Fortbildung

Die Nebennieren – kleine Drüsen mit großer Bedeutung

Die Nebennieren sind kleine, auf den Nieren aufsitzende Drüsen, die lebenswichtige Hormone produzieren. Dank moderner diagnostischer Verfahren sowie neuentwickelter Therapiemöglichkeiten sind Störungen der Nebennierenfunktion heute leichter zu erkennen und zunehmend besser behandelbar.
Grafikbild: arsdigital.de – Fotolia.com
Die Nebennieren sind paarig wie die Nieren und liegen über ihnen. Der lateinische Terminus "adrenalis" (neben der Niere) wurde inzwischen in "suprarenalis" (über der Niere) geändert. 

Anatomie

Die Nebenniere (Glandula suprarenalis, lat.: über der Niere liegende Drüse) ist ein Nachbarorgan der Niere und mit dieser jeweils in eine Fettkapsel (Capsula adiposa renis) und Bindegewebe (Fascis renis) eingeschlossen. Sie wiegt etwa 10 g; zwischen 80 und 90% davon entfallen auf die Nebennierenrinde (Cortex glandulae suprarenalis), der Rest auf das Nebennierenmark (Medulla glandulae suprarenalis). Die Nebennierenrinde besteht aus drei ohne scharfe Grenzen ineinander übergehenden Zonen: der Zona glomerulosa, der Zona fasciculata und der Zona reticularis.

Produktionsorte von Mineralo- und Glucocorticoiden

In der äußeren Rindenschicht, der Zona glomerulosa, werden aus Cholesterol über Zwischenstufen wie Pregnenolon und Progesteron die Mineralocorticoide synthetisiert. Das physiologisch wichtigste von ihnen ist Aldosteron; daneben sezernieren die Nebennieren auch dessen deutlich schwächer wirksame Vorstufe Cortexon. Mineralocorticoide spielen eine zentrale Rolle bei der Regulation des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts des Organismus.

In der Zona fasciculata und der Zona reticularis findet die Synthese der Glucocorticoide statt. Der Syntheseweg verläuft vom Progesteron über das 17α-Hydroxyprogesteron und 17α-Hydroxycortexon zum Cortisol (Hydrocortison), dem physiologisch wichtigsten Glucocorticoid. Die Nebenniere eines gesunden Erwachsenen sezerniert täglich zwischen 15 und 60 mg Cortisol, in Stresssituationen bis zu 240 mg pro Tag. Die Cortisol-Synthese unterliegt einem zirkadianen Rhythmus: Die maximale Sekretion erfolgt zwischen 6 und 9 Uhr morgens, das Konzentrations-Minimum wird gegen Mitternacht erreicht.

Die Glucocorticoide besitzen zahlreiche Funktionen im Kohlenhydrat-, Eiweiß und Fettstoffwechsel sowie bei der Bewältigung von Belastungssituationen des Organismus.

… und weiteren Hormonen

In der Zona reticularis werden außerdem in geringer Menge Androgene (z. B. Dehydroepiandrosteron, DHEA) gebildet. Für den Mann ist die in der Nebennierenrinde produzierte Menge jedoch von untergeordneter Bedeutung, da die Androgenproduktion hauptsächlich in den Hoden stattfindet.

Im Nebennierenmark werden aus Tyrosin über Dihydroxyphenylalanin (DOPA) die Catecholamine Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin synthetisiert. Sie werden auch als Stresshormone bezeichnet, da ihre zahlreichen Wirkungen (z. B. Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz, Erweiterung der Atemwege, Einschränkung der Darmtätigkeit) den Organismus zum Umgang mit Belastungssituationen befähigen sollen.

Funktionsstörungen der Nebennieren

Funktionsstörungen der Nebennieren lassen sich in Über- und Unterfunktionen einteilen. Die Ursachen sind vielfältig; bei einer Überfunktion ist häufig ein hormonproduzierender Tumor die Ursache.

