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Ernährung aktuell
Zöliakie – Aus für Brot und Brötchen
Lange Zeit war Zöliakie im Kindesalter bzw. die einheimische Sprue bei Erwachsenen eine gefürchtete Erkrankung mit hoher Letalitätsrate. In den 1940er Jahren wurde dann die glutenfreie Ernährung sowie die Früchte-Gemüse-Diät bzw. das Birchermüsli entwickelt und damit gezeigt, dass die Krankheit durch gezielte Elimination bestimmter Lebensmittel behandelbar ist und Spätkomplikationen vermieden werden können [2].
Was ist Gluten?
Gluten ist auch unter der Bezeichnung Klebereiweiß bekannt. Neben Weizen und seinen verwandten Kulturformen wie Dinkel, ist es auch in Roggen, Hafer und Gerste zu finden [3]. Allerdings ist wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt, ob Hafer tatsächlich für Zöliakiepatienten "toxisch" ist (siehe Kasten Exkurs Hafer). [2]. Krankheitsauslösend wirken dabei Polypeptide, die bei der Glutenverdauung entstehen: Gliadin aus Weizenprotein, Sekalin aus Roggenprotein, Avenin aus Haferprotein sowie Hordein aus Gerstenprotein [3]. Derzeit wird diskutiert, ob die Getreideeiweiße, die eine Zöliakie auslösen, eine lektinähnliche Wirkung besitzen. Lektine sind Proteine, die Bindungen mit Mono- und Oligosacchariden von Glykoproteinen eingehen. Hierdurch würden die membrantoxischen Eigenschaften erklärt. Außerdem wird diskutiert, ob Betroffenen eine spezifische Peptidase fehlt, durch die die anfallenden toxischen Polypeptide der Getreideeiweiße abgebaut werden. Von einigen immunologischen und klinischen Befunden wird die Annahme gestützt, dass es sich um eine immunologische Erkrankung mit Antikörperbildung gegen Polypeptide handelt [4].
Es wird davon ausgegangen, dass die Darmwand durch eine Antigen-Antikörper-Reaktion geschädigt wird.
Epidemiologie: Nord-Süd-Gefälle
Zöliakie tritt nahezu weltweit auf. Allerdings variiert die Häufigkeit zwischen einzelnen Ländern. Noch vor 20 Jahren lag die Prävalenz von Zöliakie zwischen 1:1000 und 1:2000. Jüngste epidemiologische Untersuchungen zeigen jedoch wesentlich höhere Inzidenzen. In Schweden liegt die Inzidenz demnach bei 1:200 und in Deutschland bei 1:500 [5]. In südlichen Regionen sind 2- bis 3-mal weniger Personen von Zöliakie betroffen [3]. Mädchen erkranken häufiger als Jungen [3]. Im Erwachsenenalter beträgt das Geschlechterverhältnis 1:1 [4].
Exkurs HaferFinnische klinische Studien stellen die Toxizität von Hafer zwar infrage und auch das von Fanconi übernommene Birchermüsli, das Hafer enthält, konnte zu einer Remission führen, doch sind Ergebnisse experimenteller und klinischer Studien nicht eindeutig, so dass die meisten internationalen Experten vor einer Zulassung des Hafers warnen. Es wird angenommen, dass Hafer weniger toxisch ist als die anderen genannten Prolamine und es bleibt zu klären, ob es bei der Herstellung/ Verarbeitung von Hafer nicht zu Kontaminationen mit Gluten kommt. Quelle: [2] |
Krankheitsverlauf abhängig vom Alter
Zöliakie manifestiert sich häufig nach dem Säuglingsalter, einige Wochen nachdem mit der Zufütterung von getreidehaltiger bzw. glutenhaltiger Nahrung begonnen wird – die ersten Symptome können drei bis sechs Monate nach der ersten glutenhaltigen Nahrung wie Grieß- oder Vollkornbrei beobachtet werden. Der erste Altersgipfel liegt zwischen neun Monaten und zwei Jahren. Der zweite Gipfel folgt dann erst wieder im vierten Lebensjahrzehnt [5].
