Antiparasitika

Kopflausmittel mit physikalischen Wirkprinzipien

Vergleich der Präparate aufgrund der Studienlage

Von Jörg Heukelbach

Kopflausbefall ist eine der häufigsten parasitären Erkrankungen weltweit. In Deutschland kommen vor allem die neurotoxisch wirkenden Substanzen Pyrethrumextrakt und Permethrin sowie physikalisch wirkende Mittel gegen Kopfläuse zum Einsatz. Bei den physikalisch wirkenden Mitteln spielen vor allem Dimeticone, synthetische Silikonöle, eine Rolle. Experimentelle und klinische Studien zeigen, dass vor allem Produkte mit einem hohen Dimeticongehalt eine gute Option für Patienten sind, die keine Präparate mit neurotoxischem Wirkprinzip einsetzen möchten. Die Studienlage für Dimeticonprodukte ist gut; sie belegt eine exzellente Wirksamkeit und Verträglichkeit; zudem ist eine Resistenzentwicklung, wie sie bei den neurotoxisch wirkenden Mitteln weltweit zunehmend beobachtet wird, unwahrscheinlich. Auch andere physikalische Substanzen und einige Pflanzenprodukte sind vielversprechende Kandidaten für die Therapie.
Foto: Dr. Ira Richling, Kiel
Kopflaus Das Tracheensystem ist hier durch eine blaue Flüssigkeit sichtbar gemacht. Die meisten physikalisch wirkenden Kopflausmittel dringen in die Tracheen ein und ersticken in wenigen ­Minuten die Laus [stereomikroskopische Aufnahme].

Die Kopflaus ist ein blutsaugendes flügelloses Insekt, welches seinen kompletten Lebenszyklus auf dem menschlichen Wirt verbringt. Sie benötigt mehrfach am Tag eine Blutmahlzeit – außerhalb der Kopfhaut überlebt sie nur wenige Stunden bis maximal zwei Tage. Sie lebt bis zu drei Wochen und kann in dieser Zeit 300 Eier an die Kopfhaare anheften. Nach etwa sieben Tagen schlüpfen die Larven, auch Nymphen genannt, aus den Eiern und entwickeln sich innerhalb von weiteren neun Tagen zu geschlechtsreifen (adulten) Kopfläusen.

Ansteckung trotz Hygiene

Die Ansteckung findet nahezu ausschließlich durch engen Kopfkontakt einer befallenen Person mit einer anderen Person statt; andere Übertragungswege über Gegenstände wie Mützen, Kuscheltiere und Handtücher oder beim Baden in Schwimmbädern haben in der Praxis kaum eine Bedeutung [1, 2]. Kopfläuse befallen sämtliche Bevölkerungsgruppen; ein Mangel an Körper- oder Kleiderhygiene ist entgegen der vorherrschenden Meinung nicht die Ursache für Epidemien.

In den letzten Jahren haben Berichte über Kopflausbefall weltweit und auch in Europa zugenommen [3, 4]. Studien aus mehreren europäischen Ländern zeigten eine Prävalenz von bis zu 20% bei Schulkindern [5 – 10]. In Braunschweig wurden im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung Vorschulkinder auf Kopfläuse untersucht und ein Befall bei 0,7% gefunden [11]. Die tatsächliche Prävalenz wurde von den Autoren auf 1,4% bis 2,8% geschätzt, da die Diagnose in der Studie mittels visueller Inspektion erfolgte, einer Methode mit geringer Sensitivität. Insgesamt gaben in dieser Studie 5,6% der Eltern an, dass ihr Kind im vergangenen Jahr einen Kopflausbefall durchgemacht habe. Die Prävalenz innerhalb einer Bevölkerungsgruppe und sogar in den unterschiedlichen Klassen einer Schule kann jedoch stark variieren.

Physikalisch wirkende Kopflausmittel

Aufgrund der zunehmenden Resistenzproblematik und eines möglichen Gesundheitsrisikos bei wiederholter Anwendung von Kopflausmitteln mit neurotoxischem Wirkmechanismus wurden Präparate mit alternativen Wirkmechanismen entwickelt. Hier stehen die physikalisch wirkenden Kopflausmittel im Vordergrund, bei denen keine Resistenzentwicklung zu erwarten ist [12, 13]. Zudem gibt es immer mehr pflanzliche Präparate, deren Wirkmechanismus jedoch oft nicht wissenschaftlich untersucht worden ist. In Tabelle 1 sind die wichtigsten zurzeit in Deutschland erhältlichen Kopflauspräparate dargestellt.

Tab. 1: Die wichtigsten in Deutschland erhältlichen Kopflausmittel, alphabetisch gelistet

Im Folgenden werden die physikalisch wirkenden Kopflausmittel im Detail dargestellt. Sie enthalten Dimeticone in unterschiedlichen Viskositäten und Konzentrationen, woraus unterschiedliche physikalische Eigenschaften und unterschiedliche Wirkmechanismen resultieren. Für die meisten Präparate nehmen die Hersteller in Anspruch, dass sie die Läuse in allen ihren Entwicklungsstadien ersticken.

