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Apotheker ersparen der GKV mehr als sie kosten

STUTTGART (diz). Die Apotheke als Kostenfaktor im Gesundheitswesen – diese Behauptung lässt sich nach Auffassung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK) nicht mehr länger aufrecht erhalten. Denn eine von der Kammer in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass die Apotheker dem GKV-System durch ihre Leistungen in der apothekergestützten Selbstmedikation mehr ersparen (nämlich 4,2 Mrd. Euro) als sie das GKV-System kosten (4,18 Mrd. Euro). An der aktuellen Studie, durchgeführt vom Institut für Handelsforschung, Köln (IfH), beteiligten sich 564 baden-württembergische Apotheken. Ausgewertet wurden insgesamt 46.000 Kundenkontakte. Auf einer Pressekonferenz am 18. März stellten Dr. Günter Hanke, Präsident der LAK, Dr. Karsten Diers, Geschäftsführer der LAK, und Dr. Markus Preißner, IfH, die Studie vor.
Rund 90% der Selbstmedikationsanfragen von Patienten eignen sich laut der Studie für die Selbstmedikation.

Zum Thema apothekergestützte Selbstmedikation gibt es nur wenige aussagekräftige Untersuchungen. Beispielsweise ist nicht bekannt, welchen prozentualen Anteil Selbstmedikationsanfragen an der Gesamtzahl der Anfragen in Apotheken einnehmen und in wie vielen dieser Fälle ein Arztbesuch oder eine nichtmedikamentöse Therapie empfohlen wird. Dies war Anlass für die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, eine Studie mit dem Schwerpunkt "apothekergestützte Selbstmedikation" durchführen zu lassen. Die 564 Apotheken, die sich an der Studie beteiligten, mussten 100 aufeinanderfolgende Patientenkontakte protokollieren.

Wie die Auswertung zeigte, war mehr als jede zweite (56,8%) der Patientenanfragen in den teilnehmenden Apotheken auch oder ausschließlich der apothekergestützten Selbstmedikation zuzurechnen. In gut zwei Drittel (69,8%) der Selbstmedikationsanfragen äußerten die Kunden einen konkreten Präparatewunsch. Die verbleibenden Kunden mit Selbstmedikationswunsch (30,2%) schilderten in der Apotheke ihr Krankheitsbild, ohne ein bestimmtes Arzneimittel nachzufragen.

90% der Selbstmedikationsanfragen der Patienten konnten als für die Selbstmedikation geeignet eingestuft werden, 10% wurden als ungeeignet eingestuft. Allein in Baden-Württemberg entspricht dies in absoluten Zahlen 29.000 Patienten täglich (siehe Abb. 1).

Betrachtet man die Altersgruppen, so zeigt sich, dass sich die Nachfrage nach apothekergestützter Selbstmedikation vergleichsweise homogen auf alle Altersgruppen verteilt. Rund zwei Drittel (64,4,%) der Anfragen stammen von bzw. werden für Frauen gestellt. Zu den häufigsten Indikationsbereichen der Selbstmedikation zählten im Untersuchungszeitraum (Sommer 2010)

  • Haut, Schleimhaut, Wundheilung, Nägel (17,6)
  • Husten, Erkältung, Fieber (16,6%)
  • Magen/Darm, Verdauung, Übelkeit (12,2%)
  • Kopfschmerzen (10,1%)
  • Bewegungsschmerzen (9,9%)

Aus der Studie geht des Weiteren hervor, dass gut ein Viertel (27,4%) der Selbstmedikationskunden im Vorfeld des Apothekenbesuchs einen Arzt konsultiert. In 13% der Selbstmedikationsfälle legen die Kunden neben dem Selbstmedikationswunsch auch ein Rx-Rezept vor, in 6,4% der Fälle ein Grünes Rezept. Dieses Ergebnis zeigt, dass die Patienten ergänzend zu der "Medikationsanleitung" ihres Arztes in vielen Fällen zusätzlich das Spezialwissen des Apothekers in Anspruch nehmen. Umgekehrt empfiehlt der Apotheker auch den Arztbesuch: Über 50% der Patienten, denen der Apotheker den Wunsch nach einer Selbstmedikation nicht erfüllen möchte, schickt er zum Arzt – allein in Baden-Württemberg sind dies täglich etwa 15.000 Patienten.

Einsparungen im Gesundheitswesen

Der Apothekenbesuch ersetzt oftmals den Arztbesuch und erspart so dem Gesundheitswesen Ausgaben in beträchtlicher Höhe, wie die Untersuchung berechnete. Um das Einsparvolumen für das Gesundheitswesen zu berechnen, geht die Studie dabei von den folgenden Zahlen aus, die aus den baden-württembergischen Ergebnissen hochgerechnet wurden:

  • Täglich besuchen in Deutschland rund 4 Mio. Menschen eine Apotheke, von denen rund 2,3 Mio. einen Selbstmedikationswunsch haben.

  • 1,6 Mio. Apothekenbesucher pro Tag haben im Vorfeld keinen Arzt konsultiert. Für diese Patienten fungiert die Apotheke als erste Anlaufstelle beim Auftreten von Beschwerden und Krankheitssymptomen.