Die klassische Form der Zöliakie, wie sie erstmals von Dicke 1953 dargestellt werden konnte, äußert sich klinisch mit den typischen Zeichen eines Malabsorptionssyndroms. Dazu zählen ein starker Gewichtsverlust, Muskelschwund und Eiweißmangelödeme. Da die Fettresorption nicht erfolgen kann, kommt es zu Steatorrhoen, die massiv, breiig und fettglänzend sind. Auch Diarrhoen sind zu beobachten. Insgesamt ist es möglich, dass der Patient bis zu zehn mal täglich voluminöse oder dünnflüssige, übelriechende Stühle absetzt [3; 5]. Auch extraintestinale Symptome können beobachtet werden, die meist durch die Malabsorption von Makro- und Mikronährstoffen bedingt sind. Sehr häufig treten Störungen des Knochenstoffwechsels auf. Wird die glutenfreie Diät konsequent eingehalten, nimmt die Knochendichte innerhalb von zwölf Monaten signifikant zu [5]. Insgesamt unterscheiden sich die Symptome je nach Alter (Tab. 1). Kleinkinder weisen charakteristische Anzeichen wie Gewichtsverlust, einen aufgetriebenen Leib, abdominelle Beschwerden und allgemeine Kraftlosigkeit auf. Bei Jugendlichen sowie Erwachsenen dominieren hingegen unspezifische Symptome. Dazu zählen das verzögerte Einsetzen der Pubertät, ein allgemeines Krankheitsgefühl, Muskel-, Knochen- und rezidivierende Bauchschmerzen sowie Osteomalazie, Osteoporose und therapieresistente Anämien. Auch psychiatrisch-neurologische Störungen und eine reduzierte mentale Belastbarkeit kann oft beobachtet werden [3].
Neben der klassischen gluteninduzierten Entheropathie existieren sieben nicht-klassische Formen (Tab. 2). Diese sind nicht immer eindeutig diagnostizierbar und haben sicher zu den niedrigen Pävalenzwerten beigetragen. Bei der atypischen Zöliakie ist die Dünndarmhistologie sowie Serologie zöliakietypisch. Allerdings zeigen sich keine oder nur subtile, oftmals extraintestinale Symptome (s. Tab. 3). Die latente Zöliakie ist ebenfalls fast asymptomatisch: der Antikörperbefund und die duodenale Histologie sind unauffällig. Eine Zöliakie ist nur zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt belegbar. Kommt es zu einer Glutenbelastung, kann es zu zöliakietypischen Veränderungen kommen, welche dann die Diagnose bestätigen. Im Gegensatz dazu finden sich bei der potenziellen Zöliakie keine zöliakietypischen Veränderungen in der Vorgeschichte. Einzig eine klinische Besserung unter glutenfreier Ernährung kann der Hinweis auf eine Glutenunverträglichkeit sein [1]. Von transienter Zöliakie wird gesprochen, wenn bei Kleinkindern, meist vor dem zweiten Lebensjahr, Zöliakie diagnostiziert wird und es mittels glutenfreier Diät zur kompletten Remission kommt. Im späteren Leben sind trotz glutenhaltiger Ernährung keinerlei Symptome mehr zu beobachten [5].
Bei einer Mono- oder oligosymptomatischen Zöliakie sind die Patienten meist klinisch unauffällig und zeigen eher diskrete Symptome wie eine therapieresistente Eisenmangelanämie. Meist handelt es sich um enge Verwandte von Patienten mit manifester Zöliakie [3]. Bei der stummen Zöliakie können zwar Schleimhautveränderungen festgestellt werden, allerdings sind keine Symptome beobachtbar. Ob eine glutenfreie Ernährung zwingend notwendig ist, wird noch diskutiert. Allerdings sollten diese Personen ärztlich beobachtet werden [6].
Die refraktäre Zöliakie ist eine seltene, aber sehr komplikationsbehaftete Verlaufsform, denn trotz glutenfreier Ernährung besteht eine persistierende Zottenatrophie [1].
