Aus Kammern und Verbänden

Interprofessionelle Zusammenarbeit hilft alten Patienten

Apotheker und Ärzte können und sollten bei der Betreuung älterer multimorbider Patienten eng zusammenarbeiten. Denn nur mit multiprofessionellen Teams, zu denen neben diesen beiden Berufsgruppen im Idealfall auch Zahnärzte, Psychotherapeuten, Seelsorger, Podologen sowie ehrenamtlich Tätige gehören, lassen sich die vielfältigen Probleme dieser Patientengruppe lösen.

Die medizinische Fachrichtung Geriatrie, die auf der Inneren Medizin basiert, umfasst die Prävention, Erkennung, Behandlung und Rehabilitation körperlicher und seelischer Erkrankungen im biologisch fortgeschrittenen Alter. Geriatriker benötigen Fachkenntnisse aus vielen anderen ärztlichen Disziplinen wie der Neurologie (z. B. für Schlaganfallpatienten) oder der Orthopädie (z. B. für Patienten mit Arthrose).

Auch Apotheker sollten angesichts des demografischen Wandels alle Möglichkeiten nutzen, ihr Wissen zur Pharmakotherapie älterer multimorbider Menschen zu vertiefen, da diese viele Besonderheiten aufweisen. Dies gilt auch für Arzneimittel der Selbstmedikation, weshalb sind nicht nur heimversorgende oder Krankenhausapotheken damit konfrontiert sind. Neben dem Studium von Fachliteratur oder dem Besuch von Fortbildungsveranstaltungen kann eine intensivere Beschäftigung mit geriatrischer Pharmazie – allerdings noch nicht bundesweit – durch die Weiterbildung im Bereich "Geriatrische Pharmazie" erfolgen (siehe Kasten).

Weiterbildung "Geriatrische Pharmazie"


Bei älteren multimorbiden Patienten treten arzneimittelbezogene Probleme überproportional häufig auf und können erhebliche Folgekosten verursachen. Die Weiterbildung Geriatrische Pharmazie soll Apotheker dazu befähigen, die – teils sehr umfangreiche - Medikation älterer, multimorbider Patienten zu analysieren, ggf. Modifikationen vorzunehmen und dabei eng mit Medizinern, Pflegepersonal, Angehörigen und Patienten zusammenzuarbeiten.

Voraussetzungen zum Erwerb dieser Zusatzbezeichnung sind:

  • eine zweijährige ganztägige Berufstätigkeit (bzw. eine entsprechend verlängerte Teilzeitbeschäftigung) in einer geeigneten Einrichtung (z. B. eine Apotheke mit Heimbelieferung, krankenhausversorgende oder Krankenhausapotheke),

  • die Teilnahme an vorgeschriebenen Seminaren

  • verschiedene Nachweise (dreitägiges Praktikum inkl. eines Nachtdienstes in einem Pflegeheim oder bei einem ambulanten Krankenpflegedienst; Vortrag für Pflegekräfte u. a.)

Wo liegen die Probleme?

Der geriatrische Patient ist nicht nur durch sein fortgeschrittenes biologisches Alter und (meistens) das Vorhandensein mehrerer chronischer Erkrankungen, sondern darüber hinaus durch eine bedrohte oder eingeschränkte Selbsthilfefähigkeit, Instabilität, Immobilität, Inkontinenz, kognitiven Abbau und depressive Syndrome charakterisiert. Daraus folgt, dass ein alter Mensch anders behandelt werden muss als ein jüngerer Erwachsener mit der gleichen Krankheit.

Die häufig gestellte Forderung nach leitliniengerechter Therapie lässt sich bei älteren Patienten oft nur schwer erfüllen, da wegen der Multimorbidität in der Regel nicht nur eine, sondern mehrere Hauptdiagnosen vorliegen und zudem ärztliche Leitlinien kaum auf Hochaltrige zugeschnitten sind. Hinweise zur Arzneitherapie älterer Patienten gibt die Priscus-Liste (lat. priscus = altehrwürdig). Sie listet Arzneistoffe auf, die sich für ältere Patienten nicht eignen, schlägt Alternativen vor und nennt Maßnahmen, falls die Verordnung einer Substanz unumgänglich ist. Sie enthält nicht nur verschreibungspflichtige Medikamente, sondern auch Arzneimittel der Selbstmedikation und sollte daher sowohl von Ärzten als auch Apothekern intensiv genutzt werden.

