Deutscher Apothekertag 2011

Vielfältige Debatten über "sonstige" Anträge

Beim Deutschen Apothekertag werden die meisten Anträge keinem Arbeitskreis zugeordnet, weil sie sich mit den unterschiedlichsten Themen rund um die Apotheke befassen. In diesem Jahr gab es sogar besonders viele dieser "sonstigen" Anträge. Das inhaltliche Spektrum war riesengroß – von Rabattverträgen über die Fälschungssicherheit von Arzneimitteln bis zum Haushalt der ABDA. Viele Anträge wurden ohne Diskussion angenommen, weil sie für die Delegierten selbstverständlich waren. Doch zu manchen Anträgen entwickelten sich interessante Debatten. Hier wird eine Auswahl der diskutierten Anträge vorgestellt.
Foto: DAZ/Schelbert

Eine Diskussion entstand beispielsweise zu dem Antrag, Zukunftsperspektiven für den flächendeckenden Notdienst zu entwickeln. Die Einschätzungen dazu lagen in einer weiten Spannweite. Der Antrag wurde als "Selbstverständlichkeit" tituliert, aber auch als "Armutszeugnis", weil er bedeute, dass die Kammern jetzt keine gute Lösung hätten. ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf lobte die bewusst unscharfe Formulierung des Antrages. So könne über Struktur, Erreichbarkeit und Honorierung gesprochen werden. Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, verwies auf die Pläne der ABDA für eine Pauschalhonorierung des Notdienstes und auf ein Problem des Notdienstes im ländlichen Raum. Angesichts der Neuordnung und Konzentration des ärztlichen Notdienstes seien flexible Lösungen der Apothekerkammern gefragt. Wenn Patienten erst 25 Kilometer in eine Richtung zum Arzt und dann wieder in eine Richtung zur Apotheke fahren müssten, seien Forderungen nach ärztlichem Dispensierrecht zu erwarten. Das Problem werde dadurch erschwert, dass auch die Notdienstkunden zu berücksichtigen seien, die ohne Arztkontakt OTC-Arzneimittel kaufen möchten. So wurde der Antrag mit großer Mehrheit angenommen.

Keine Rabattverträge für BtM

Dass die Apotheker weiter gegen die Auswüchse der Rabattverträge vorgehen, zeigte der Leitantrag, der Gesetzgeber möge Betäubungsmittel von den Rabattverträgen ausnehmen. Auf den Einwand, dies könne im Apothekenalltag über das Instrument der pharmazeutischen Bedenken erreicht werden, entgegnete der Antragsteller Dr. Jürgen Kögel, Präsident der Apothekerkammer Brandenburg, es gehe darum, dass diese Bedenken bei Betäubungsmitteln generell und nicht nur bei einzelnen Patienten bestehen. Einsparungen könnten bei den hier betroffenen Patientenkreisen überhaupt nicht als Argument herangezogen werden. Der Antrag wurde mit sehr großer Mehrheit angenommen.

