Interpharm 2011

Tipps und Tricks gegen durchwachte Nächte

"Ein medikamentöses Patentrezept für Schlafstörungen kann ich Ihnen nicht anbieten", begann Professor Dr. Klaus Mohr, Bonn, seinen Vortrag. Das stimmte. Aber er hatte eine Vielzahl guter Tipps für Patienten mit Schlafstörungen parat. Sie reichten von der Schlafhygiene über die Stimuluskontroll-Therapie bis hin zu verschiedenen medikamentösen Optionen. Nicht zu vergessen aber ist die Ursachenforschung, in deren Folge oft schnelle Abhilfe möglich ist.
Foto: DAZ/Reimo Schaaf
Prof. Dr. Klaus Mohr

Entscheidend zur Beurteilung einer Schlafstörung ist weniger der Blick auf die Nacht, sondern der Blick auf den Tag. Ist der Patient ausgeruht und beruflich wie sozial leistungsfähig, liegt keine Schlafstörung vor, unabhängig davon, wie lange er nachts geschlafen hat. "Die absolute Schlafdauer ist nicht entscheidend", so Mohr. Wer aber nachts nicht schläft und tagsüber müde ist, hat ein Schlafproblem. Die Palette der Schlafstörungen ist groß. Sie reicht von der Insomnie über die Parasomnie und Störungen des zirkadianen Rhythmus (z. B. Jetlag) bis hin zu schlafbezogenen Bewegungsstörungen (z. B. Restless-legs-Syndrom) und schlafbezogenen Atmungsstörungen (z. B. Apnoe). Aufschluss über die Schlafstörungen gibt, neben einer ausführlichen Anamnese, die Polysomnographie im Schlaflabor. Per Elektroenzephalogramm, Elektrooculogramm und Elektromyogramm des Kinnmuskels wird der Schlaf genauer charakterisiert. Herzfunktion und Atemfunktion werden gemessen und die Motorik festgehalten.

Primäre Insomnie?

Die häufigste Schlafstörung in der erwachsenen Bevölkerung ist die Insomnie mit einer Prävalenz von etwa zehn Prozent. Gerade auch mit Blick auf den Therapieansatz muss zwischen der akuten und chronischen Form, bei der chronischen Form zwischen primären und sekundären Formen unterschieden werden. Bestes Beispiel: das Burn-out-Syndrom. Der Patient ist meist der Meinung, seine Probleme rührten von seiner Schlaflosigkeit. Die aber ist nicht ursächlich, sondern vielmehr der unbefriedigenden Lebenssituation geschuldet. Es handelt sich also um eine sekundäre Insomnie, eine medikamentöse Therapie der Schlafstörung ist nicht indiziert (siehe auch Kasten "Medikamente"). Definiert ist die primäre Insomnie als Ein- oder Durchschlafstörung oder nicht erholsamem Schlaf mit einem negativen Einfluss auf die "Tagesform". Sie muss seit mindestens einem Monat bestehen und mindestens dreimal pro Woche auftreten. Außerdem muss eine psychische oder somatische Krankheit als Ursache ausgeschlossen sein. Lässt sich die Insomnie durch die Beseitigung auslösender Faktoren oder auch eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Maßnahme nicht zufriedenstellend bessern, kommt eine medikamentöse Therapie in Betracht.

Bei Schlafstörungen nach Medikamenten fragen


Bei Patienten, die über Schlafstörungen klagen, sollte nachgefragt werden, ob und welche Medikamente sie einnehmen. Sympathomimetika, etwa Bronchodilatatoren, aber auch MAO-Hemmer und COMT-Hemmer können den Patienten durchaus wach halten. Gleiches gilt für Methylxanthine wie Theophyllin. Auch an Komorbiditäten ist zu denken: Schmerz, Husten, Hyperthyreose oder Manie können den Schlaf erfolgreich verhindern.

Benzos und Z-Substanzen: Cave Fraktur

Für die kurzzeitige Therapie (= 1 Monat) der primären Insomnie werden Benzodiazepine, allen voran Oxazepam, und die sogenannten Z-Substanzen wie Zopiclon oder Zolpidem eingesetzt werden. Obwohl Benzodiazepine und Z-Substanzen strukturell verschieden sind, haben sie den gleichen Wirkmechanismus, nämlich eine positive allosterische Modulation am GABA-A-Rezeptor. Die Hoffnung, dass bei Z-Substanzen bestimmte Nebenwirkungen wie etwa eine Myotonie seltener auftreten, hat sich nicht erfüllt, so Mohr. Hier gebe es keine Unterschiede. Neben dem Hinweis auf das Abhängigkeitsrisiko und Rebound-Effekte sollte in der Beratung betont werden, dass eine auftretende Muskelschwäche zur Gangunsicherheit führt, etwa beim nächtlichen Gang zur Toilette, und dadurch Sturzgefahr und Frakturrisiko steigen.