Bei etwa ein bis zwei Prozent der deutschen Bevölkerung wird pro Jahr durch bildgebende Verfahren zufällig ein Knoten in der Nebenniere, ein sogenanntes Inzidentalom, entdeckt. In etwa 5% der Fälle handelt es sich dabei um ein Nebennierenkarzinom, das eine ungünstige Prognose hat: Nach einem Jahr leben in der Regel nur noch 50% der Betroffenen. Bei einer Knotengröße unter 5 cm sowie bei endokrin inaktiven Knoten besteht in der Regel keine Indikation für eine chirurgische Entfernung. In diesem Fall werden die Größe und das Hormonmuster regelmäßig kontrolliert.

Das einzige derzeit zugelassene Medikament zur Behandlung des Nebennierenkarzinoms ist Lysodren® (Wirkstoff: Mitotan). Patienten profitieren sowohl von einer direkten als auch einer adjuvanten Gabe. In absehbarer Zeit wird die Auswertung der internationalen FIRM-ACT-Studie erwartet, die beim Nebennierenkarzinom zwei Chemotherapien miteinander verglichen hat: Streptozotocin und Mitotan mit einer Kombination aus Cisplatin, Etoposid, Doxorubicin und Mitotan.

Überfunktion

Primärer Hyperaldosteronismus

Der primäre Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom) ist definiert als eine vermehrte Aldosteronproduktion, die entweder durch ein Aldosteron-produzierendes Adenom der Nebennierenrinde oder durch eine idiopathische bilaterale Nebennierenhyperplasie bedingt sein kann. Beim sekundären Hyperaldosteronismus dagegen besteht keine endokrine Ursache; hier beruht die erhöhte Aldosteronproduktion auf einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems.

Leitsymptome des primären Hyperaldosteronismus sind Hypertonie und Hypokaliämie. Studien zufolge werden in Deutschland zahlreiche Patienten wegen eines Bluthochdrucks behandelt, obwohl sie eigentlich an einer Hyperaldosteronämie leiden; so betrug die Prävalenz des primären Hyperaldosteronismus bei therapieresistenten Hypertonikern bis zu 32%.

Ein einseitiges Nebennierenrinden-Adenom kann heute minimal-invasiv operiert werden. Patienten, bei denen beide Nebennieren zu viel Aldosteron produzieren, werden medikamentös behandelt. Standardtherapie ist der Mineralocorticoidrezeptor-Antagonist Spironolacton. Zu den Nebenwirkungen einer solchen Langzeitbehandlung, die die Anwendung einschränken können, zählen Gynäkomastie bei Männern, Hyperkaliämie und Nierenfunktionsstörung. Eine Alternative wäre der spezifische Mineralocorticoidrezeptor-Antagonist Eplerenon, der allerdings in Deutschland für diese Indikation noch nicht zugelassen ist.

In der Pipeline befinden sich derzeit der selektive, nichtsteroidale Mineralocorticoidrezeptor-Antagonist BR-4628 sowie zwei Aldosteronsynthase-Blocker (FAD-286, LCI-699).


Hyperkortisolismus/Cushing-Syndrom

Beim Hyperkortisolismus unterscheidet man

  • den Morbus Cushing (häufigste Form), bei dem ein Tumor in der Hypophyse vermehrt ACTH freisetzt,

  • das Cushing-Syndrom, bei dem ein Nebennierenrindentumor vorliegt (ca. 20% der Patienten), und

  • die Symptomatik aufgrund von Tumoren mit ektoper ACTH-Bildung (z. B. in der Lunge).

Erkennbar ist der Hyperkortisolismus am cushingoiden Habitus, d. h. zahlreichen auffälligen Merkmalen wie Stammfettsucht, großes, rundes, gerötetes Gesicht und rote Streifen auf der Haut. Diagnostisch lässt sich die Störung durch biochemische Tests wie die Bestimmung des Cortisol-Tagesprofils im Speichel sichern. Ist eine chirurgische Entfernung der Cortisol-Quelle nicht möglich, werden Wirkstoffe – zum Teil off label – zur Hemmung der Produktion von Cortisol in den Nebennieren eingesetzt. Dazu zählen Etomidat, Ketoconazol und Mitotan.