Das Präparat Nyda® enthält eine Mischung aus zwei Dimeticonen in einer Konzentration von insgesamt 92%. Der physikalische Wirkmechanismus wurde wissenschaftlich untersucht und belegt. Das angewendete Präparat bildet nicht nur einen Film über der Laus, sondern dringt auch tief in das Tracheensystem ein und verhindert dort die Sauerstoffaufnahme, sodass die Laus erstickt (s. Abb.) [14]. Zahlreiche In-vitro-Studien und auch eine klinische Studie haben eine exzellente Wirkung des 2-Stufen-Dimeticons gegen Kopfläuse gezeigt. In einer randomisierten klinischen Studie wurden 145 Kinder und Jugendliche einbezogen. Die Heilungsrate betrug nach neun Tagen 97,2% in der Verumgruppe gegenüber 67,6% in der Kontrollgruppe (1% Permethrin; Kwell® , in Deutschland nicht erhältlich) [15]. Die pedikulozide Wirkung wurde zudem ex vivo nach einem standardisierten Verfahren getestet: Läuse wurden in dem Präparat inkubiert und 24 Stunden lang mikroskopisch untersucht. Schon nach fünf Minuten waren bei allen Läusen (100%) keine wesentlichen Lebenszeichen mehr nachweisbar [16, 17].

Eine in diesem Jahr veröffentlichte Studie zeigte zudem eine ausgezeichnete Ei-abtötende (ovizide) Wirkung [18]. Nur aus 3,9% der reifen Eier schlüpften Läuse. Bei jungen Eiern betrug die Schlüpfrate 0%. Die daraus resultierende, durch die Ergebnisse der Kontrollgruppe korrigierte ovizide Wirkung war 94,9% (reife Eier) bzw. 100% (junge Eier). Die ovizide Wirkung von anderen Präparaten (Pflanzenprodukte, andere Dimeticonprodukte, neurotoxisch wirkende Präparate), die in dieser Studie vergleichend getestet wurden, war geringer. Das Produkt Jacutin® Pedicul Fluid, welches zu 100% aus Dimeticon besteht, schnitt in Studien zwar ebenfalls sehr gut ab, reichte jedoch in der oviziden Wirkung nicht ganz an das 2-Stufen-Dimeticon heran [18, 19]. Derzeit ist noch keine randomisierte kontrollierte klinische Studie über Jacutin® in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht worden.

Eine Reihe von Studien mit einem Präparat, welches 4% Dimeticon und 96% Cyclomethicon enthält (Hedrin® lotion, in Deutschland unter dem Namen EtoPril® im Handel), zeigte ebenfalls klinische Wirksamkeit. Der Hersteller postuliert einen anderen physikalischen Wirkmechanismus als oben dargestellt (also kein Ersticken): Das Dimeticon-Cyclomethicon-Gemisch bildet einen Film über der Laus, welcher sie nicht nur immobilisiert, sondern auch daran hindert, überschüssiges Wasser aus ihrer Blutmahlzeit über das Tracheensystem wieder abzugeben. Es kommt zu einem osmotischen Stress, zur Verletzung der inneren Organe und schließlich zum Tod der Laus [37].

Zwei kontrollierte randomisierte klinische Studien aus Großbritannien zeigten eine Heilungsrate von etwa 70% in den Verumgruppen gegenüber 75% in der einen Kontrollgruppe (0,5% Phenothrin) und 33,3% in der anderen Kontrollgruppe (0,5% Malathion) [20, 21]. In einer Studie aus der Türkei (n = 72) war die Wirksamkeit des 4%-Dimeticonproduktes 91,7% gegenüber 83,3% einer neuen Formulierung, der 2% Nerolidol (Sesquiterpen) zugesetzt worden war [22]. In dieser Studie gab es jedoch keine Vergleichsgruppe, die mit einem neurotoxisch wirkenden Pedikulozid behandelt wurde. In einer Ex-vivo-Studie konnte keine ovizide Wirkung von 4% Dimeticon nachgewiesen werden [18].

Linicin® ist ein dimeticonhaltiges Kopflausmittel, welches seit Kurzem auf dem Markt ist. Es enthält außer dem Silikonöl Vitamin E, Mandelöl und Aprikosenkernöl. Bisher fehlen jedoch publizierte Daten zur adultiziden und oviziden Wirkung sowie zur klinischen Wirksamkeit.

Dimet® 20, ein anderes neues Produkt, welches Dimeticon und Dodecanol enthält, zeigte in vitro eine sehr gute Wirkung gegen adulte Kleiderläuse und ihre Eier. Informationen zu diesen Studien sind bisher als Zusammenfassung auf der Internetseite des Herstellers im Fachbereich erhältlich, Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften fehlen jedoch bisher.

Isopropylmyristat, ein Fettsäureester, dessen pedikulozide Wirkung ebenfalls als physikalisch angegeben wird, wurde in zwei Studien in einer Konzentration von 50% (in Cyclomethicon, Full Marks solution) mit 1% Permethrin bzw. Pyrethrumextrakt verglichen. Die Heilungsraten waren 63% und 82% im Vergleich zu 22% und 19% in den Kontrollgruppen [23, 24].