Was heißt alt?


Die Schere zwischen biologischem und kalendarischem Alter geht mit zunehmendem Lebensalter immer weiter auseinander. Nach der Definition von Fachgesellschaften wie z. B. der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e.V. gelten multimorbide Patienten über 70 und Patienten über 80 mit erhöhter Vulnerabilität für verschiedene Erkrankungen als geriatrisch.

Störanfälliger Prozess

Die Pharmakotherapie ist ein sehr störanfälliger Prozess, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der geriatrische Patient die vom Arzt verordnete Therapie versteht und "widerspruchslos" umsetzt. Viele ältere Patienten informieren sich über die Medien oder Freunde und Bekannte über ihre Arzneimittel und können infolgedessen eine durchaus kritische Meinung dazu haben. Doch auch compliante Patienten sind aufgrund kognitiver Einschränkungen häufig nicht 100%ig imstande, die Therapiehinweise von Arzt und Apotheker umzusetzen.

Wie Abhilfe schaffen?

Die Apotheke kann in vielfältiger Weise Unterstützung geben. Dabei haben Untersuchungen gezeigt, dass viele Probleme gar nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, sondern erst im Gespräch identifiziert werden können.

Für Patienten mit visuellen Einschränkungen kann es beispielsweise eine große Hilfe sein, ihnen den Medikamentenplan in Großschrift zu drucken und auf die verschiedenen Arzneimittelpackungen farbige Punkte oder Streifen zu kleben, um sie besser unterscheidbar zu machen.

Einfach erscheinende Dosierungshinweise wie "3-mal täglich eine Tablette" sind häufig zu abstrakt, und die Vergesslichkeit ist hoch. Hilfreicher ist es, im Patientengespräch herauszufinden, an welches tägliche Ritual die Einnahme gekoppelt werden könnte.

Wenn ein Patient aus Mangel an Kraft oder manuellem Geschick Mühe hat, sein Arzneimittel aus der Primärverpackung (z. B. Tabletten aus Blistern oder schwer zu öffnenden Schraubgefäßen) zu entnehmen, kann dieses in der Apotheke umkonfektioniert werden.

Auch das Öffnen von Folienmanschetten, mit denen die Verschlusskappen mancher Zubereitungen zusätzlich geschützt sind, kann problematisch sein. Wenn es älteren Patienten zu große Schwierigkeiten bereitet, die Aufreißlasche zu erfassen und zu entfernen, sollte das Apothekenpersonal dies für sie erledigen.

Interprofessionelle Zusammenarbeit unumgänglich

Nicht nur das einfühlsame und geduldige Gespräch mit dem geriatrischen Patienten oder (falls dies nicht möglich ist) mit den betreuenden Angehörigen oder Pflegekräften, sondern auch der intensive Kontakt mit dem behandelnden Arzt ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Pharmakotherapie im Alter. Derartige Kontakte sind vielerorts noch ausbaufähig, und alle beteiligten Berufsgruppen sollten sich darüber im Klaren sein, dass daran letztendlich kein Weg daran vorbeiführt.


Quellen

"Der geriatrische Patient in der Arztpraxis und Apotheke", Gemeinsame Fortbildungsveranstaltung der Ärztekammer Berlin und der Apothekerkammer Berlin am 2. November 2011 in Berlin. Referenten: PD Dr. Dr. Claus Köppel, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin – Geriatrie des Vivantes Wenckebach-Klinikums Berlin; Dr. Eric Martin, Hubertus-Apotheke in Marktheidenfeld.

Website der Apothekerkammer Nordrhein: www.aknr.de/weiterbildung.

Holt S, Schmiedl S, Thürmann P. Potenziell inadäquate Medikation für ältere Menschen: Die PRISCUS-Liste, www.priscus.net.


Apothekerin Dr. Claudia Bruhn



DAZ 2011, Nr. 45, S. 102

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