Management

Beratungskompetenz verbessern

Wenn der Kunde um medizinischen Rat fragt

Phänomene wie die "Landflucht" der Ärzte führen dazu, dass immer mehr Kunden den Apotheker als "Ersatz-Arzt" betrachten, und ihn in Angelegenheiten um Rat fragen, die den medizinischen Bereich berühren. Das bedeutet neue Chancen, um Kunden zu gewinnen und zu binden, stellt aber zugleich eine große Herausforderung dar: Wie sollen sich der Apotheker und sein Team darauf vorbereiten? Wie sollen und können sie reagieren, wenn sie vom Kunden um "ärztlichen Rat" gebeten werden?

Düsteres Szenario

Die Informationen und Zahlen sind erschreckend und alarmierend: Der Beruf des Landarztes scheint vom Aussterben bedroht. Die düstersten Szenarien malen aus, dass knapp zwölf Millionen Deutsche mit einer medizinischen Unterversorgung rechnen müssen. So lautet das Ergebnis einer Auskunft.de-Untersuchung zum Ärztemangel in Deutschland.

Der Hintergrund: Immer weniger Mediziner sind bereit, als Haus- oder Allgemeinarzt zu praktizieren. Und von denen, die das wollen, ziehen die wenigsten aufs Land. In fünf Jahren könnten fast 28.000 Ärzte fehlen, in zehn Jahren fast 60.000. In ländlichen Gebieten fehlen bereits jetzt über 2000 Hausärzte, damit bleibt in manchen Regionen jede achte Hausarztstelle unbesetzt.

Was hat das mit den Apotheken zu tun, was bedeutet dies für die Apotheker und ihre Mitarbeiter? Die Apothekenteams müssen damit rechnen, dass sie verstärkt von Kunden um ärztlichen Rat gefragt werden. Wenn Apothekenkunden 20 bis 25 km zurücklegen müssen, um einen Arzt aufsuchen zu können, ist es nur allzu verständlich, wenn sie zunächst einmal den "bequemen" Weg wählen, und zumindest bei bestimmten Beschwerden beim Apotheker nachfragen.

Freilich: Das Phänomen ist nicht neu. Schon in früheren Zeiten war es so, dass Kunden beim Apotheker nachgefragt haben, wenn sie zum Beispiel einen ärztlichen Hinweis nicht verstanden und nachvollziehen konnten oder Fragen zur Medikation auftauchten. Oft genug hat der Arzt nicht genügend Zeit – oder will sich nicht genügend Zeit nehmen – , um sich in Ruhe auf Patientenfragen einzulassen.

In diesem Zusammenhang ist ein Service interessant, der von Dresdner Medizinstudenten im Internet ins Leben gerufen worden ist: Unter www.washabich.de können sich Patienten ihnen unverständliche Arztbefunde in ein für Laien nachvollziehbares Deutsch übersetzen lassen. Dies war und ist ein Indiz dafür, dass es mit der Kommunikation zwischen Patient und Arzt hapert.

Doch zurück zu dem Phänomen, dass sich viele Patienten hilfesuchend an die Apotheker wenden.

Der "Hilfe suchende Patient" in der Apotheke

Der Apotheker und sein Team sollten sich zum einen darauf vorbereiten, dass ihr "ärztlich-medizinischer" Rat verstärkt gefragt sein wird, dabei aber auch klare Grenzen ziehen: Denn natürlich wird es Fälle geben, in denen es fahrlässig wäre, wenn sie dem Kunden einen medizinischen Rat erteilten, der eigentlich dem Arzt vorbehalten sein sollte. Diese Grenzen werden bei dem Apotheker weiter gesteckt sein als bei der PTA.

Sinnvoll ist es daher, in einem Meeting festzulegen, ab wann – zum Beispiel – die PTA dem Kunden mitteilen sollte, dass sie sich nicht in der Lage sieht, ihm weiterhelfen zu können. Eventuell kann dann der Apotheker hinzugezogen werden. Zudem wird es Kundenfragen geben, bei denen auch der Apotheker strikt darauf verweisen muss, dass er nicht die Kompetenz hat, sie fundiert und sachgemäß zu beantworten, und die Empfehlung aussprechen sollte, einen Arzt zu konsultieren.

Konkretes Beispiel: Ein Mitarbeiter verweist darauf, dass er nicht über die Kompetenz verfügt, auf die Kundenfrage bezüglich einer Selbstmedikation einzugehen. Beim Apotheker sieht dies anders aus. Immerhin wird er in Ausbildung und in Schulungen darauf vorbereitet, einen soliden Rat zur Selbstmedikation zu erteilen. Apotheker haben zudem eine Verantwortung, ihr Wissen über Medikamente und das Erkennen von Symptomen gewöhnlicher Leiden während ihrer gesamten beruflichen Laufbahn zu aktualisieren und zu erweitern.

Während der Apotheker bei "gewöhnlichen Leiden" und der Selbstmedikation Hilfestellung geben kann, sollte er bei tiefergehenden Diagnosen und Therapievorschlägen Vorsicht walten lassen.

Erfahrungsaustausch nutzen

Natürlich wünscht jede Apotheke den zufriedenen Kunden. Wenn dieser dann eine medizinische Frage aufwirft, die eigentlich besser in der Arztpraxis aufgehoben wäre, möchte man ihm trotzdem weiterhelfen. Darum sollte der Apotheker prüfen, ob er – im angemessenen und verantwortbaren Rahmen – seine Beratungskompetenz in medizinischen Sachverhalten erhöhen möchte. So nutzt er immerhin die Chance, die Loyalität des Kunden zu erhöhen.

So sucht er zum Beispiel den Erfahrungsaustausch mit Kollegen: Wie gehen sie mit der Herausforderung um, kann man sich gegenseitig unterstützen? Ist es sinnvoll, mit Ärzten ein virtuelles Netzwerk zu bilden, auf das der Apotheker zurückgreifen kann, um seine Beratungskompetenz auszubauen? Gibt es im Internet ein entsprechendes Apotheker-ÄrzteForum?

Wie weit er diesen Service ausbauen will, muss jeder Apotheker für sich selbst entscheiden. Wahrscheinlich kann es nicht sein Ziel sein, quasi ein medizinisches Studium nachzuholen. Aber ein gewisses Entgegenkommen und Eingehen auf die Erwartungen und Wünsche des "vom Arzt allein gelassenen" Kunden liegt gleichwohl im Interesse des Apothekers..


Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater



AZ 2011, Nr. 28, S. 6

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