"Garnierte H1-Antihistaminika"

Ebenfalls geeignet für die kurzzeitige Behandlung der primären Insomnie, und zunehmend häufiger verordnet, sind sedierende Antidepressiva. Sie hemmen die neuronale Rückaufnahme von Noradrenalin und Serotonin oder wirken antagonistisch an Monoamin-Rezeptoren. Die höchste Wirksamkeit aber zeigen sedierende Antidepressiva wie Trimipramin, Amitryptilin oder Trazodon auf den H1-Rezeptor, machte Mohr deutlich. Als "garnierte H1-Antihistaminika" scheinen sie damit ähnlich zu wirken wie H1-Antihistaminika der ersten Generation, sprich Diphenhydramin oder Doxylamin, die ebenfalls als Sedativa eingesetzt werden. Kein durchschlagender Effekt lässt sich aus Sicht von Mohr mit Melatoninrezeptoragonisten erreichen. Nur jeder Neunte profitiert von der Therapie, erläuterte er mit Verweis auf Studienergebnisse. Zugelassen ist der Wirkstoff bei primärer Insomnie jenseits des 55. Lebensjahrs. Die Nebenwirkungen sind eher unspezifisch mit Kopfschmerzen, Rücken- und Gelenkschmerzen.

Stimuluskontroll-Therapie statt Baldrian

Kein grünes Licht gab Mohr für Baldrianextrakte. Aufgrund der Datenlage kann keine Empfehlung zum Einsatz bei Insomnie gegeben werden. Nicht auszuschließen ist ein Placeboeffekt. "Aber das ist nur die zweitbeste Lösung." Besser sei es, die Schlafstörung aus eigener Kraft zu überwinden. Neben der Schlafhygiene (siehe Kasten "Schlafhygiene") kann dabei eine Stimuluskontroll-Therapie helfen: Der Patient geht nur ins Bett, wenn er schläfrig ist. Schläft er nicht innerhalb von 20 Minuten ein, steht er wieder auf und nimmt eine entspannende Tätigkeit auf. Bei Müdigkeit geht er wieder ins Bett – und das Ganze beginnt von vorn.

Mit Schlafhygiene gegen Schlafstörungen


Manchmal kann es bei Schlafstörungen genügen, die eigene Lebensweise umzustellen, um wieder ausreichenden Schlaf zu finden. Mohr gab zur Schlafhygiene folgende Tipps, die sicher nicht immer ganz einfach umzusetzen sind:

  • Kein koffeinhaltiges Getränk nach dem Mittagessen

  • Keine Appetitzügler

  • Keine schweren Mahlzeiten am Abend

  • Alkohol weitestgehend vermeiden und keinesfalls als Schlafmittel nutzen

  • Regelmäßige körperliche Aktivität

  • Ausklingen geistiger oder körperlicher Anstrengung vor dem Zubettgehen

  • Persönliches Einschlafritual entwickeln

  • Im Schlafzimmer eine angenehme Atmosphäre schaffen

  • Nachts nicht auf die Uhr sehen

Dopaminergikum gegen RLS

Wenn quälender Bewegungsdrang der Beine in Ruhe und besonders abends oder nachts auftritt und den Patienten regelrecht aus dem Bett treibt, ist ein Restless-legs-Syndrom wahrscheinlich. Wirksam behandeln lässt es sich mit dopaminergen Substanzen, von denen Pramipexol, Ropinirol, Rotigotin und L-Dopa/Benserazid für diese Indikation zugelassen sind. "Die Verordnung eines Dopaminergikums muss also nicht immer einen Morbus Parkinson bedeuten, sondern kann auch ein RLS sein", so Mohr.

Narkolepsie: Störung im Orexin-System

Als besondere Form der Hypersomnie betonte Mohr die Narkolepsie, bei der der Patient plötzlich zusammensackt. Schuld daran ist eine Störung im Orexin-System. Dabei kann entweder ein Mangel an Orexin, einem schlafhemmenden Neuropeptid, vorliegen oder ein Defekt des Orexinrezeptors. Je nach Symptomatik kommen verschiedene Wirkstoffe infrage: Modafinil gegen Tagesschläfrigkeit, Clomipramin gegen Kataplexie und Natriumoxybat bei gestörtem Nachtschlaf, Tagesschläfrigkeit und Kataplexie.


bf



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DAZ 2011, Nr. 14, S. 80

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