Arzneimittel und Therapie

Molekulare Targets im Visier der Forschung

Die Zeiten der Zytostatika sind in der Krebsforschung weitgehend vorbei. Vielmehr wird versucht, molekulare Targets auf Tumorzellen zu entdecken und gezielt auszuschalten. Monoklonale Antikörper, etwa gegen den EGF-Rezeptor, haben längst Eingang in die Therapie gefunden. Durch Glycoengineering lassen sich solche Antikörper noch effektiver machen. Im Fokus stehen aber auch Immunzytokine wie Interleukin 2 und die RNA-Interferenzmethode.

Die intensive Forschung in der Onkologie hat zu einem immer besseren und tiefergehenderen Verständnis der einzelnen Tumorerkrankungen geführt, auch auf zellulärer und molekularer Ebene. Nur so war und ist es möglich, immer mehr molekulare Targets aufzuspüren und therapeutisch zu nutzen. "Molekulare Targets sind der Beginn jeglicher Forschungsaktivitäten", so Prof. Dr. Dr. Klaus Strein, Globaler Leiter von Reserach Therapeutic Modalities, Roche Basel. Eingang in die Therapie haben so bereits zahlreiche monoklonale Antikörper als Hemmstoffe von Wachstumsfaktor-Rezeptoren gefunden, die sich beispielsweise gegen EGF-R, Her-2 und IGF-R richten.

Die Hemmung des Wachstumsfaktor-Rezeptors ist allerdings nicht die einzige Wirkungsweise dieser Antikörper. Sie lenken auch Immuneffektor-Zellen, wie natürliche Killerzellen, die selbst keine Antigenspezifität aufweisen, zur Tumorzelle, indem sie über ihre Fc-gamma-Rezeptoren an den Antikörper binden. Tumorzellen können von diesen Immunzellen dann gezielt eliminiert werden. Dieser Effekt wird als antibody dependent cell mediated cytotoxicity, kurz ADCC oder auch antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität bezeichnet.

Effekt durch Glycoengineering verbessern

Die Bindung solcher Immuneffektor-Zellen an den Antikörper lässt sich durch Glycoengineering massiv verstärken. So wird etwa durch die Einführung von N-Acetylglucosamin in die Zuckerkette des Antikörpers der Einbau von Fucose verhindert. Eine afucosylierte Zuckerkette bindet aber viel stärker an den Fc-gamma-Rezeptor von NK-Zellen und verbessert so die antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität. Realisiert wurde das Glycoengineering mit dem monoklonalen Anti-CD20-Antikörper Rituximab. Durch Modifikation der Zuckerkette entstand GA101, das sich durch eine verbesserte Apoptoseinduktion auszeichnet. In einer Phase-I-Studie bei 13 Patienten mit erneut aufgetretener und therapierefraktärer chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) konnte mit GA101 innerhalb von 28 Tagen bei allen Patienten ein Rückgang der Tumormasse zwischen 10 und 90% erreicht werden. Phase-III-Studien sind bereits angelaufen. Eine Zulassung für die CLL sowie für das Non-Hodgkin-Lymphom könnte schon 2012 möglich sein.

IL-2 gezielt an die Tumorzelle bringen

Neben dem Ziel, durch Glycoengineering die ADCC-Wirkung zu erweitern, wird auch am Targeting von Immun-Zytokinen geforscht. Das stark immunstimulierend wirkende Interleukin 2 (IL-2) wird dabei an einen Antikörper gekoppelt, der spezifisch an Tumorzellen bindet. So lassen sich hohe IL-2-Konzentrationen im Bereich der Tumorzellen erreichen. Durch das spezifische Andocken an die Tumorzelle verspricht man sich zudem die Reduktion von Nebenwirkungen. Zumindest in tierexperimentellen Untersuchungen konnte Antikörper-gekoppeltes IL-2 das Tumorvolumen reduzieren, stärker als "normales" IL-2. Bereits im Blick haben die Forscher die Kombination eines an Antikörper gekoppelten IL-2 mit dem biochemisch verändertem Antikörper GA101. Zumindest im Lymphom-Modell war die Kombination den Monosubstanzen in ihrer Wirksamkeit überlegen. Klinische Studien sind geplant.

Protein-Poduktion stoppen

Eine faszinierende Methode, unliebsame Proteine, die das Tumorwachstum ankurbeln, komplett auszuschalten, ist die RNA-Interferenzmethode. Damit lässt sich die m-RNA, die für das Protein kodiert, komplett ausschalten. Das Protein wird einfach nicht mehr produziert. "Damit ist im Prinzip das Ausschalten jedes Targets möglich", so Strein. Doch wie gelangt die notwendige si(short interfering)RNA in die Zielzellen? Dafür sind verschiedene Möglichkeiten in der präklinischen Entwicklung, etwa die Verpackung in Lipid-Nanopartikel oder die Bindung an spezielle Polymere/Biopolymere. Untersucht wird auch, ob sich siRNA an Antikörper binden lässt, die sie zielgerichtet an Tumorzellen bringt, oder auch ob die Bindung an niedermolekulare Wirkstoffe die Aufnahme in die Zelle erleichtert.


Quelle

Prof. Dr. Dr. Klaus Strein, Basel: Fachpressekonferenz "Anforderung an die Forschung und zukünftige Innovationen", Penzberg, 2. September 2010, veranstaltet von der Roche Pharma AG, Grenzach-Whylen.


Apothekerin Dr. Beate Fessler



DAZ 2011, Nr. 1, S. 47

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