In einer In-vitro-Studie war die adultizide Wirkung eines Isopropylmyristatpräparates sehr gut, es liegen jedoch keine In-vitro-Studien zur oviziden Wirkung vor [19]. Das Produkt ist in Deutschland unter dem Namen K.Laus® auf dem Markt und wird über Drogerien und Supermärkte vertrieben.

Oxyphthirine®, eine Mischung von Triglyceriden und Lipidestern, die in dem Präparat Liberalice® DUO LP-PRO enthalten ist, soll laut Hersteller Kopfläuse durch Ersticken abtöten. Zwei unabhängige In-vitro-Studien haben jedoch eine unzureichende adultizide Wirkung gezeigt [16, 19], und eine publizierte klinische Studie enthält methodologische Mängel, die eine Interpretation der Ergebnisse erschweren [25].

Pflanzliche Präparate

Für viele pflanzliche Kopflausmittel gibt es keine adäquaten Studien zu Wirksamkeit und Verträglichkeit. Es wird oft irrtümlich angenommen, dass "natürlich" gleichbedeutend sei mit "wirksam" und "toxikologisch unbedenklich". Zwar wird für die meisten dieser Präparate offiziell ein physikalischer Wirkmechanismus in Anspruch genommen, doch fehlen in der Regel Untersuchungen, die dies belegen. Pedikulozide Pflanzeninhaltsstoffe haben häufig einen den chemisch definierten Pedikuloziden ähnlichen neurotoxischen Wirkmechanismus und können auch toxische Nebenwirkungen haben. Von insgesamt acht in Australien und Brasilien zugelassenen pflanzlichen Kopflausmitteln, die in zwei In-vitro-Studien getestet wurden, zeigte nur eines eine akzeptable Wirkung gegen Kopfläuse [26, 27].

Auf der anderen Seite gibt es einige pflanzliche Kopflausmittel auf dem deutschen Markt, bei denen die Studienlage bezüglich der Wirksamkeit relativ gut ist. Zum Beispiel zeigte Paranix® , eine Mischung aus Kokosnussöl, Ylang-Ylang-Öl und Anisöl, in zwei Pilotstudien eine gute Wirkung [28, 29], und eine kontrollierte klinische Studie aus Israel zeigte eine sehr gute Wirksamkeit [30]. Die Behandlung in diesen Studien erfolgte bis zu dreimal. Für das im Markt befindliche Produkt wird allerdings eine zweimalige Anwendung empfohlen (Gebrauchsanweisung). In einer neueren kontrollierten klinischen Studie aus Großbritannien war die Wirksamkeit 82,0% in der Verumgruppe gegenüber 42,0% in der Kontrollgruppe (Permethrin) [31]. Die ovizide Wirkung dieses Präparates war allerdings in dieser Studie nicht hoch genug, um eine Einmalanwendung empfehlen zu können. Eine Ex-vivo-Studie zeigte eine ovizide Wirkung von etwa 60% [18].

Mosquito® Läuseshampoo, ein Produkt auf der Basis von Sojaöl, zeigte ebenfalls in einer kontrollierten Studie aus England eine höhere Heilungsrate (62,2%) als ein 0,5%iges Permethrinpräparat (InfectoPedicul®) (34,8%), aber die ovizide Wirkung war in zwei unterschiedlichen Studien nicht ausreichend [18, 32].

Wash-Away® Laus, ein Neemsamenextrakt-haltiges Shampoo, ist toxikologisch unbedenklich, nicht brennbar und zeigte in verschiedenen Studien eine gute pedikulizide und ovizide Wirkung [33 – 36]. Bisher fehlt für dieses Präparat jedoch der Wirksamkeitsbeleg durch eine randomisierte kontrollierte klinische Studie.

Ausblick

In den letzten Jahren hat die Anzahl an Kopflausmitteln, die nicht auf einem neurotoxischen Wirkmechanismus beruhen, stark zugenommen. Physikalisch wirkende Präparate – und hier vor allem Produkte mit einem hohen Dimeticongehalt – sind eine gute Option für Patienten, die keine herkömmlichen Präparate mit neurotoxischem Wirkprinzip einsetzen möchten. Die Studienlage für Dimeticonpräparate ist gut, ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit sind exzellent, und eine Resistenzentwicklung, wie sie bei den neurotoxisch wirkenden Mitteln beobachtet wird, ist unwahrscheinlich. Aufgrund der unterschiedlichen Viskosität und Konzentration der eingesetzten Dimeticone können sich Dimeticonpräparate nicht nur hinsichtlich ihrer physikalischen Eigenschaften, sondern auch im Wirkprinzip unterscheiden. Die Wirksamkeitsnachweise eines bestimmten Dimeticonpräparates können daher nicht ohne Weiteres auf ein anderes Präparat übertragen werden.


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Autor

Prof. Dr. med. Jörg Heukelbach, Kerpener Str. 2, 50937 Köln, heukelbach@web.de



DAZ 2011, Nr. 36, S. 60

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