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DAZ aktuell
Volumenersatz mit HES in der Kritik
Immer wieder wird die Fachwelt durch Fälschungen wissenschaftlicher Studien erschüttert. So auch Ende Oktober 2010, als die Herausgeber der Zeitschrift Anesthesia&Analgesia eine im Dezember 2009 unter Federführung von Prof. Dr. Joachim Boldt veröffentlichte Arbeit widerrufen mussten. In der Studie war der Einsatz eines modernen HES-Präparates im Rahmen eines kardiopulmonalen Bypass mit dem von Albumin verglichen worden. Die Studie attestierte dem Priming mit HES eine deutliche Überlegenheit.
Keine Daten vorhanden
An den Ergebnissen waren jedoch Zweifel aufgekommen, so dass eine wissenschaftliche Kommission die Studie überprüft hat. Sie konnte keinen Beweis dafür finden, dass die Studie überhaupt durchgeführt worden war. So konnten die Autoren der Studie unter anderem keine Labor- und Patientendaten zur Verfügung stellen. Als Reaktion darauf wurde Boldt, bis dahin noch Chefarzt der Anästhesiologie und Intensivmedizin des Klinikums der Stadt Ludwigshafen, am 25. November 2010 mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthoben.
Eine wissenschaftliche Kommission wurde inzwischen damit beauftragt, die zahlreichen weiteren Publikationen von Boldt zu überprüfen. Nach Angaben der Zeitschrift Spiegel wurden von Boldt etwa 70 Arbeiten zum Einsatz von HES veröffentlicht, die nahezu alle positiv ausgefallen sein sollen. Zumindest eine weitere aus dem Jahr 2002 stammende Studie zum Vergleich eines älteren und eines moderneren HES-Produktes steht im Verdacht, so manipuliert worden zu sein, dass das modernere Produkt besser abgeschnitten hat.
Keine Vorteile, aberpotenzielle Gefahren
Auch die Zeitschrift Anesthesia&Analgesia bemüht sich um Aufarbeitung. Dort kommen in einer soeben veröffentlichten Übersichtsarbeit Autoren um Prof. Dr. Konrad Reinhart, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie am Universitätsklinikum Jena, zu dem Schluss, dass der bevorzugte Einsatz von HES-Produkten zur Behebung eines akuten Volumenmangels bei schwer kranken Patienten nicht durch evidenzbasierte Studien gestützt wird. Synthetische Kolloide wie Dextrane, Gelatine und HES sollen nicht sicherer sein als Albumin. Im Gegenteil: Dosisabhängig steige das Risiko unter anderem für Koagulopathien und Nierenversagen. Bei Patienten mit einer schweren Sepsis scheint HES in höherer Dosierung zudem die Sterblichkeit zu erhöhen. Die Behauptung, dass modernere HES-Präparate der dritten Generation (HES 130/0.4, Voluven®) zu weniger Nebenwirkungen führen, sei unbelegt. Die klinischen Studien mit HES 130/0.4 hätten beträchtliche Mängel. Meist seien sie nicht mit Patienten von Intensiv- oder Notfallstationen durchgeführt worden. Die Beobachtungszeit sei mit 24 bis 48 Stunden zu kurz, die kumulative Dosis zu niedrig gewesen. Zudem seien ungeeignete Vergleichsmedikationen gewählt worden wie andere HES-Produkte oder Gelatine-Präparate. Da es mit kristalloiden Lösungen (0,9% NaCl-Lösung, Ringer-Laktat-Lösung) gleich wirksame, aber sicherere Alternativen zu HES-Präparaten gebe, fordern Reinhart und seine Mitautoren, synthetische Kolloide zu meiden und sie nur im Rahmen klinischer Studien einzusetzen.
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