Projekt gegen Arzneimittelfälschungen

Relativ ausführlich wurde über den Antrag zur Fortführung des securPharm-Projektes diskutiert. Im Zusammenhang mit der Authentifizierung von Arzneimittelpackungen bei der Abgabe in der Apotheke wurde nach den Kosten für die Ausrüstung der Apotheken gefragt. Nach den Erläuterungen von Dr. Peter Hohmann, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes, werden die nötigen Investitionen von der bisher vorhandenen Ausstattung abhängen. Neue Scanner könnten die vorgesehenen Codes bereits lesen. Bis zur geplanten flächendeckenden Einführung des Systems im Jahr 2016 dürften viele Apotheken bereits über solche Scanner verfügen, sodass nur noch die Software nötig wäre. Einschließlich neuer Scanner seien höchstens Kosten von 1000 bis 1500 Euro pro Apotheke zu erwarten. Auf den Einwand, die Authentifizierung über eine Internetverbindung behindere den Arbeitsablauf, erklärte Hohmann, der Zeitaufwand für die Abfrage solle deutlich unter einer Sekunde liegen. Allerdings ist für diese Technik eine Internetverbindung am HV-Tisch erforderlich. Klärungsbedarf besteht offenbar auch noch hinsichtlich schneller Internetverbindungen in ländlichen Regionen. Ein Delegierter stellte das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Projektes infrage. Denn die Apotheken würden "totalüberwacht", um die in der legalen Vertriebskette äußerst seltenen Fälschungen zu finden, während problematische Vertriebskanäle nicht kontrolliert würden. Dazu erklärte Hohmann, es gelte eine bindende EU-Richtlinie umzusetzen. Wolf verwies auf die bereits laufenden Projekte in anderen Ländern und erklärte, die Apotheker würden für sich in Anspruch nehmen, die Patienten mit sicheren Arzneimitteln zu versorgen, und dabei solle es bleiben. Doch sei der geplante Modellversuch gerade nötig, um eine praktikable und nicht zu teure Lösung zu finden, erklärte Wolf. Den Vorschlag, die Patienten könnten selbst über das Internet die Echtheit ihrer Packung prüfen, lehnten die ABDA-Verantwortlichen entschieden ab, weil die Sicherheit der Patientendaten dann nicht mehr zu gewährleisten sei. Letztlich wurde der Antrag zur Fortführung des Projektes mit großer Mehrheit angenommen.

Abschaffung der Packungsgrößenverordnung

Diskutiert wurde auch über einen Ad-hoc-Antrag, in dem eine ePetition zur Abschaffung der Packungsgrößenverordnung vorgeschlagen wurde. Denn das ursprünglich ordnende Instrument sei jetzt nur noch ein Argument für Retaxationen. Wolf betonte, dass insbesondere die neue, ab 2013 vorgesehene Komponente der Packungsgrößenverordnung problematisch werden könnte. Er fürchte aber auch, dass ganz ohne Packungsgrößenverordnung beliebig große Packungen eingeführt werden könnten, die die packungsbezogene Honorierung der Apotheken aushöhlen würden. Daher wurde der Antrag am Samstagmorgen mit großer Mehrheit in einen Ausschuss verwiesen. Dies wirkt etwas verwunderlich, weil die Delegierten zwei Tage zuvor einstimmig einen Antrag angenommen hatten, der den Gesetzgeber auffordert, die Packungsgrößenverordnung und die Importquotenregelung außer Kraft zu setzen. Dort wird allerdings auch gefordert, anstelle dieser Regeln "eine für die Praxis sinnvolle Lösung anzustreben".


Foto: DAZ/Schelbert

Anträge zur ABDA-Arbeit

Kontrovers diskutiert wurde ein Antrag, die ABDA solle ein neues Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit formulieren. Unterschiedliche Einschätzungen gab es über die Frage, wie erfolgreich die bisherige Öffentlichkeitsarbeit ist und ob dabei ganz neue Wege gegangen werden sollten. Mathias Arnold, Vorsitzender des Apothekerverbandes Sachsen-Anhalt, erklärte, die Öffentlichkeitsarbeit sei eines der Hauptbetätigungsfelder der ABDA, aber es werde immer irgendjemanden geben, der etwas daran nicht gut finde. Die ABDA könne nur die Öffentlichkeitsarbeit machen, die sie bezahlen könne. Es sei gut, dass man sich nicht in die Medien einkaufen könne. Außerdem müsse die Öffentlichkeitsarbeit jeden Tag in den Apotheken stattfinden. Mehrere Delegierte erklärten daraufhin, es gehe bei diesem Thema auch um das Marketing nach innen. Letztlich wurde der Antrag für ein neues Konzept abgelehnt.

