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Kassen machen Tempo – Nadelöhr Passbild

DÜSSELDORF (dpa). Nimmt das Datensammelprojekt "elektronische Gesundheitskarte" nun Gestalt an? Bis Ende des Jahres soll sie zumindest an jeden zehnten der 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten verteilt sein. Im August werden Hunderttausende Versicherte der AOK Post in ihren Briefkästen finden. Allein in der Region Nordrhein bittet die AOK Rheinland/Hamburg 300.000 Mitglieder um ein Foto – und hofft, dass sie diese binnen weniger Wochen eingesammelt hat.
Foto: BMG
Ist das zu schaffen? Bis Jahresende soll jeder Zehnte der 70 Mio. GKV-Versicherten eine elektronische Gesundheitskarte besitzen. Scheitern könnte das an der Beschaffung von Passbildern.

Denn bis Ende des Jahres müssen bundesweit zehn Prozent aller 70 Millionen gesetzlich Versicherten mit der neuen elektronischen Gesundheitskarte ausgestattet sein. Und die muss ein Lichtbild haben. Das hatte die schwarz-gelbe Koalition vergangenes Jahr per Gesetz beschlossen, nachdem das Milliarden-IT-Projekt über Jahre nur im Schneckentempo vorankam. Allein die AOK muss bundesweit bis Ende des Jahres 2,4 Millionen Versicherte mit der neuen Chipkarte versorgen.

"Das schaffen wir", ist sich Günter Wältermann, stellvertretender Vorstandschef der AOK Rheinland/Hamburg, sicher. Die für die Region Nordrhein notwendigen 300.000 Karten könnten innerhalb eines Monats produziert werden. Bisher waren nur 25.000 Kärtchen gedruckt worden. Optimismus auch bei den Technikern, die bis Ende Dezember bundesweit rund 780.000 Versicherten die Karte schicken muss – nur 5000 wurden bisher verteilt. Erfüllt eine Kasse die Zehn-Prozent-Quote nicht, drohen ihr Strafzahlungen.

"Das Nadelöhr ist, dass der Versicherte ein Bild abgeben muss", sagt Wältermann. Man müsse die Menschen "davon überzeugen mitzuwirken". Bei der AOK kann das Bild per Post oder Internet geschickt oder in einem Fotoautomaten in den Geschäftsstellen gemacht werden. Was aber, wenn ein Versicherter sich weigert, ein Foto abzugeben? Dann bekommt er auch keine Karte, und das bringe ihm "Unannehmlichkeiten", sagt Wältermann. "Er hat aber trotzdem Leistungsanspruch."

In der Ärzteschaft gibt es weiterhin Sicherheitsbedenken. Bundesweit können sich Ärzte noch bis zum 30. September ohne Zusatzkosten mit dem notwendigen neuen Kartenlesegerät ausstatten. "Die Akzeptanz ist in den Bundesländern unterschiedlich", sagt Wältermann. "Einige Ärzte machen sehr stark mit, andere weniger." Ab 2013 sollen die Kassen nur noch die neue E-Card ausliefern. Flächendeckend kann sie aber nur eingesetzt werden, wenn die Ärzte auch das Lesegerät haben.

Noch kann die Karte eigentlich nichts. Sie enthält neben Foto und EU-Krankenschein nur die Stammdaten der Versicherten – alles offline. In einem ersten Schritt sollen die Stammdaten etwa bei einem Umzug online geändert werden. Wann es so weit ist, weiß niemand. Zunächst soll das in der Region Nordrhein wieder mal getestet werden.

Später sollen der elektronische Arztbrief und die Patientenakte hinzukommen. Das werde aber wohl erst in zwei bis drei Jahren funktionieren, meint Wältermann. Auch das elektronische Rezept wurde zurückgestellt. Außer den Speichern für Notfalldaten zur Blutgruppe oder Allergien kommen alle Anwendungen online zum Einsatz – und nur mit Zustimmung des Versicherten.

Mehr als 200.000 Ärzte, 21.400 Apotheken und mehr als 2000 Krankenhäuser sowie Kassen und Versicherte sollen künftig über das neue Gesundheitsnetz miteinander verbunden sein. Teile der Ärzteschaft hätten die Diskussion um die Datensicherheit der Gesundheitskarte "hochstilisiert", meint Wältermann. Niemand habe ja auch bisher ein Problem damit gehabt, dass jeden Monat die Abrechnungen aller Versicherten über Datenleitungen zu den Kassenärztlichen Vereinigungen gehen.

Nach den jüngsten Datenklau-Skandalen und Hackerangriffen bei großen Unternehmen ist es aber nicht leicht, Datenschutzbedenken zu zerstreuen. "Es gibt nichts hundertprozentig Sicheres auf der Welt", sagt auch Wältermann. Die Gesundheitskarte sei mit ihrer Verschlüsselungstechnologie aber "eines der sichersten Medien überhaupt".



DAZ 2011, Nr. 31, S. 24

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