Gesundheitspolitik

Filialisierung – ja oder nein?

Andreas Kaapke

Seit das Mehrbesitzverbot im Jahr 2004 im Rahmen des GMG gelockert wurde, ist die Frage einer moderaten Filialisierung eine strategische Aufgabe für alle Apothekeninhaber. Was kann Treiber einer solchen Überlegung sein? Filialisierung ist ein klassisches Thema, wenn es um Wachstum geht. Sind die Möglichkeiten der Apotheke am bestehenden Standort ausgeschöpft, weiter zu wachsen, Marktanteil zu generieren und damit den Fortbestand dauerhaft zu sichern, sind Überlegungen anzustellen, das Konzept zu multiplizieren und durch die Hinzunahme von ein bis drei weiteren Standorten die Gesamtsituation zu verbessern. Dabei muss aber erst einmal geprüft werden, ob in hinreichender Nähe, denn dies schreibt das Gesetz zwingend vor, entsprechende Standorte zur Verfügung stünden. Zudem muss geprüft werden, ob die investiven Mittel vorhanden sind, um dieses Wachstum finanzieren zu können. Denn die Hinzunahme weiterer Apotheken stellt eine beträchtliche Investition dar, die nicht nur den neuen, sondern auch den gegenwärtigen Betrieb vor erhebliche Herausforderungen stellt. Zudem kann sich der Inhaber nicht klonen und muss auf Personal vertrauen, das ihn an dem neuen Standort oder am alten adäquat vertritt. Hat man diese Mitarbeiter, fallen diese in der bestehenden Apotheke weg, hat man diese nicht, muss man hoffen, dass auf dem freien Markt jemand gefunden werden kann, der die Aufgabe im Sinn und Geist des Inhabers angeht und bewältigt.

Ideal ist es, wenn man das bestehende Konzept weitgehend kopieren kann. Zwar sind auch Filialkonzepte bekannt, bei denen ein Inhaber sowohl eine klassische auf Beratung fokussierende Apotheke und eine Doc-Morris- oder easy-Apotheke führt. Dies muss nicht verkehrt sein, erhöht aber die Rüstkosten und lässt die Vermutung zu, dass mit geringerer Wahrscheinlichkeit Fixkostendegressionseffekte und Lerneffekte übertragbar sind. Gleichwohl kann auch diese Art der Wachstumsstrategie sehr erfolgreich sein, mitunter gegebenenfalls erfolgreicher als die reine Kopie. Dennoch leuchtet es ein, wenn der Versuch unternommen wird, das bestehende Konzept auf einen neuen Standort zu übertragen und praktisch eine Unternehmensführung an unterschiedlichen Standorten aus einem Geist anzustreben.

Bemerkenswert ist nach wie vor die Anzahl der Filialen, die gemäß GMG zugelassen sind. Neben der Hauptapotheke können bis zu drei Filialapotheken aufgemacht werden. Schaut man auf einschlägige Definitionen aus der Handelsbetriebslehre wie bspw. dem Katalog E, Begriffe aus der Handels- und Distributionswirtschaft, wird dort als Filialbetrieb bezeichnet, wer fünf oder mehr Filialen betreibt. Die vielfach erhofften Kostenvorteile stellen sich erst ab einer gewissen Größenordnung ein, davor erhöht sich eher die Komplexität als dass nennenswerte Vorteile generiert werden könnten. Von daher will genau überlegt sein, welche Apotheke hinzugenommen wird und welche nicht, wie stark kopiert werden kann und wo nicht. Die Kopie oder das Duplikat muss dann nicht sein, wenn wenigstens an einem gleichen Standort-Typ ein vergleichbares Konzept variiert dargeboten werden kann.

Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass oftmals als Gründe für Filialisierung neben der Wachstumsorientierung auch Standortsicherung oder Nutzung von Synergien genannt werden. Zu den Synergien sind schon hinreichende Bedenken geäußert worden, insbesondere bei einer geringen Filialanzahl sind Synergien schwer zu erzielen. Standortsicherung ist interessant aber gefährlich. Eine Filiale macht man auch oder gerade zur Risikostreuung auf, nicht um am gleichen Standort das unternehmerische Risiko zu erhöhen. Denn wenn der Standort sich insgesamt schlecht entwickeln sollte, ist man nicht nur mit einem Standort betroffen, sondern mit mehreren.

Von daher hängt vieles von der Vorbereitung einer Filialisierung ab. Sowohl Standortpotenzial wie auch die Standortqualität sind zu berücksichtigen. Das Potenzial ergibt sich aus typischen einzelhandelsrelevanten Kennzahlen wie Kaufkraft, Zentralität und der Anzahl der vorhandenen Wettbewerber, aber natürlich auch durch die im Einzugsgebiet ansässigen Ärzte, die als Verschreiber infrage kommen. Die Standort-Qualität äußert sich in der verkehrlichen Anbindung, im ansonsten am Makro-Standort anzutreffenden Angebot (welcher Einzelhandel, Post oder Bank usw.) und der Atmosphäre, die insgesamt vom Standort ausgestrahlt wird.

Am Ende des Tages wird vieles davon abhängen, ob verfügbare Standorte vorhanden sind. Neulich sagte mir ein Apotheker freudestrahlend, er habe einen Standort für eine zweite Apotheke gefunden. Auf meine Frage, was den Ausschlag für diesen Standort gegeben hätte, sagte er: kein Wettbewerb. Dies kann allerdings auch Indikator dafür sein, es besser zu lassen, denn wo gibt es noch weiße Flecken.


Andreas Kaapke


Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Bera-tungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de



AZ 2011, Nr. 28, S. 2

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