Pathophysiologie
Der Umbau der Darmschleimhaut mit Zottenatrophie und Kryptenhyperplasie resultiert aus einer Reaktion des angeborenen und des adaptiven Immunsystems auf bestimmte Peptidsequenzen des Getreideinhaltsstoffs Gluten. Anders als bei den nichtinfektiösen chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ist für die Immunreaktion der essenzielle Trigger bekannt [1]. Die beiden wichtigsten Faktoren der Pathogenese sind zum einen die biochemisch definierte und therapeutisch bestätigte Prolamintoxiziät und zum anderen die genetische HLA-Disposition. Dennoch bleibt bislang offen, warum Personen, die genetisch zur Zöliakie disponiert sind, einen Toleranzmechanismus entwickeln [2]. Eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung von Zöliakie ist die Unfähigkeit der Peptidasen in Magen und Duodenum die prolinreichen Prolamin- und Gluteninsequenzen zu verdauen. Es konnte noch nicht geklärt werden, wie die größtenteils unverdauten Peptidfragmente in den subepithelialen Raum aufgenommen werden. Diskutiert werden Transzytosemechanismen, aber auch Defekte im epithelialen Schlussleistennetz, den sog. "tight junctions". Die Gewebstransglutaminase (tTg), die auch das Antigen der diagnostisch wichtigen tTg-Antikörper ist, verändert im weiteren Verlauf Gliadinpeptidfragmente. Dadurch wird das antigene Potenzial der Gliadinpeptide modifiziert: es wird die Bindung an das HLA-DQ-Molekül optimiert (durch Deamidierung) bzw. neue, als Antigen wirkende Epitope geschaffen (durch Crosslinking). Das adaptive Immunsystem reagiert, wobei die modifizierten Gliadinpeptide von Antigen präsentierenden Zellen über HLA-DQ2 oder DQ8 T-Helferzellen präsentiert werden. Die T-Helferzellen werden aktiviert und sezernieren Zytokine, die u. a. die Expression von mukosaschädigenden Matrixmetalloproteinasen in Makrophagen und Fibroblasten induzieren. Weiterhin können T-Helferzellen auch direkt, etwa über Apoptose, den zöliakiespezifischen Schleimhautschaden verursachen. Auch das angeborene Immunsystem ist von Bedeutung. Gliadinsequenzen, die von den T-Zell-aktivierenden immundominanten Gliadinpeptidasesequenzen verschieden sind, können die Expression des nichtklassischen Antigen-präsentierenden MHC-Proteins MIC-A steigern. MIC-A-positive Zellen werden von natürlichen Killer-Zellen, die im Epithel lokalisiert sind und den NKG2D-Rezeptor tragen, erkannt und lysieren diese. Auch dies trägt zur Entstehung von Schleimhautschäden bei. Verstärkend wirkt zudem Interleukin 15: nach Glutenexposition wird es von den Epithelzellen vermehrt sezerniert und steigert die MIC-A-Expression [1].
Assoziierte Erkrankungen
Zöliakie ist häufig mit anderen Autoimmunkrankheiten assoziiert (Tab. 4). Dazu zählen autoimmune Schilddrüsenerkrankungen wie Thyreoditis, Autoimmunhepatitis und vor allem Diabetes mellitus Typ 1. Die Prävalenz variiert zwischen 2 und 10%. Gerade, wenn sich der Diabetes nur schwer einstellen lässt und/oder häufige Hypoglykämien auftreten, sollte an das Vorliegen einer Zöliakie gedacht werden [5]. Auch für Kinder, besonders mit insulinpflichtigem Diabetes, wird aufgrund der hohen Frequenz der Zöliakie empfohlen, dass regelmäßig zöliakiespezifische Antikörper bestimmt werden [7]. Außerdem besteht beim primären IgA-Mangel und beim Down-Syndrom eine erhöhte Zöliakie-Inzidenz. Daher wird empfohlen, selbst bei fehlender Symptomatik ein Antikörperscreening durchzuführen [5].
