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- DAZ 47/2011
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Arzneimittel und Therapie
Hohes Risiko bei wiederholter Paracetamol-Überdosierung
Eine Paracetamol-Vergiftung ist sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Nordamerika und Europa die häufigste Ursache für akutes Leberversagen. Britische Autoren um Kenneth J. Simpson haben jetzt in einer großen Kohortenstudie untersucht, welche Rolle dabei eine wiederholte geringfügige Überdosierung spielt und welche Probleme sie in der Diagnostik bereitet. Dazu haben sie Daten eines Zentrums, des Royal Infirmary of Edingburgh, im Zeitraum zwischen 1992 und 2008 ausgewertet. Unter einer wiederholten geringfügigen (supra therapeutischen) Paracetamol-Überdosierung (staggered overdose) wird die mehrmalige Einnahme von Paracetamol in Abständen von mehr als 8 Stunden verstanden, die in einer kumulativen Dosis von mehr als 4 g pro Tag resultiert, unter einer einmaligen Überdosis die einmalige Einnahme von mehr als 4 g Paracetamol. Von 663 in diesem Zeitraum eingewiesenen Patienten mit Paracetamol-induzierten Leberschäden hatten 161 (24,3%) wiederholt Paracetamol in geringfügig erhöhter Dosierung zur Linderung ihrer Schmerzen eingesetzt, insgesamt Mengen zwischen 10 und 45 g, durchschnittlich 24 g. Diese Patienten hatten im Vergleich zu denen nach einer einmaligen Überdosis mit durchschnittlich 27 g (20 bis 45 g) Paracetamol ein größeres Risiko für Enzephalopathien, benötigten häufiger eine Nierenersatztherapie oder eine maschinelle Beatmung und wiesen eine höhere Sterberate auf (37,3% vs. 27,8%).
Schlechte Prognose bei zu später Diagnose
Auch der Diagnosezeitpunkt hat einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose. Das zeigen die Ergebnisse der Patienten, die nach Intoxikation mit einer Überdosis behandelt worden waren. Für sie war das Risiko für Lebertransplantationen und Tod im Vergleich zur frühzeitigen Behandlung deutlich erhöht, wenn zwischen Intoxikation und Diagnose mehr als 24 h lagen.
Problem Alkoholkonsum
Die Autoren stufen das Risiko einer wiederholten supratherapeutischen Überdosierung genau so hoch ein wie das nach einer Diagnosestellung 24 h nach einer einmaligen Überdosis. Dabei ist nicht auszuschließen, dass das Ergebnis auch durch weitere Faktoren, insbesondere durch Alkoholkonsum beeinflusst worden ist. In der Staggered-overdose-Gruppe waren die gleichzeitige Paracetamol-Einnahme mit Alkohol und Alkoholmissbrauch deutlich häufiger als in der Gruppe nach einmaliger Überdosis.
Problem Diagnosestellung
Die Diagnosestellung ist insbesondere bei wiederholter supra therapeutischer Überdosierung ein Problem. Diese Patienten suchen den Arzt nicht wegen einer Überdosierung auf, sondern weil sie sich unwohl fühlen. Paracetamol-Blutspiegel sind hier trotz des hohen Risikos für Leberversagen und Tod niedrig. Diese Patienten sind nach Meinung der Autoren in größerer Gefahr als solche, die in suizidaler Absicht eine Überdosis Paracetamol eingenommen haben und rechtzeitig behandelt werden. Sie müssen engmaschig überwacht und mit dem Antidot N-Acetylcystein behandelt werden – unabhängig von der Höhe des Paracetamol-Blutspiegels. Weil der Blutspiegel sowohl bei wiederholter Einnahme zu hoher Dosierungen als auch bei verzögerter Präsentation nach einmaliger Überdosis wenig Aussagekraft besitzt, sind nach Ansicht der Autoren neue Wege gefragt um zu entscheiden, ob ein Patient nach Hause geschickt werden kann, eine Antidot-Behandlung notwendig ist oder gar eine Lebertransplantation.
QuelleCraig, D.G.N.; et al.: Staggered overdose pattern and delay to hospital presentation are associated with adverse outcomes following overdose paracetamol-induced hepatotoxicity. Brit J Clin Pharmacol 2011; DOI: 10.1111/j.1365-2125.2011.04067.x
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