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Arzneimittel und Therapie
Lopinavir verstärkt Abwehr gegen HPV-infizierte Zellen
Das Zervixkarzinom ist weltweit der zweithäufigste bösartige Tumor bei Frauen, im Jahr 2008 waren etwa 500.000 Frauen erkrankt, über 275.000 starben daran. In Deutschland erkranken über 6000 Frauen jährlich neu an Gebärmutterhalskrebs, wovon in der Folge rund 1800 sterben. Etwa 70% der Gebärmutterhalskarzinome werden von den humanen Papillomaviren (HPV) verursacht. Die meisten der fast 200 bekannten unterschiedlichen Typen sind für den Menschen relativ harmlos, können aber unangenehme Feigwarzen im Genitalbereich verursachen. Bei 2 bis 8% der HPV-infizierten Frauen kommt es zu Zellveränderungen, die ein Vorstadium für eine Krebserkrankung darstellen. Für die Entwicklung von Zervixkarzinomen werden vor allem die Typen HPV-16 und HPV-18 verantwortlich gemacht.
Natürliche antivirale Abwehr des Körpers aktiviert
Der HIV-Proteaseinhibitor Lopinavir hemmt die Weiterverarbeitung der durch das HI-Virus neu gebildeten viralen Vorläuferproteine zu funktionstüchtigen Strukturproteinen und Enzymen und damit die Virusvermehrung. Zum Wirkmechanismus wurden von Wissenschaftlern der Universität Manchester Untersuchungen an Zellkulturen mit zervikalen SiHa-Karzinomzellen durchgeführt. Bevor es zur Entwicklung entarteter Krebszellen kam, wurden mit humanen Papillomaviren infizierte Zellen im Gegensatz zu gesunden Zellen durch das Virustatikum abgetötet. Durch das Virustatikum wurde die durch die Papillomaviren gehemmte Produktion des Enzyms Ribonuklease L (RNASEL), das der Virenabwehr dient, hochreguliert. Auf diese Weise verstärkt der Wirkstoff Lopinavir die natürliche Virusabwehr von Zellen, die mit Papillomaviren infiziert sind.
Selektive Toxizität beobachtet
Auch eine selektive Toxizität von Lopinavir gegen durch die viralen Gene E6 und E7 immortalisierte Keratinozyten im Vergleich zu Kontrollzellen konnte beobachtet werden. Die kontinuierliche Expression dieser Gene spielt offensichtlich eine wichtige Rolle bei der malignen Konversion von HPV-infizierten Zellen.
Grenzen der Impfung
Es gibt zwar bereits eine Impfung gegen humane Papillomaviren, diese schützt allerdings nicht vor allen krebsauslösenden HPV-Typen und ist außerdem bei bereits infizierten Zellen meist nicht mehr wirksam. Für eine erfolgreiche Lopinavir-Applikation stellt sich ein ähnliches Problem wie bei der HIV-Medikation. Bei einer oralen Verabreichung sind die Konzentrationen des Virustatikums etwa 10- bis 15-fach zu gering. Die Autoren schlagen für weitere Studien die lokale Anwendung als Creme oder Pessar vor. Möglicherweise ist – wie im Falle der Behandlung von HIV-Infektionen – jedoch auch eine Wirkstoffkombination mit einem zusätzlichen antiviralen Präparat erfolgreich.
Quelle
Dr. Hans-Peter Hanssen
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