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Hehre Ziele oder hohle Phrasen?
Die Problem- und Zielbeschreibung des Verordnungsentwurfs zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung sollte man mit ganz besonderer Aufmerksamkeit lesen, insbesondere folgenden Absatz: "Wesentliche Ziele der Überarbeitung sind die Verbesserung der Arzneimittelsicherheit, insbesondere bei ... der Information und Beratung sowie Verbesserungen der Versorgung im Nahbereich der Apotheke ..."
Bislang gilt, dass der Apotheker Kunden über Arzneimittel zu informieren und zu beraten hat, soweit dies aus Gründen der Arzneimittelsicherheit erforderlich ist; bei Abgabe von Arzneimitteln ohne Verschreibung besteht zudem eine Informationspflicht. Mit der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung soll jetzt der entsprechende § 20 so geändert werden, dass der Apotheker generell bei der Abgabe von Arzneimitteln den Informations- und Beratungsbedarf des Kunden durch Nachfrage ermitteln und eine Beratung anbieten muss. Der Kunde soll dabei aktiv in das Gespräch eingebunden werden, damit der Apotheker den Informations- und Beratungsbedarf erkennen und auf die individuellen Bedürfnisse eingehen kann. Beraten werden muss über die sachgerechte Anwendung und - soweit erforderlich - über Neben- und Wechselwirkungen sowie die richtige Lagerung. Bei Arzneimitteln, die im Rahmen der Selbstmedikation abgegeben werden, hat der Apotheker dem Kunden nicht nur wie bisher die zur sachgerechten Anwendung erforderlichen Informationen zu geben. Er muss beraten und darüber hinaus auch feststellen, ob das gewünschte Arzneimittel für die vorgesehene Person geeignet ist.
Im Prinzip sind das Selbstverständlichkeiten und die noch geltende Apothekenbetriebsordnung gesteht dem Apotheker zumindest bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die Freiheit zu, zu entscheiden, wann er eine Information und Beratung für notwendig erachtet. Dass das jetzt explizit für alle Arzneimittel in § 20 der Apothekenbetriebsordnung in dieser Form vorgeschrieben werden soll, lässt die Frage aufkommen, welchen Spielraum man den Apothekern in der öffentlichen Apotheke noch zugestehen will. Muss jetzt jeder Patient oder Kunde auf Teufel komm raus in ein Gespräch verwickelt werden? Sicher gibt es Defizite in der Beratung, aber lassen sich diese durch Verordnungstexte lösen? Kommt man so dem Ziel, die Arzneimittelsicherheit zu verbessern, wirklich näher oder leistet man nicht eher der anonymen Bestellung über den Versandhandel Vorschub?
Denn eine zentrale Frage wird sein, wie die Vorgaben des § 20 von der Versandapotheke umgesetzt werden (müssen). Muss jetzt jeder Kunde von Versandapotheken bei jeder Bestellung durch pharmazeutisches Personal angerufen werden oder reicht ein Häkchen bei der Bestellung: Beratung erwünscht/nicht erwünscht? Wie gut lässt sich tatsächlich im Telefongespräch der Beratungs- und Informationsbedarf feststellen, wie lässt sich zum Beispiel bei mehreren Arzneimitteln über die sachgerechte Anwendung, Nebenwirkungen und Interaktionen aufgeklären, so dass der Patient beim Auspacken seiner Bestellung noch die richtige Zuordnung vornehmen kann? Wie lässt sich in einem Telefongespräch sicher feststellen, ob das für die Selbstmedikation gewünschte Präparat auch geeignet ist? Wie demonstriert man am Telefon die richtige Anwendung beispielsweise eines Insulinpens? Fragen über Fragen, die beantwortet und eindeutig geregelt werden müssen, wenn auch eine Versandapotheke ihren Beitrag zur Patienten- und Arzneimittelsicherheit leisten soll.
Das hehre Ziel der Arzneimittelsicherheit und die Neuerungen des § 20 werden jedoch vollends zur Makulatur, wenn man sich die Ausführungen zum Apothekenbotendienst für die Präsenzapotheke anschaut. Wohl mit dem Ziel der Verbesserung der Versorgung im Nahbereich der Apotheke, ist nach dem Entwurf der neuen Apothekenbetriebsordnung sicherzustellen, dass der Apothekenbote eine nicht erfolgte Beratung nachholen kann. Damit kommt in diesem Fall für die Zustellung nur noch pharmazeutisches Personal infrage. Für die Versandapotheke soll das nicht gelten. Hier darf der Postbote die Arzneimittel weiterhin gerne auch beim Nachbarn abgeben.
Sollte es dem Gesetzgeber wirklich ernst sein mit der Arzneimittelsicherheit, dann müsste er die in der novellierten Apothekenbetriebsordnung genannten Ziele konsequent verfolgen und endlich für gleich lange Spieße zwischen Präsenz- und Versandapotheken sorgen. Also: eine glasklare Regelung, dass auch pharmazeutisches Personal der Versandapotheke zur Ermittlung des Informations- und Beratungsbedarfs bei jeder Bestellung aktiv den Kunden anrufen und ihn in ein aktives Gespräch verwickeln muss. Sollte das vor dem Versand nicht möglich gewesen sein, dann darf die Zustellung nur noch über qualifiziertes pharmazeutisches Personal erfolgen. Damit würden sich dann ganz neue Arbeitsmöglichkeiten für Apotheker und PTA auftun – oder aber der Versandhandel mit Arzneimitteln würde dorthin verschwinden, wohin er im Interesse der Patienten- und der Arzneimittelsicherheit schon lange hingehört: in die Versenkung.
Dass der Gesetzgeber tatsächlich den Versandhandel derart in die Pflicht nehmen wird, darf mit Recht bezweifelt werden. Denn der Versandhandel scheint eine heilige Kuh zu sein, Patienten- und Arzneimittelsicherheit stehen hier offensichtlich nicht an erster Stelle. Zudem sprechen auch andere geplante und nicht geplante Neuregelungen im Verordnungsentwurf – Stichworte Filialapotheken und Pick up – eine andere Sprache. Vor diesem Hintergrund müssen dann auch die schön formulierten Ziele der neuen Apothekenbetriebsordnung als reine Augenwischerei eingestuft werden und sind wohl leider nicht mehr als hohle Phrasen.
Dr. Doris Uhl, Redakteurin der Deutschen Apotheker Zeitung
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