Arzneimittel und Therapie

Conestat alfa zur Behandlung des hereditären Angioödems

Conestat alfa (Ruconest®) ist ein rekombinanter C1-Esterase-Inhibitor zur Behandlung von akuten Angioödemen bei Erwachsenen mit hereditärem Angioödem (HAE) aufgrund eines C1-Esterase-Inhibitormangels.

Conestat alfa ist ein gentechnisch hergestellter C1-Esterase-Inhibitor zur Behandlung von Anfällen im Rahmen des hereditären Angioödems (HAE, Quincke-Ödem) bei Erwachsenen, bei denen ein Mangel des Proteins C1-Esterase-Inhibitor vorliegt.

Diese Patienten haben einen heterozygoten Mangel des Plasmaproteins C1INH. Dieses Protein ist der Hauptregulator der In-vivo-Aktivierung des Kontakt- und Komplementsystems. Diese Patienten können an einer dadurch nicht mehr kontrollierten Aktivierung des Kontakt- und Komplementsystems mit Bildung von Entzündungsmediatoren leiden, die sich klinisch in Form von akuten Angioödemen manifestiert.

Anfallsartige Schwellungen

Die Patienten leiden unter anfallsartigen Schwellungen, die überall im Körper, zum Beispiel im Gesicht oder in den Gliedmaßen oder aber in der Darmgegend, auftreten können und Beschwerden und Schmerzen verursachen.

Das Protein C1-Esterase-Inhibitor wird zur Steuerung des Komplement- und Kontaktsystems benötigt, die Infektionen bekämpfen und eine Entzündung hervorrufen können. Bei Patienten mit einem Mangel an C1-Esterase-Inhibitor sind die beiden Systeme übermäßig aktiv, was zu den Symptomen des Angioödems führt.

Inhibitor der C1-Esterase

Conestat alfa ist ein rekombinanter Inhibitor der humanen Komplementkomponente-1-

(C1-)Esterase (rhC1INH), ein Analogon des humanen C1INH mit identischer Aminosäurensequenz. Es wird aus der Milch von Kaninchen, die das für das humane C1INH kodierende Gen exprimieren, gewonnen.

C1INH hemmt verschiedene Proteasen des Kontakt- und Komplementsystems, unter anderem aktiviertes C1s, Kallikrein, Faktor XIIa und Faktor XIa.

Bei der Verabreichung während eines Angioödems unterbindet Conestat alfa die überschießende Aktivität der C1-Esterase und lindert so die Symptome des Patienten. Bei HAE-Patienten erhöht Conestat alfa in einer Dosis von 50 Einheiten/kg die Plasma-C1INH-Aktivität für etwa zwei Stunden auf über 0,7 Einheiten/ml, der unteren Grenze des Normalbereichs.

Einzeldosis meist ausreichend

Conestat alfa wird als langsame Injektion in die Vene über etwa fünf Minuten verabreicht. Die Dosis richtet sich nach dem Körpergewicht des Patienten und beträgt 50 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht. Erwachsene bis 84 kg Körpergewicht erhalten eine intravenöse Injektion von 50 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht (50 Einheiten/kg), Erwachsene ab 84 kg Körpergewicht eine Injektion von 4200 Einheiten (zwei Durchstechflaschen).

Patienten mit hereditärem Angioödem leiden an einem Mangel funktionstüchtiger C1-Inhibitoren. Als Folge kommt es zu einer erhöhten Konzentration von Bradykinin im Blutplasma, welches als Schlüsselmolekül bei der Entwicklung des Angioödems gilt. Die Patienten leiden unter anfallsartigen Schwellungen am ganzen Körper, zum Beispiel im Gesicht oder in den Gliedmaßen. Besonders gefährlich sind akute Angioödeme im Kopf-Hals-Bereich, die sich innerhalb von Minuten oder wenigen Stunden entwickeln können. Foto: US Hereditary Angioedema Association, www.haea.org

In den meisten Fällen reicht eine Einzeldosis von Conestat alfa aus, um ein akutes Angioödem zu behandeln. Bei unzureichendem klinischem Ansprechen kann eine zusätzliche Dosis (50 Einheiten/kg bis zu 4200 Einheiten) verabreicht werden. Es sollten nicht mehr als zwei Dosen innerhalb von 24 Stunden appliziert werden.

Conestat alfa wird in der Leber durch rezeptorvermittelte Endozytose mit anschließender vollständiger Hydrolyse aus dem Blutkreislauf eliminiert. Die Cmax beträgt 1,36 Einheiten/ml, die Eliminationshalbwertszeit etwa zwei Stunden.