Komplikationen: Blutungen und Perforation
Äußerst selten, aber ernst zu nehmen, kann es im Rahmen der Zöliakieerkrankung zur Bildung von Ulzera im Magen-Darm-Trakt kommen. Dabei besteht die Gefahr, dass Blutungen, Perforationen und Strikturen auftreten. Im Fall einer therapierefraktären Zöliakie besteht außerdem die Gefahr, dass sich ein Dünndarmlymphom entwickelt, daher sollte regelmäßig eine Biopsie gemacht werden. Allerdings sind davon besonders Erwachsene betroffen; der Altersgipfel liegt bei ca. 60 Jahren. Weiterhin wurde für andere gastrointestinale Malignome wie das kolorektale Karzinom und das Adenokarzinom des Dünndarms sowie für extraintestinale Non-Hodgkin-Lymphome ein erhöhtes Risiko beschrieben [5].
Diagnose via Dünndarmbiopsie
Zentraler Bestandteil der Diagnose ist der Dünndarmbiopsiebefund. Dieser kann ein breites Spektrum umfassen, das von der Vermehrung der intraepithelialen Lymphocyten bis hin zu einer totalen Zottenatrophie reicht. Letzteres findet sich allerdings nur selten [3]. Da zum Teil nur einzelne Areale betroffen sind, sollten mindestens drei Biopsien aus dem Duodenum oder Jejumum vorgenommen werden. Darüber hinaus müssen entsprechend der Marsh-Kriterien Zotten, Krypten, Zellgehalt der Lamina propria, Epithel und Zahl der intraepithelialen Lymphozyten beschrieben werden [5].
Seit den 1980er Jahren werden zudem Antikörpersuchtests (Screening) durchgeführt, die wesentlich sensitiver eingestuft werden. Mithilfe dieser Diagnosemethode können auch latente und oligosymptomatische Zöliakieformen diagnostiziert werden. Dabei hat sich das Screening nach Retikulin- und Endomysium-Antikörpern als besonders effektiv erwiesen [3]. Des Weiteren sind Antikörper gegen Gluten und Gliadin von Bedeutung. Dabei korreliert die Titerhöhe mit der Aktivität der Erkrankung und dem Ausmaß der Mukosaveränderungen [5].
Insgesamt ist bei typischer Zöliakie-Symptomatik die Diagnostik mittels Antikörpern und Biopsie einfach. Doch bei der oligosymptomatischen Form und/ oder assoziierten Erkrankungen können Probleme auftreten bzw. die Diagnose erst spät gestellt werden. Selbst bei nur diskreten, indirekten Hinweisen wie einer unklaren Eisenmangelanämie sollte das Vorliegen einer Zöliakie rechtzeitig in die Überlegung einer Diffenrantialdiagnose einbezogen werden. Mit einer glutenfreien Ernährung sollte erst nach endgültiger Diagnosestellung begonnen werden [5].
Therapie: Gluten meiden
Die Zöliakie-Therapie sieht eine strenge Einhaltung einer glutenfreien Ernährung vor. Patienten sollten von Beginn an sowohl mit dem behandelnden Arzt in engem Kontakt stehen als auch eine spezielle Diätberatung in Anspruch nehmen. Auch eine Anbindung an Selbsthilfegruppen ist für Betroffene und ihre Angehörigen sinnvoll. Nähere Informationen sind bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft erhältlich: www.dzg-online.de [1].
Bei einem akuten Krankheitsschub kann in der Regel nur die totale Glutenkarenz, also der Verzicht auf Produkte, die Weizen, Roggen, Hafer, Dinkel, Gerste und Grünkern enthalten, die Beschwerden merklich lindern. Nach zwei bis drei Wochen sollte bei der Mehrzahl der Patienten Besserung eintreten. Alternativen bieten glutenfreie Lebensmittel. Dazu zählen Produkte aus Mais, Reis, Kartoffeln bzw. Kastanien, Buchweizen und Hirse. Einige glutenfreie Produkte werden mit einer durchkreuzten Ähre gekennzeichnet, was die Auswahl für den Patienten erleichtern kann. Die Glutentoleranz variiert individuell und bereits geringe Mengen reichen aus, um intestinale Symptome auszulösen, so dass die Verwendung von Weizenstärke nicht empfohlen werden kann, denn auch hier sind noch Spuren von Gluten enthalten [3]. Lediglich reine Stärke, sog. Primastärke hat nur einen minimalen Resteiweißgehalt von 0,3%. Nur diese Weizenstärke darf in der glutenfreien Ernährung und zur Herstellung glutenfreier Lebensmittel eingesetzt werden [5].
