Gesundheitspolitik

Blister-Projekt der AOK Bayern: Apotheken sind skeptisch

Auch die AOK sieht nach Auswertung ihres einjährigen Modellprojekts noch Bedarf an weiteren Analysen

Berlin (ks). Nach dem Berliner Blister-Projekt der AOK Nordost hat nun auch die AOK Bayern Ergebnisse zur "patientenindividuellen Arzneimittel-Verblisterung für Bewohner von Pflegeheimen" (PIVP) veröffentlicht. Die PIVD erhöhe die Arzneimittelsicherheit und Versorgungswirtschaftlichkeit der teilnehmenden Senioren, lautet das Fazit mehr als anderthalb Jahre nach Ende der Studie.

Das 2009 durchgeführte PIVP-Modellvorhaben der AOK Bayern wurde vom Institut für Gesundheitsökonomik (IfG) wissenschaftlich begleitet – man setzte auf einen bekannten Kopf: den IfG-Leiter Prof. Dr. Günter Neubauer. Anvisiert war die Teilnahme von rund 3000 Pflegeheimbewohnern – letztlich waren es bayernweit 581 Pflegebedürftige aus 19 Heimen. Nicht in die Studie miteinbezogen wurden Bewohner, die während der Projektlaufzeit verstorben sind. Die Teilnehmer wurden durch zehn Apotheken mit Arzneimittel-Blistern versorgt. Die Apotheken verwendeten dabei sowohl Karten- als auch Schlauchblister. Zudem wurde sowohl von Hand, maschinell bzw. industriell (7x4 pharma) verblistert.

Für die Auswertung wurden die Abrechnungsdaten und Versorgungsausgaben der AOK Bayern, Befragungen in den Pflegeheimen (Bewohner und Personal), das Arzneimittel-Verwurfskonto der Apotheken und Daten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Bayern herangezogen.

Wöchentliche Versorgung kostet 30,90 Euro weniger

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die im Modell eingeschriebenen Pflegeheimbewohner durchschnittlich um 30,90 Euro geringere Versorgungsausgaben wöchentlich hatten als eine Vergleichsgruppe von Heimbewohnern, die keine Wochenblister nutzte. Für die Heime ermittelte die Studie Zeiteinsparungen von im Durchschnitt wöchentlich knapp über fünf Minuten je Bewohner. Monetär bewertet entspreche dies rund 3,30 Euro je Woche und Bewohner. In erster Linie wurde der Aufwand der Pflegekräfte dadurch reduziert, dass die Arzneimittel größtenteils durch den Apotheker patienten- und einnahmezeitpunktbezogen vorbereitet wurden. Und so sind es auch die Apotheken, die am Ende Kritik am Modell übten.

6,10 Euro für die Apotheke

Die Apotheken bekamen von der AOK Bayern eine Vergütung in Höhe von 3,00 Euro für die Verblisterung sowie von 3,10 Euro für die pharmazeutischen Leistungen zugesagt – jeweils pro Woche und nachgewiesenem Patienten. Insgesamt also 6,10 Euro. Der Nachweis beinhaltete eine tablettengenaue Abrechnung der verblisterten Arzneimittel mit dem Herstellerabgabepreis der größtmöglichen Packungsgröße. Rabattverträge mussten nicht beachtet werden, wohl aber Festbeträge. "Aus Sicht der Apotheker war die durch die AOK Bayern zugesagte Vergütung für die Verblisterung offensichtlich zu knapp kalkuliert, da viele teilnehmenden Apotheker von dieser Möglichkeit der Vergütung keinen Gebrauch machten", heißt es in der Studie. So geht der involvierte bundesweit tätige Herstellungsbetrieb von Herstellungskosten von 4,80 Euro je Blister aus. Auch die Vergütung der pharmazeutischen Leistung schien den Apotheken wenig attraktiv, weil unter anderem nicht berücksichtigt wurde, dass der Apotheker mit den Wochenblistern mehr Aufwand hat als bei der Abgabe einer Großpackung. "Im Ergebnis sahen die teilnehmenden Apotheker in den vorgesehenen Abrechnungsmodalitäten mehr Nach- als Vorteile", so die Studie. Dass sie sich dennoch am Modellversuch beteiligt haben, führt das IfG darauf zurück, dass sie die entsprechenden Bewohner sowieso mit Blistern versorgt hätten und ihnen deshalb durch die Projektteilnahme faktisch keine Mehrkosten entstanden.

Zwiespältiges Fazit

Das Gesamtergebnis der IfG-Analyse: Durch die patientenindividuelle Arzneimittel-Verblisterung für Bewohner von Pflegeheimen wird sowohl die Versorgungsqualität wie auch die Versorgungswirtschaftlichkeit spürbar verbessert. Es sei aber auch die Tendenz festzustellen, dass die ambulant-ärztlichen Ausgaben für die durch Arzneimittelblister versorgten Pflegeheimbewohner höher seien. Vermutet wird hier als Ursache eine intensivere Betreuung im Projekt, z. B. in Form häufigerer Überprüfungen der Dauermedikation von Patienten.

"Es deutet einiges darauf hin, dass negative und vermeidbare Nebenwirkungen bei der Arzneimitteltherapie reduziert werden können und somit weniger Krankenhausaufenthalte nötig sind als bisher," sagt Dr. Helmut Platzer, Vorstandsvorsitzender der AOK Bayern. Doch auch wenn die Auswertungen hier recht eindeutig ausfielen, seien weitere Analysen wünschenswert. Daher stehe bei der AOK Bayern nun eine Entscheidung darüber an, die PIVP in einem nächsten Schritt auf die AOK-Pflegenetze auszuweiten. Erst dann könne man beurteilen, welche Verblisterungstechnik seitens der Apotheken sich beim Einsatz letztendlich bewähren und mit welchen Kosten dies dann auch verbunden sein wird.



AZ 2011, Nr. 35, S. 3

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