress zeigt: Überschuldete Menschen sind häufiger krank, nehmen das Gesundheitswesen aber weniger in Anspruch (siehe Artikel "Überschuldet und krank – die Gesundheitspolitik ist gefragt"). Wie die Apotheke in solchen Fällen als soziale Drehscheibe helfen kann, sollte noch stärker thematisiert und in der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden.
Peter Ditzel
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