Niedersächsischer Apothekertag

Vorsicht Rezepturfallen!

Eine Ausnahme unter den sonst eher pharmakologisch orientierten Fachvorträgen beim Niedersächsischen Apothekertag bot Prof. Dr. Hartwig Steckel, Kiel, der vor Rezepturfallen warnte. Die Rezeptur sieht Steckel als Alleinstellungsmerkmal der Apotheke. Das Ziel müsse sein, qualitativ einwandfreie, stabile und homogene Produkte mit richtigem Gehalt herzustellen.

Foto: DAZ/tmb
Hartwig Steckel

Überprüfungen von Behörden und Ringversuche zeigen teilweise erhebliche Mängel der Apothekenrezeptur auf. Um diese zu vermeiden, riet Steckel zur Orientierung an der diesbezüglichen Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung. Weitere wichtige Hilfsmittel seien diverse Tabellen im NRF und die Wirkstoffdossiers der Gesellschaft für Dermopharmazie. An erster Stelle stehe die Plausibilitätsprüfung. "Die Rezeptur beginnt im Kopf", so Steckel. Die Rezeptur sollte hinsichtlich obsoleter Substanzen, Überschreitung der Richtkonzentrationen und offensichtlicher Inkompatibilitäten geprüft werden. Manifeste Inkompatibilitäten, vorzugsweise durch Löslichkeitsänderungen, pH-Wert-Verschiebungen und Ionen-Reaktionen, treten sofort bei der Herstellung auf. Dagegen wirken sich larvierte Inkompatibilitäten erst später aus. Typisch sind ionische Inkompatibilitäten, die Emulsionen brechen lassen, und Einflüsse auf Konservierungsmittel durch Komplexierung oder das Abwandern aus der Wasserphase, die die Wirkung der Konservierung beeinträchtigen. Aufgrund von Inkompatibilitäten können einige Wirkstoffe grundsätzlich nicht gemeinsam verarbeitet werden. So sind beispielsweise die pH-Optima von Clotrimazol oder Harnstoff nicht zu erreichen, wenn Salicylsäure in der gleichen wasserhaltigen Zubereitung enthalten ist.

Apotheker sind für die einwandfreie Herstellung verantwortlich und müssen daher hinterfragen, ob und welche Konservierung erforderlich ist. Das gelte auch, wenn keine Konservierung verordnet ist, denn der Arzt habe dazu oft gar keine Meinung. Wenn der Arzt hingegen ausdrücklich eine Konservierung ablehnt, müsse die Aufbrauchfrist entsprechend festgelegt werden.

Rezepturen, die Antibiotika enthalten, sind damit keineswegs automatisch konserviert, warnte Steckel, denn Antibiotika wirken typischerweise nicht gegen Pilze und Hefen. Steckel riet, in jeder Apotheke sollten drei oder vier Standardkonservierungsmittel definiert werden – dies reiche für die meisten Fälle aus.

Typische Fehlerquellen

Als typische Fehlerquelle nannte Steckel die Einwaage. Oft müsse eine Analysenwaage verwendet werden. Bei einigen Stoffen ist eine beträchtliche Einwaagekorrektur aufgrund des tatsächlichen Gehalts der Trockensubstanz und des zusätzlichen Wassergehaltes erforderlich. Dies sollte schon beim Wareneingang auf dem Gefäß vermerkt werden. Besonders problematisch sei die Herstellung von Kapseln mit geringer Wirkstoffkonzentration aus zerkleinerten Tabletten. Der Wirkstoff kann zu einem beträchtlichen Teil in der Reibschale hängen bleiben, zudem würden Filmtabletten beim Zerreiben oft schmieren. Die Reibschale müsse daher vorher sorgfältig mit der Trägersubstanz ausgerieben werden.

Oft wird fehlerhaft etikettiert. Konservierungsmittel müssen nach Art und Menge bezeichnet werden. Warnhinweise zu physikalischen Gefahren müssen angegeben werden, nicht hingegen andere Warnsignale wie das Totenkopfsymbol. Die Aufbrauchfrist sollte in einer Apotheke nach einheitlichen Regeln ermittelt werden. Rezeptursubstanzen dürfen in der Rezeptur bis zum letzten Tag ihrer Verwendbarkeitsfrist verarbeitet werden, erklärte Steckel, denn die Fristen beziehen sich auf den Gehalt des Stoffes. Für das hergestellte Arzneimittel werden neue Aufbrauchfristen ermittelt. Dagegen umfasst die Verwendbarkeitsangabe auf fertig gekauften Zubereitungen (Rezepturgrundlagen) auch die Aufbrauchfrist beim Patienten.

Neue Wege

Mit Blick auf die in der neuen Apothekenbetriebsordnung möglicherweise geforderte Dokumentation einzelner Rezepturen schlug Steckel eine praktikable Umsetzung vor: Das Rezept könne auf eine DIN-A4-Seite kopiert werden. Dort sollten das Herstellungsdatum, die herstellende Person, Besonderheiten und die Endkontrolle dokumentiert werden. Außerdem könnten die Chargen der Ausgangsstoffe, Ist-Einwaagen, die Verpackung und eine Kopie des Etikettes angegeben werden. Für weitergehende Dokumentationen bestünden Softwareangebote.

Viele Rezepturprobleme könnten vermieden werden, wenn mehr standardisierte Rezepturen verordnet würden. Das NRF biete fast immer eine Lösung oder einen Lösungsansatz, meinte Steckel. Wenn verordnete Rezepturen geändert werden müssten, sollten Apotheker dem Arzt stets eine Alternative anbieten. Sie sollten sich als Rezepturspezialist und nicht als "Meckerapotheker" präsentieren. Apotheker seien dafür verantwortlich, bedenkliche und obsolete Rezepturen zu verhindern. Allerdings sollten Apotheker sich nicht "übereifrig" in die Therapie der Ärzte einmischen, erklärte Steckel.

In der Diskussion regte Kammerpräsidentin Magdalene Linz die Zusammenarbeit mit Dermatologen in der Medizinerausbildung an. Interdisziplinäre Seminare könnten bei angehenden Dermatologen das Wissen über die Rezeptur verbessern.

tmb

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DAZ 2011, Nr. 20, S. 64

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