Zu Beginn der diätetischen Behandlung sollten Patienten auch die Fettzufuhr auf 20 bis 30 g/Tag einschränken. Eventuell ist der Einsatz von MCT-Fetten indiziert: sie können auch als intakte Moleküle resorbiert werden. Auch lactosehaltige Lebensmittel sollten zunächst reduziert werden, je nachdem wie stark die Zottenatrophie fortgeschritten ist, kann sich ein sekundärer Lactasemangel herausbilden, der aber reversibel ist. Doch Käse und Sauermilch werden von den Patienten häufig gut toleriert. Da sich zu Beginn der Therapie Versorgungslücken hinsichtlich der Vitamine A und D, Folsäure sowie bei Calcium, Eisen und Selen zeigen, sollten die Patienten zunächst ein ausbilanziertes Multivitamin-Multimineralstoff-Präparat erhalten, um die Lücken rasch schließen zu können [3]. Je nach Klinik muss bei schweren Zöliakie-Fällen, die mit Kachexie einhergehen, auch eine parenterale Ernährung in Betracht gezogen werden [1].
Auch nach Wiederherstellung der vollständigen resorptiven Kapazität des Darms, müssen sich Patienten lebenslang glutenfrei ernähren. Auch Lebensmittel, die Gluten nur in Spuren enthalten, dürfen nicht verzehrt werden. So sind Patienten oft auf industriell hergestellte Speziallebensmittel oder selbst produzierte Lebensmittel angewiesen, denn besonders Weizenstärke ist in vielen verarbeiteten Produkten enthalten. Dazu zählen nicht nur Backwaren, sondern auch Soßen, Suppen, Gemüse- und Fleischkonserven sowie Süßigkeiten. Zu beachten ist auch, dass einige Arzneimittel Gluten enthalten können [3; 5]. Die strenge Einhaltung der Diät wird durch die mangelhafte Deklaration in vielen Restaurants und Kantinen erschwert. Auch können sich viele Patienten nicht konsequent an die Diätvorschriften halten, so dass die Gefahr besteht, die Mucosa erneut zu schädigen [3]. Besonders Patienten in der Pubertät fällt es nicht immer leicht, sich an das Beibehalten der glutenfreien Kost zu halten. Es gibt jedoch Patienten, bei denen sich die typische Symptomatik auch bei Einhaltung der diätetischen Vorgaben nicht bessert. In aller Regel sprechen diese Patienten, bei denen man von "unclassified sprue" spricht, auf Glucocorticoide an. Weiterhin gibt es seltene Fälle, die nur auf eine glutenfreie Kost ansprechen, wenn weitere proteinreiche Lebensmittel wie Ei, Geflügel, Milch etc. gemieden werden [5]. Um den Krankheitsverlauf weiter zu beobachten, sollten anfangs halbjährlich Antikörperbestimmungen (tTG-IgA ausreichend) zur Kontrolle der Diät durchgeführt werden, da der IgA-Antikörpertiter gut mit dem strikten Einhalten der Diät korreliert. Normalisiert sich der Titer, muss keine Biopsie durchgeführt werden [1].
Prävention durch Stillen möglich
Einige Studien weisen darauf hin, dass Stillen einen protektiven Effekt besitzt und daran beteiligt ist, das Zöliakierisiko zu senken.
Ebenso ist der Zeitpunkt der ersten Glutengabe hinsichtlich der Manifestation von Bedeutung. Daher sollen Kinder laut Deutscher Gesellschaft für Kinderheilkunde keine glutenhaltigen Nahrungsmittel vor dem vierten Lebensmonat erhalten. In diesem Zusammenhang sei auch vor der Fütterung mit sogenannter Frischkornmilch gewarnt [3].