Um die Arbeit der ABDA ging es auch in einem Antrag, die Berufsorganisation solle ab 2012 Einsparungen in ihrem Haushalt realisieren, bis sich die Ertragssituation der Apotheken gebessert hat. Antragstellerin Elke Jungbluth beklagte, dass die ABDA ihren Haushalt um 4,5 Prozent erhöhe, während die Apotheken sparen müssten. ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz entgegnete, die ABDA habe keine Wirtschaftlichkeitsreserven. Mit weniger Mitteln könne sie nur weniger leisten. Außerdem sei die Berufsorganisation keine Luxusveranstaltung. Gerade in schlechten Zeiten brauche man sie besonders. ABDA-Vizepräsident Friedemann Schmidt erklärte, dass die Mitgliederversammlung über die Aufgabenverteilung zwischen der ABDA und den Landesorganisationen entscheide und die Mittel dann entsprechend verteilt werden müssten. Daraufhin wurde der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Noch stärker auf die ABDA und ihre Struktur zielte ein Antrag von Volker Stuckenholz, die ABDA-Satzung so zu verändern, dass der Deutsche Apothekertag 2012 einen neuen geschäftsführenden Vorstand wählen könne. Stuckenholz erklärte, es gehe um eine "Verfassungsänderung", bei der die Gewichte in der ABDA neu austariert werden sollten. Der Deutsche Apothekertag sollte mit parlamentarischen Rechten ausgestattet und dadurch gestärkt werden, auch um gegenüber Politikern überzeugender auftreten zu können. Dazu gehöre auch das Haushaltsrecht. Dagegen argumentierte Schmitz, die laufende Zusammenarbeit könne nicht mit einem Apothekertag organisiert werden, der nur einmal im Jahr zusammentritt. Außerdem verfüge die ABDA durchaus über demokratisch legitimierte Gremien. Auch Linz verwies auf demokratische Verfahren innerhalb der ABDA und erklärte, die Hauptversammlung habe große Aufgaben und fälle wegweisende Entscheidungen. Der Antrag auf Satzungsänderung erhielt nur 11 Ja-Stimmen und wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Daraufhin zog Stuckenholz zwei weitere Anträge auf wesentliche Änderungen der ABDA-Satzung zurück, weil diese sich ohne den ersteren Antrag erübrigt hätten.

Orientierung für das Praktikum

Diskutiert wurde auch über einen Antrag des Bundesverbandes der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD), der über die Apothekerkammer Westfalen-Lippe eingebracht wurde. Darin wurde gefordert, die Apothekerkammern der Länder sollten sich mit einem Akkreditierungssystem für Ausbildungsapotheken auseinandersetzen. Ein solches System besteht bereits in Baden-Württemberg und befindet sich in Westfalen-Lippe im Aufbau. Die Pharmaziestudierenden hatten auf ihrem jüngsten Verbandskongress einstimmig beschlossen, sich auf dem Deutschen Apothekertag für ein solches System einzusetzen, berichtete die BPhD-Vorsitzende Maria-Christina Scherzberg. Damit solle den Studierenden eine Orientierung für die Auswahl einer geeigneten Praktikumsapotheke gegeben werden. Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Apothekerkammer Rheinland-Pfalz warnte allerdings, mit dem Begriff Akkreditierung werde ein großer bürokratischer Apparat installiert, der möglicherweise nicht gewollt sei. Dr. Christian Belgardt, Präsident der Apothekerkammer Berlin, befürchtete sogar ein "Akkreditierungs-Monster", bei dem am Ende nur akkreditierte Apotheken ausbilden dürften. Aus Baden-Württemberg wurde jedoch bestätigt, dass dies nicht beabsichtigt sei und nur Hinweise für die Studierenden gegeben werden sollten. Gabriele Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, beklagte, die angehenden Apotheker müssten ihre Praktikumsapotheke bisher als "black box" auswählen. Außerdem wurde herausgestellt, dass der Antrag nur die Auseinandersetzung mit dem Konzept vorsehe. Damit bleibe offen, ob ein Akkreditierungsverfahren im formalen Sinn geschaffen wird. Dr. Christiane Eckert-Lill, ABDA-Geschäftsführerin für Pharmazie erklärte, das Konzept solle unbürokratisch sein und bundesweit installiert werden. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.


tmb



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DAZ 2011, Nr. 41, S. 98

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