Foto: U. Kubisch
Hirsutismus oder Damenbart. Er weist bei Frauen auf ein Androgenitales Syndrom (AGS) hin.

Androgenitales Syndrom

Eine Überproduktion von Androgenen in der Nebennierenrinde wird als Androgenitales Syndrom (AGS) bezeichnet. Es kann angeboren oder erworben sein. Bei der erworbenen Form sind Tumoren der Nebennierenrinde, die verstärkt Androgene bilden, die Ursache. Der angeborenen Form liegen erbliche Enzymdefekte (vor allem der 21-Hydroxylase) zugrunde. Dadurch kommt es zur Störung der Geschlechtsentwicklung im Kindesalter. Ein AGS ist mit endokrinologischen Tests gut diagnostizierbar.

Wesentlich häufiger treten die späten (Late-onset-) Formen des AGS auf, die bei Frauen mit Zyklusstörungen und Hirsutismus einhergehen.

Ein AGS ist medikamentös gut therapierbar. Mittel der Wahl ist bei Kindern Hydrocortison; nach Abschluss des Längenwachstums kommen auch Prednison, Prednisolon oder Dexamethason sowie das Antiandrogen Cyproteronacetat zum Einsatz.


Phäochromozytom

Das Phäochromozytom ist selten. Ursache ist ein meist gutartigen Tumor des Nebennierenmarks, der übermäßig Catecholamine produziert. Die klassische Symptom-Trias ist Kopfschmerzen, Schwitzen und Hypertonie; daneben können unspezifische Beschwerden und Herzrasen auftreten.

Bei Verdacht auf ein Phäochromozytom wird zunächst der Einsatz von biochemischen Screening-Tests zur Bestimmung der Catecholamine und deren Abbauprodukte (Metanephrine, Normethanephrine) im Urin empfohlen. Bei positivem biochemischem Nachweis schließen sich bildgebende Nachweisverfahren (CT, MRT) an.

Dieser Tumor lässt sich häufig endoskopisch entfernen; alternativ wird eine medikamentöse Therapie mit α-Rezeptorenblockern durchgeführt.

Unterfunktion

Ursache einer Nebennierenrindeninsuffizienz, bei der ein Mangel an Nebennierenrindenhormonen besteht, ist häufig eine Autoimmunreaktion. Auch Infektionen (Tuberkulose), genetische Störungen, Metastasen oder Arzneimittel (z. B. Langzeitbehandlung mit Glucocorticoiden) kommen als Ursachen infrage.

Die primäre Form wird als Morbus Addison bezeichnet, bei dem eine Vielzahl von Symptomen zu beobachten ist (z. B. Schwindel, Schwäche, Muskelschwund, Salzhunger, Hypotonie). Typisches äußeres Zeichen ist eine Braunfärbung der Handlinien sowie weiterer Hautareale, die auf einer erhöhten Ausschüttung von Proopiomelanocortin beruht.

Die Behandlung erfolgt mit Hydrocortison, Fludrocortison, auch Prednisolon. Therapieziele bei der Nebennierenrindeninsuffizienz sind vor allem eine normale Lebenserwartung und eine gute Lebensqualität. Die Betroffenen sollten einen Notfallausweis sowie eine Notfallmedikation (z. B. Rectodelt®-Zäpfchen, Prednison) mit sich führen.


Quellen

PD Dr. Marcus Quinkler, Berlin: Erkrankungen der Nebenniere und Therapieoptionen. Vortrag auf dem 15. Fortbildungstag der Apothekerkammer Berlin: "Hormone – kleine Dosis, große Wirkung?" am 20. März 2011 in Berlin.

Mutschler E, et al. Arzneimittelwirkungen. 9. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2008.

Androgenitales Syndrom. Leitlinie der Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ) et al., AWMF-Leitlinien-Register Nr. 027/047, www.awmf-leitlinien.net.

Fischer E, et al. Dtsch Med Wochenschr 136:537– 540 (2011).


Autorin

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2011, Nr. 15, S. 68

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