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Apotheke 2011: Die Apotheke im Drogeriemarkt

Peter Ditzel

Pick up etabliert sich. Pick up wird zur Apotheke im Drogeriemarkt. Die Europa-Apotheek Venlo (EAV) startet in dieser Woche eine neue Offensive gegen die deutschen Apotheken: Mit einem Fernsehwerbespot preist sich die EAV den Zuschauern an als "Apotheke im dm". "Die Apotheke im dm-Markt ist die Versandapotheke Europa Apotheek Venlo (Apotheke im dm-Markt)", heißt es auf der hierfür eigens eingerichteten neuen Internetseite "www.apotheke-im-dm.de". Und sie lockt mit Gutscheinen und Rabatten, die einer deutschen Apotheke verwehrt sind: Einen Fünf-Euro-Gutschein zur Begrüßung erhält der EAV-Kunde beim Einkauf rezeptfreier Produkte, einen Rezeptbonus von 2,50 bis 15 Euro pro Medikament bei jeder Rezeptbestellung. Dem Kunden wird vorgerechnet, dass er bei Arzneimitteln, die er regelmäßig einnehmen muss wie beispielsweise Blutdrucksenker, bis zu 150 Euro im Jahr sparen kann. Und bei Medikamenten, die der Kunde selbst zahlen muss wie beispielsweise die Pille, gewährt die Europa-Apotheek generell zehn Prozent Rabatt. Das können für den einen oder anderen Kunden und Patienten verlockende Angebote sein. Eine deutsche Präsenzapotheke kann und vor allem darf diese Vorteile nicht gewähren.

Mit diesem Marketing-Coup der Apotheke im Drogeriemarkt dürfte dm seinen Kunden suggerieren, dass sich die Grenze zwischen einer Apotheke und einem Drogeriemarkt immer mehr auflöst, ja, dass es sie praktisch nicht mehr gibt. Es soll für den Kunden selbstverständlich werden, wenn er Arzneimittel aus der Apotheke benötigt, an den Drogeriemarkt dm zu denken, in dem er auch eine "Apotheke" findet. Boni, Nachlässe auf die Rezeptgebühr und eine Ersparnis bei Arzneimitteln bis zu 50 Prozent sollen dem Kunden die Erinnerung an dm und seine Apotheke erleichtern.

Nachträglich noch ein Dankeschön an Ulla Schmidt für die Zulassung des Versandhandels und ein ebensolches Dankeschön an die noch amtierende schwarz-gelbe Bundesregierung, die sich zwar vollmundig in ihrem Koalitionsvertrag die Abschaffung von Pick-up-Stellen vorgenommen, aber nicht den Mut hatte, dieses Vorhaben in die Praxis umzusetzen. Sie kuschte vor Meinungsäußerungen aus dem Innen- und Justizministerium und meint, ein Verbot könne vor dem Gericht nicht bestehen.

Liebe Politikerinnen und Politiker: Die Institution Apotheke wird mit dem Vorstoß von dm auf einen "Pharma-Punkt" reduziert, ein kleines Stehpult, an dem der Kunde sein Rezept eintütet, einen Bestellzettel für seine OTC-Arzneimittel ausfüllt und wo er sich nach zwei Tagen seine bestellten Arzneimittel von den 400-Euro-Kräften des dm-Markts aushändigen lässt wie seine bestellten Fotoabzüge. Das ist Apotheke 2011. Der Kunde erhält definitiv keine aktive Beratung, weder bei der Rezeptabgabe noch bei der Abholung. Nur ein unscheinbarer Alibihinweis könnte ihn auf die Idee bringen, dass eine telefonische Beratung möglich ist. Aber welcher Kunde macht das?

Halten wir fest: Die Politik, unsere Bundesregierung, hat dem Verbot von Pick-up-Stellen eine Absage erteilt. Bedeutet das im Umkehrschluss, diese Form der "Apotheke", wie sie nun dm und die niederländische Versandapotheke praktizieren, wird als rechtens und geeignet angesehen, die Bevölkerung mit Arzneimitteln zu versorgen und die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten? Man akzeptiert es, dass deutsche Präsenzapotheken mit niederländischen Versandapotheken und solchen Marketingkonzepten wie die "Apotheke im dm" im Wettbewerb stehen – trotz ungleicher Voraussetzungen. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis auch Schlecker, Rossmann und Müller ihre "Apotheken" in ihren Filialen einrichten werden.

Können das Politik und Justiz wirklich wollen? Wie passen solche als Apotheke im Drogeriemarkt bezeichneten Pick-up-Stellen zum Positionspapier der Apothekenbetriebsordnung, mit dem sich andeutet, dass eine novellierte Apothekenbetriebsordnung Klarstellungen und Präzisierungen der Verpflichtung zur Information und Beratung enthalten wird? Nur ein Zitat aus dem Positionspapier: "Vor dem Hintergrund der heute verfügbaren Anzahl hochwirksamer Arzneimittel ist eine Beratung in der Apotheke über Wirkungen, Nebenwirkungen sowie etwaige Wechselwirkungen von Arzneimitteln untereinander oder zu Lebensmitteln von großer Bedeutung. Die Beratung ist deshalb weiterhin eine der Kernaufgaben der Apotheken und soll mit der Novelle noch deutlicher als bislang hervorgehoben werden." Nochmal: Wie passen diese prinzipiell guten Ansätze zum "Apotheke im Drogeriemarkt"-Konzept?

Ich gehe davon aus, dass die deutschen Apothekerinnen und Apotheker gerne noch ein wenig auf eine neue Apothekenbetriebsordnung warten würden, wenn sie denn einen vernünftigen Ansatz enthielte, Pick-up-Stellen wegzubekommen. Aber Ansätze wie erhöhte Anforderungen an Pick-up-Stellen, eine Beratungspflicht für Pick-up-Stellen oder pharmazeutisches Personal in dm-Märkten – das verstehen wir nicht darunter.


Peter Ditzel



DAZ 2011, Nr. 17, S. 3

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