  • Über 500.000 Selbstmedikationskunden schildern in der Apotheke täglich ihre Symptome bzw. Beschwerden, ohne einen konkreten Präparatewunsch zu äußern (siehe Abb. 2).

Rund 4 Mio. Menschen besuchen täglich in Deutschland eine Apotheke. Rund 2,3 Mio. haben einen Selbstmedikationswunsch.

Die durchschnittlichen Behandlungskosten je Fall belaufen sich für einen in der Allgemeinmedizin tätigen Hausarzt durchschnittlich auf 56,01 Euro (nur Honorarkosten des Arztes, ohne Arzneimittel; Arztreport 2011 der Barmer GEK).

Wird nun die Anzahl der Selbstmedikationsfälle ohne Arztkonsultation im Vorfeld des Apothekenbesuchs mit diesen durchschnittlichen Behandlungskosten bewertet, ergeben sich laut Studie folgende Kostenäquivalente:

Bezogen auf die knapp 1,6 Mio. Selbstmedikationsfälle ohne Arztkonsultation im Vorfeld des Apothekenbesuchs entspricht das berechnete Kostenäquivalent rund 88. Mio. Euro pro Tag. Hochgerechnet auf ein Jahr nimmt das berechnete Kostenäquivalent einen Wert von rund 24,5 Mrd. Euro an.

Bezogen auf die rund 500.000 Selbstmedikationsfälle ohne Arztkonsultation im Vorfeld des Apothekenbesuchs mit ausschließlicher Beschwerde- bzw. Symptomschilderung entspricht das berechnete Kostenäquivalent rund 29 Mio. Euro pro Tag, Hochgerechnet auf ein Jahr nimmt das berechnete Kostenäquivalent einen Wert von knapp 8,2 Mrd. Euro an.

Gemäß einer im Februar 2011 durchgeführten repräsentativen bundesweiten Befragung von 1000 Personen im Alter zwischen 16 und 89 Jahren substituiert im Durchschnitt jedoch nur jede fünfte Selbstmedikationsanfrage in der Apotheke (20%) die Konsultation eines (Haus-)Arztes, d. h., die (Apotheker-Arzt-) Substitutionsquote bzw. -wahrscheinlichkeit beläuft sich auf 20%. Wird diese durchschnittliche Substitutionsquote von 20% auf die rund 1,6 Mio. Apothekenbesucher mit Selbstmedikationswunsch pro Tag, die im Vorfeld des Apothekenbesuchs keinen Arzt konsultiert haben, bezogen, ergibt sich eine Fallzahl von rund 313.000. Bewertet mit den durchschnittlichen Behandlungskosten pro Fall von 56,01 Euro resultiert hieraus ein Kostenäquivalent von 17,5 Mio. Euro pro Tag. Bezogen auf ein Jahr nimmt das so berechnete Kostenäquivalent einen Wert von rund 4,9 Mrd. Euro an. Das bedeutet: Die sich gemäß den berechneten Kostenäquivalenten durch die Substitution von Arztkonsultationen durch Apothekenbesuche ergebende und auf Einsparungen gründende Wertschöpfung der Apotheken in Deutschland liegt unter den getroffenen Annahmen bei mindestens 4,9 Mrd. Euro pro Jahr. Mögliche Folgekosten, die der Apotheker durch seine Intervention häufig verhindert, sind hierbei noch nicht berücksichtigt.

Wird nun der ermittelte Wert von 4,9 Mrd. Euro pro Jahr mit dem Anteil der GKV-Versicherten an der Gesamtzahl der Krankenversicherten gewichtet, ergibt sich ein Betrag von rund 4,2 Mrd. pro Jahr. Dieser Betrag repräsentiert demnach laut Studie die Kosten, die die GKV durch die Substitution von Arztkonsultationen durch Apothekenbesuche einspart. Die Ausgaben der GKV für die Apotheken beliefen sich im Jahr 2009 auf 4,18 Mrd. Euro. Dieser Betrag erfolgte als Honorierung für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Ansonsten verursachen Apotheken keine Kosten für das solidarisch finanzierte GKV-System. Von den genannten 4,18 Mrd. Euro GKV-Mitteln werden in über 21.500 Apotheken in Deutschland nahezu 150.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.

Fazit

Die Apotheker ersparen dem GKV-System durch ihre Leistungen in der apothekergestützten Selbstmedikation mehr (4,2 Mrd. Euro) als sie das GKV-System kosten (4,18 Mrd. Euro). Rechnet man die weiteren Funktionen der Apotheke hinzu wie Abgabe (einschließlich Prüfung und Beratung) von Rx-Arzneimitteln, die sichere Lagerung, die flächendeckende Rund-um-die-Uhr-Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln usw. wird klar, wie LAK-Präsident Hanke herausstellte, dass die Apotheke nicht als Kostentreiber, sondern als treibende Kraft bei der Einsparung bzw. Vermeidung von Kosten im Gesundheitswesen fungiert.



DAZ 2011, Nr. 12, S. 19

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