Gesundheitspolitik

Nichts ist besser in Schweden und Finnland

Keine neuen Impulse von der Reise des Gesundheitsausschusses

BERLIN (jz). Die Reise des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages nach Stockholm und Helsinki führt offenbar nicht zu einem großen Veränderungsdruck: In Schweden und Finnland sei – bezogen auf die Situation der Apotheker – nichts besser als bei uns, so die Ausschussvorsitzende Dr. Carola Reimann (SPD) gegenüber der AZ. Allerdings könne man sich von der starken Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Pflegepersonal durchaus einiges abschauen.
Nicht überzeugt von der schwedischen Apothekenlandschaft: Carola Reimann (SPD).
Foto: SPD

Die Delegation des Gesundheitsausschusses war vom 4. bis zum 8. Oktober 2011 unter der Leitung der Ausschussvorsitzenden, Dr. Carola Reimann, nach Stockholm und Helsinki gereist, um mit Vertretern des Gesundheitsbereichs zu sprechen und verschiedene Versorgungseinrichtungen zu besuchen. Von den dortigen Regelungen zum Apothekenmarkt will man sich jedoch nichts abschauen: Auf die Frage, was in Schweden und Finnland bezogen auf den Apothekenmarkt besser sei als in Deutschland, antwortete Reimann: "Nichts ist besser als bei uns."

Bedenklich: Viele Apothekenprodukte freiverkäuflich

Anders als in Deutschland sind die meisten Apotheken dort in Ketten eingebunden. Reimann hält es jedoch für "bemerkenswert bis bedenklich", dass in Schweden von ursprünglich 930 staatlichen Apotheken mittlerweile 615 an insgesamt nur vier Käufer – zwei davon in der Beteiligungsform der "private equity" – verkauft wurden und die Politik es durchaus fördere, dass viele Produkte aus der Apothekenpflicht genommen und vermehrt in Tankstellen, Ausgabestationen oder Drogeriemärkten abgegeben werden.

Das Ziel der dortigen Politiker, "frischen Wind reinzubringen" – die staatlichen Apotheken hatten laut Reimann oft "komische" Öffnungszeiten und zum Teil auch "mal gar nicht geöffnet" – werde durch die Privatisierung zwar teilweise erreicht. Allerdings sei die Privatisierung allein auch keine Lösung für das Problem der flächendeckenden Versorgung im ländlichen Bereich. Es bleibe abzuwarten, was mit den Apotheken im ländlichen Bereich geschehe: Diese werden zumindest bis 2013 durch "Drei-Jahres-Verträge" beim Verkauf geschützt – vor Ablauf der drei Jahre dürfen sie auch bei Nichtrentabilität nicht geschlossen werden.

Großhandel kommt einmal am Tag

Reimann berichtete gegenüber der AZ auch, dass Patienten und Apotheker in Schweden und Finnland ganz andere Ansprüche als in Deutschland haben, das könne man nicht vergleichen. So sei ihr auf der Reise stolz berichtet worden, dass der Großhandel die Arzneimittel mittlerweile binnen eines Tages bringe. Lieferungen bis zu viermal am Tag, wie es in Deutschland der Fall sei, seien "Quatsch und nicht nötig", habe man die Situation in Deutschland gegenüber der Delegation kommentiert. Weder das eine, noch das andere Extrem hält Reimann für angemessen: "Für Akutes sind zwei bis drei Lieferungen pro Tag schon wichtig." Der deutsche Großhandel solle zukünftig nicht seine Leistungsfähigkeit verlieren.

Apotheken erinnern an Drogerien mit Schalter

Verblüfft waren Reimann und ihre Kollegen von Präsentation, Angebot und dem konkreten Verkaufsvorgang in den Apotheken: Der Apothekenraum vieler Apotheken erinnere mehr an eine Drogerie, man müsse für Apothekenpflichtiges an einem Schalter eine Nummer ziehen und zum Teil bis zu eine Stunde darauf warten – in Deutschland wäre eine solche Wartezeit unmöglich, so Reimann. Allerdings gehöre das Ziehen einer Nummer dort zum normalen Verkaufsvorgang – so erhalte man auch sein Fleisch beim Metzger und die Produkte in manchen Einkaufsmärkten.

Das Beste: Zusammenarbeit Arzt – Pflege

Das Spannendste der Reise, so berichtete Reimann, sei die "starke Kooperation zwischen Ärzten und nichtärztlichen Berufsgruppen" gewesen. Davon könne sich Deutschland zukünftig eine Scheibe abschneiden: Ärzte und Pflegepersonal arbeiten dort in Zweierteams – sogenannten "Twinnings" – zusammen, wobei die Schwester grundsätzlich der zuständige Ansprechpartner des Patienten ist und in Absprache mit dem Arzt selbstständig arbeitet. Gerade bei chronisch kranken Patienten sei dieses Prinzip bewährt, diese "sehen den Arzt nur einmal im Jahr", so Reimann – jedenfalls solange keine Komplikationen auftreten.



AZ 2011, Nr. 42, S. 3

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