Besserung der Symptome

Conestat alfa wurde in zwei Hauptstudien mit insgesamt 73 Patienten mit hereditärem Angioödem untersucht, das durch einen C1-Esterase-Inhibitor-Mangel bedingt war. Die meisten Patienten waren Erwachsene. Trat ein Anfall auf, erhielten die Patienten 50 oder 100 Einheiten/kg Körpergewicht Conestat alfa oder Placebo.

Conestat alfa verbesserte die Symptome der Patienten mit Angioödemanfall wirksamer als Placebo, nach einer und zwei Stunden zeigte sich eine erste Besserung. Bei Patienten, die Placebo erhielten, trat die Besserung erst nach vier und über acht Stunden erste Besserungen auf.

Die Mehrzahl der Patienten wurde erfolgreich mit der Dosis Conestat alfa von 50 Einheiten/kg behandelt. Nur etwa 10% von ihnen benötigten eine zweite Dosis.

Nebenwirkung: vor allem Kopfschmerzen

Die klinischen Erfahrungen, die die Sicherheit von Conestat alfa belegen, umfassen 300 Verabreichungen (83 Verabreichungen an gesunde Probanden oder asymptomatische HAE-Patienten und 217 Verabreichungen an 119 HAE-Patienten).

Die häufigste Nebenwirkung von Conestat alfa (bei mehr als einem von zehn Patienten) ist Kopfschmerz.

Conestat alfa wird aus Milch von transgenen Kaninchen gewonnen und enthält Spuren von Kaninchenprotein. Bei einer bekannten oder vermuteten Allergie gegen Kaninchenproteine darf der Wirkstoff nicht eingesetzt werden. Patienten müssen vor Beginn der Behandlung auf das Vorhandensein von IgE-Antikörpern gegen Kaninchenepithel (Hautschuppen) getestet werden; nur Patienten, die negative Ergebnisse in einem solchen Test gezeigt haben, dürfen mit Conestat alfa behandelt werden. Der IgE-Antikörpertest sollte nach zehn Behandlungen, mindestens aber einmal jährlich, wiederholt werden.

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es Hinweise auf eine Wechselwirkung zwischen dem Gewebeplasminogenaktivator (tPA) und C1INH-haltigen Arzneimitteln. Daher sollte Conestat alfa nicht gleichzeitig mit Gewebeplasminogenaktivator verabreicht werden.

In einer tierexperimentellen Studie wurde eine Reproduktionstoxizität beobachtet. Die Anwendung von Conestat alfa während der Schwangerschaft oder Stillzeit wird nicht empfohlen, es sei denn, der behandelnde Arzt schätzt den Nutzen höher ein als die möglichen Risiken.


Quelle

Informationen der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, Stand Juli 2010.

hel

Steckbrief: Conestat alfa


Handelsname: Ruconest

Hersteller: Swedish Orphan Biovitrium, Langen

Einführungsdatum: 1. Dezember 2010

Zusammensetzung: 1 Durchstechflasche enthält 2100 E. Conestat alfa. Sonstige Bestandteile: Sucrose, Natriumcitrat (E331), Citronensäure (E330)

Packungsgrößen, Preise und PZN: 1 Durchstechflasche, 2479,42 Euro, PZN 6911398.

Stoffklasse: Enzyminhibitoren; C1-Esterase-Inhibitor. ATC-Code: B02A B03.

Indikation: Zur Behandlung von akuten Angioödemen bei Erwachsenen mit hereditärem Angioödem (HAE) aufgrund eines C1-Esterase-Inhibitormangels.

Dosierung: Erwachsene bis 84 kg Körpergewicht: eine intravenöse Injektion von 50 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht (50 Einheiten/kg); Erwachsene ab 84 kg Körpergewicht: eine intravenöse Injektion von 4200 Einheiten (zwei Durchstechflaschen).

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile; bekannte oder vermutete Allergie gegen Kaninchen.

Nebenwirkungen: Kopfschmerzen.

Wechselwirkungen: Conestat alfa sollte nicht gleichzeitig mit Gewebeplasminogenaktivator (tPA) verabreicht werden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen: Patienten, die zuvor noch nicht mit Conestat alfa behandelt wurden, müssen vor Beginn der Behandlung auf das Vorhandensein von IgE-Antikörpern gegen Kaninchenepithel (Hautschuppen) getestet werden. Wie bei jedem intravenös verabreichten Proteinprodukt können Überempfindlichkeitsreaktionen nicht ausgeschlossen werden; daher müssen die Patienten während des Verabreichungszeitraums engmaschig überwacht werden.



DAZ 2011, Nr. 1, S. 38

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