Gesundheitspolitik

Wir "Profiteure"?

Peter Ditzel

"Der eigentliche Profiteur des Mehrkostenverfahrens ist die abgebende Apotheke…" – so kommentierte der Vorstandsvorsitzende des Ersatzkassenverbands, Thomas Ballast, die mit dem AMNOG eingeführte Mehrkostenregelung in einer Pressemitteilung. Und er warnte gleichzeitig die Versicherten davor, sich in der Apotheke zu einem teureren Medikament "überreden zu lassen". Diese Äußerung des Kassenvertreters als "Unverschämtheit" zu bezeichnen, das war noch eines der harmloseren Wörter, mit denen Apotheker dies in den letzten Tagen kommentierten. Verständlich.

Die Mehrkostenregelung kam nicht auf Druck der Apotheker ins Gesetz. Politik und Gesellschaft erkannten, es müsse rechtens sein, wenn der Patient – gegen Zuzahlung – sein austauschfähiges "Wunscharzneimittel" erhalten kann anstatt eines verordneten Rabattarzneimittels. Eigentlich eine längst überfällige Regelung. Auch im Jahre 5 des Rabattarzneimittel-Wahnsinns gibt es Patienten, die mit den Arzneimitteln, von der Kasse nach Rabattkriterien ausgesucht, nicht zurechtkommen und lieber "ihr" (teureres) vertrautes Arzneimittel erhalten möchten – gegen Aufzahlung. Jetzt endlich ist dies möglich, aber …

Die Kassen sind darüber sichtlich nicht erfreut, sie fürchten Verwaltungs- und Informationsaufwand und haben Probleme mit der indirekten Offenlegung des Rabattpreises. Statt ihre Versicherten über diese neue Regelung rechtzeitig zu informieren, lassen sie ihren Unmut an den Apothekern aus und stellen sie als Profiteure hin, vor denen gewarnt wird, weil sie (dem Sinne nach) die armen Patienten über den Tisch ziehen. Das ist ungeheuerlich. Die Kassen hätten die Pflicht gehabt, ihre Kunden, die Versicherten, im Vorfeld sachlich über die Neuerungen aufzuklären, auch über das Procedere der Mehrkostenregelung.

Aber da sitzt das Problem fest: Der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband müssen noch einen Weg der verbindlichen Umsetzung dieser Regelung finden. Denn laut AMNOG-Begründung dürfen weder Versicherter noch Kasse mit dem Herstellerrabatt belastet werden. Das heißt, die Apotheke kann nicht den Arzneimittelpreis wie bei einem Privatpatienten verlangen. Und: Die Apotheke muss den Kassenabschlag von 2,05 Euro abziehen. Die um die Jahreswende herausgegebene Vorgehensweise bei der Mehrkostenregelung ist somit nicht korrekt.

Fazit: Das Gesetz ist übereilt in Kraft getreten. Die notwendigen Regelungen für die Umsetzung konnten noch nicht ausgearbeitet werden und fehlen. Glücklicherweise scheint die Mehrkostenregelung im Apothekenalltag noch keine Rolle zu spielen. Die Bürokratie wuchert weiter ...


Peter Ditzel



AZ 2011, Nr. 1-2, S. 1

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.