Arzneimittel und Therapie

Multimodales Therapiekonzept für Opioide

PET-Untersuchungen belegen, dass der Körper ein "endogenes opioiderges System" besitzt, über das er Schmerzreize kontrolliert. Die Wirkung der Opiate macht man sich in der Schmerztherapie vor allem bei chronisch Schmerzkranken zunutze. Dabei ist auf eine gut verträgliche Behandlung zu achten und darauf, dass die Medikamente in ein multimodales Behandlungskonzept eingebettet werden, so hieß es beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim.
Opioide müssen stets in ein multimodales Therapiekonzept eingebettet werden. Bei der medikamentösen Schmerztherapie ist auf eine gute Verträglichkeit zu achten, damit nicht Therapieabbrüche provoziert werden. Bei den übrigen Therapiebausteinen sollten mögliche organisatorische Probleme berücksichtigt werden und auch biosoziale Aspekte, die sich auf die Compliance auswirken können. [Quelle: Dr. S. Wirz, Bad Honnef]

Schmerzreize werden vom Körper über ein komplexes Neurotransmittersystem im Gehirn kontrolliert. Dabei spielen endogen freigesetzte Opioide eine zentrale Rolle, wie Prof. Dr. Dr. Thomas R. Tölle aus München auf dem von Mundipharma veranstalteten Symposium "Schmerztherapie: Wieso multimodal?" beim Deutschen Schmerzkongress am 6. Oktober 2011 in Mannheim zeigte. Der Organismus nutzt das körpereigene Opioidsystem nach seiner Darstellung vor allem zur Kontrolle der deszendierenden Schmerzhemmung.

Es ist unstrittig, dass Opioide wirksame Analgetika darstellen und das nicht nur bei der Behandlung von Tumorschmerzen, sondern auch bei Patienten mit starken Rücken- und Gelenkschmerzen. Für die Opioide spricht zudem, dass sie nicht organschädigend sind, berichtete Prof. Dr. Christoph Maier aus Bochum. Das aber bedeutet nicht, dass mit den Wirkstoffen unkritisch umgegangen werden darf. Vielmehr müssen die Opioide – wie praktisch alle Medikationen bei Patienten mit chronischen Schmerzen – in ein multimodales Behandlungskonzept eingebettet werden.

Dazu gehören nach Dr. Stefan Wirz aus Bad Honnef neben der medikamentösen Analgesie vor allem die Physiotherapie, die psychologische Betreuung der Patienten und gegebenenfalls auch minimal invasive Behandlungsverfahren. "Wie die einzelnen Therapiebausteine kombiniert werden, muss im Anschluss an eine interdisziplinäre Bewertung auf die individuelle Situation abgestimmt werden", berichtete der Schmerztherapeut in Mannheim.

Schmerztherapie ist ein komplexes "Geschäft"

Die Anforderungen sind komplex: So ist bei der medikamentösen Schmerztherapie laut Wirz vor allem auf eine gute Verträglichkeit zu achten, damit nicht Therapieabbrüche provoziert werden. Wichtig ist zudem, dass die pharmakologischen Effekte der jeweiligen Medikation und speziell potenzielle Interaktionen, eine Kumulation oder ein im individuellen Fall möglicherweise durch Organeinschränkungen veränderter Metabolismus Komplikationen den Weg bahnen. Bei den übrigen Therapiebausteinen müssen mögliche organisatorische Probleme berücksichtigt werden und auch biosoziale Aspekte, die sich auf die Compliance auswirken können.

Wie die Probleme konkret gelöst werden können, demonstrierte Wirz am Beispiel einer 80-jährigen Patientin, die aufgrund einer Osteoporose, einer Spinalkanalstenose, einem beidseitigen Karpaltunnelsyndrom und einer Coxarthrose sehr starke Schmerzen hatte. Diese waren laut Wirz vor allem morgens so stark, dass die Frau praktisch nicht alleine aufstehen und sich ankleiden konnte. Die Patientin war zudem multimorbide, litt an einer Hypertonie, einer KHK, einer Herzinsuffizienz und einer Nephrozirrhose, was die Medikamentenwahl deutlich einschränkte.

Aufgrund der Kombination von neuropathischen und nozizeptiven Schmerzen wurde die aktuelle Medikation umgestellt und der Frau eine Fixkombination aus retardiertem Oxycodon und retardiertem Naloxon (Targin®) verordnet sowie Gabapentin, Novaminsulfon und Doxepin. "Die Umstellung lief erfolgreich und die Patientin gab rasch eine deutliche Schmerzlinderung an, so dass mit einer Physiotherapie begonnen werden konnte", erläuterte der Schmerztherapeut in Mannheim. Bereits nach zwei Wochen hatte sich die Gehstrecke der Frau auf mehr als 800 Meter verlängert und damit quasi verdoppelt. Die Frau erklärte zudem, wieder viel besser zu schlafen und konnte morgens wieder selbstständig aufstehen und sich ankleiden. Von der initialen Einstellungsphase abgesehen, gab sie an, keine Nebenwirkungen zu erleben. Weitere Bausteine der multimodalen Therapie wie etwa eine psychologische Betreuung und minimal invasive Eingriffe lehnte die ältere Dame jedoch ab.

Wie komplex die Schmerzbehandlung im Praxisalltag sein kann, machte Wirz am weiteren Verlauf des Falles deutlich: Die Patientin wurde von einer Urlaubsvertretung kurz später auf Oxycodon ohne Naloxonzusatz umgestellt und es wurde ihr zusätzlich ein Laxans verordnet. Sie entwickelte eine starke Obstipation bis hin zum Sub-Ileus, setzte eigenmächtig das Opioid ab, bekam daraufhin Entzugssymptome mit Schlaflosigkeit, Zittern, Unruhe und Angstzuständen und wurde kurz später wegen unerträglicher Schmerzen wieder in der Praxis vorstellig. Nach der Rückumstellung auf die vorherige Medikation besserten sich die Schmerzen wie auch die darüber hinausgehende Symptomatik und die Patientin konnte die Gehstrecke mit ihrem Rollator wieder deutlich erweitern. "Opioide haben einen hohen Stellenwert bei der Behandlung chronischer Schmerzen", betonte Wirz. "Dieser muss aber individuell ermittelt werden und die Therapie muss konkret auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt werden".


Medizinjournalistin Christine Vetter

Zum Weiterlesen


Pharmako-logisch! Opioide: Die Verstärkung der körpereigenen Schmerzhemmung.

DAZ 2011, Nr. 35, S. 51– 85



DAZ 2011, Nr. 43, S. 65

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.