Arzneimittel und Therapie

Problem: resistente Tuberkuloseerreger

Die Tuberkulose ist längst schon kein Thema mehr, das nur die sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländer betrifft. Auch in Deutschland ist sie nach wie vor ein relevantes Gesundheitsproblem. Dem Robert Koch-Institut wurden nach dem neuen RKI-Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose 2009 insgesamt 4444 Fälle übermittelt, im Jahr 2008 waren es 4512 gewesen. Der Trend ist zwar rückläufig, allerdings verringert sich die Zahl der Betroffenen nicht mehr so schell wie früher. Über ein Drittel der Lungentuberkulosen gehört zur besonders ansteckenden Form.
Grafik: vfa
Neue Wirkstoffe gegen Tuberkulose gesucht Nach langjähriger rückläufiger Entwicklung wurde in Deutschland im Vergleich zu 2008 ein Anstieg der Tuberkulosefallzahlen im Kindesalter beobachtet, der sich auch gemäß den vorläufigen Zahlen für 2010 fortsetzt. Auch steigen tendenziell die Patientenzahlen mit hoch ansteckender Lungentuberkulose. Weil die derzeitige Therapie jedoch mindestens sechs Monate dauert, von vielen unerwünschten Wirkungen begleitet wird und wegen einer Resistenzbildung immer öfter nicht anschlägt, werden dringend neue Wirkstoffe benötigt. 

Weltweit gilt Tuberkulose mit 9,4 Millionen Erkrankungen und 1,7 Millionen Todesfällen pro Jahr als einer der großen Killer der Menschheit. Die Erkrankung überträgt sich leicht durch Tröpfcheninfektionen von Mensch zu Mensch, insbesondere auf engem Raum und bei schlechter Hygiene. Die Erreger sind Mycobakterien, die insbesondere bei unterernährten und immungeschwächten Patienten die Krankheit zum Ausbruch bringen. Tuberkulose ist durch eine monatelange Behandlung mit Antibiotika zwar heilbar. Die Resistenzentwicklung der Erreger gegen gängige Wirkstoffe und die Co-Infektion mit HIV bereitet aber zunehmend Probleme. Vor allem in Asien und Afrika südlich der Sahara wütet der Erreger, den der Berliner Mediziner Robert Koch 1882 entdeckte. Auch in einigen Ländern Osteuropas gilt die Lage als schwierig. In Europa hat sich zwar in den letzten Jahren das Problembewusstsein zur Tuberkulosesituation deutlich geschärft. So wurden schon 2007 im Rahmen der sogenannten Berliner Deklaration Probleme, Handlungsbedarf und Maßnahmen auch auf höchster politischer Ebene anerkannt und formuliert. Doch das ehrgeizige Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO, die Tuberkulosezahlen bis 2015 zu halbieren, wird kaum einzuhalten sein. Das zeigt auch ein Ausbruchsgeschehen 2009 in Norddeutschland, bei dem sich ausgehend von einem einzigen Erkrankungsfall insgesamt 37 Personen mit Tuberkulosebakterien infiziert haben. Die späte Diagnose, häufig erst Monate nach Beginn der Symptome, erhöht das Risiko einer massiven, oft lange unbemerkten Streuung des Erregers. Hinzu kommt, dass es in Deutschland kaum noch Erfahrungen gibt in der Therapie der Erkrankung und vorbeugenden Behandlung.

Vor allem die Tuberkulosediagnostik hat sich in den letzten Jahren im Bereich der molekularbiologischen Diagnostik und Resistenztestung weiterentwickelt. Unter Verwendung dieser Techniken ist es heute möglich, innerhalb von Stunden zuverlässige Aussagen zur Mykobakterienspezies und zum Vorliegen einer Rifampicin-Resistenz sowie je nach Test zu Resistenzen gegenüber weiteren Antituberkulotika zu treffen. Da Verzögerungen in Diagnostik und Therapie die Dauer der Infektiosität verlängert, muss es das Ziel sein, einen kostengünstigen und leicht verfügbaren Point-of-care-Test zu entwickeln. Mit ihm wäre möglich, direkt am Krankenbett einfach, effizient und zuverlässig die Diagnose einer (resistenten) Tuberkulose zu stellen. Nur so kann der weiteren Verbreitung und Entwicklung resistenter Mycobacterien-Stämme wirksam begegnet werden.

Problem Resistenzentwicklung

Der Anteil multiresistenter Stämme (mindestens gleichzeitige Resistenz gegenüber Isoniazid und Rifampicin) ist von 1,6% (49 Fälle) im Jahr 2008 auf 2,1% (63 Fälle) im Jahr 2009 angestiegen und liegt damit wieder auf dem höheren Niveau von 2007. Unter den in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion geborenen Patienten war der Anteil an multiresistenter Tuberkulose mit Abstand am höchsten. Der Anteil von Erregern, die gegen mindestens eines der fünf wichtigsten Erstrangmedikamente resistent sind ("jegliche Resistenz"), zeigt dagegen weiterhin eine leicht rückläufige Tendenz und ist von 11,7% (355 Fälle) im Jahr 2008 auf 11,4% (342 Fälle) gesunken. Bezüglich der Resistenzen besteht ein Zusammenhang mit dem Geburtsland und dem Status der Vorbehandlung. So waren Resistenzen häufiger bei im Ausland geborenen Patienten sowie bei Vorbehandelten zu finden.


Quelle

Epidemiologisches Bulletin Nr. 11 vom 21. März 2011, herausgegeben vom Robert Koch-Institut, Berlin.

Pressemitteilung des vfa, Verband der forschenden Pharma-Unternehmen vom 21. März 2011.


ck

Welttuberkulosetag


"Aktiv gegen Tuberkulose – Strategien im Licht neuer Entwicklungen"

Unter diesem Motto steht der diesjährige Welttuberkulosetag am 24. März. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung innovativer Wirkstoffe. Darauf weist der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen hin. Der vfa hofft, dass einige der Entwicklungen das Potenzial haben, die globalen Kontroll- und Bekämpfungsstrategien deutlich zu verbessern. Das sei auch dringend erforderlich, denn Deutschland ist, trotz langsam rückläufiger Tuberkuloseinzidenz, mit weltweit für 2009 geschätzten 9,4 Millionen Erkrankungsfällen und 1,7 Millionen Todesfällen noch weit von einer Eliminierung der Tuberkulose entfernt. Dies ist vor allem der Resistenzentwicklung und der Koinfektion mit dem HI-Virus geschuldet. In der Entwicklung befindet sich mit Bedaquilinie (Janssen-Cilag, Unternehmensteil Tibotec) ein neuer Wirkstoff, der als Teil einer Arzneimittel-Kombination die Tuberkulosetherapie verbessern soll, insbesondere auch im Fall von multirestenten Erregern (Multidrug-resistant tuberculosis; MDR-TB), bei denen die gängigsten Medikamente nicht mehr greifen. Bedaquilinie befindet sich in derzeit in der Phase II der Entwicklung und hat in der EU den Orphan-drug-Status.

[Quelle: vfa]



DAZ 2011, Nr. 12, S. 46

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