Literatur [1] Schumann, M. et al. (2009): Zöliakie – Epidemiologie, Pathogenese, Differentialdiagnostik und Therapie. Der Gastroenterologe 4:19 – 26. [2] Zimmer, K.-P. (2003) Pathophysiologie der Zöliakie. Monatsschr. Kinderheilkd 151:698 – 705.[3] Hahn, A. et al. (2005): Ernährung. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, S. 433 – 436. [4] Stein, J. (2006): Einheimische Sprue (Zöliakie) – Klinik, Diagnostik und Therapie. Internist. 47: 929 – 938. [5] Kasper, H. (2000): Ernährungsmedizin und Diätetik. 9., neubearbeitete Auflage, Urban & Fischer, München – Jena, S. 165 – 168. [6] Holtmeier, W. et al. (2005): Definitionen der Zöliakie – Ergebnisse der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft. Monatsschr Kinderheilkd 153: 969 –973. [7] Münstermann et al. (1998): Gehäuftes Auftreten von Zöliakie bei Kindern mit Diabetes mellitus Typ 1. Monatsschr Kinderheilkd 146: 942 –945.
Autorin
Katja Aue, M. Sc. (Ökotrophologie)
Ernährungsempfehlungen
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Tab. 1: Altersabhängige Symptomatik der gluteninduzierten Enteropathie | |
Kinder |
Erwachsenen |
Gedeihstörung
Meteorismus
Durchfälle (dauernd oder periodisch)
Blässe
Erbrechen
Wesensveränderung
Appetitlosigkeit
Muskelschwäche
Einweißmangelsyndrome
|
Diarrhoe
Blähungen
Gewichtsverlust
Müdigkeit/ Erschöpfung
Knochenschmerzen
Übelkeit
Depressionen
Muskelschmerzen
Mundschleimhautentzündung
Krämpfe
|
Quelle: [3] |
Tab. 2: Formen der Zöliakie (modifiziert nach Holtmeier et al., 2005) | ||
Typus |
Klinik |
Therapie |
Symptomatische (klassische Form) |
Klassischer Verlauf |
Glutenfreie Diät |
Mono- und oligosymptomatische Zöliakie |
Diskret (z. B. nur Eisenmangelanämie) |
Glutenfreie Diät empfohlen |
Stumme (silente asymptomatische) Zöliakie |
unauffällig |
Keine |
Atypische Zöliakie |
Uncharakteristische, meist vor allem extraintestinale Symptome (z. B. IgA-Nephropathie, Transaminasenerhöhung) |
Glutenfreie Diät |
Latente Zöliakie |
A- bis oligosymptomatisch |
Wenn Ansprechen (partiell, komplett) unter glutenfreier Diät belegt ist |
Potenzielle Zöliakie |
unauffällig |
Nur bei Klinik |
Transiente Zöliakie |
Manifestation meist vor dem zweiten Lebensjahr; unter Diät komplette Remission. Im späteren Leben trotz glutenhaltiger Ernährung keinerlei Klinik mehr. |
Keine |
Therapierefraktäre Zöliakie |
Klassischer Verlauf trotz Einhaltung der Diät |
Corticosteroide, ggf. Cyclosporin A, Azathioprin |
Quelle: [5] |
Tab. 3: Extraintestinale Manifestationen bzw. Begleiterkrankungen | |
Haut |
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Leber |
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Assoziierte Autoimmunerkrankungen |
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Nervensystem |
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Sonstige Erkrankungen |
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Quelle: [1] |
Tab. 4: Mit Zöliakie oder Sprue assozierte Erkrankungen (modifiziert nach Collin & Mäki, 1994) | ||
Sichere Assoziation (zahlreiche Studien) |
Wahrscheinliche Assoziation (mehrere Studien) |
Mögliche Assoziation (einzelne Fallberichte) |
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Quelle: [3] |
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