DAZ aktuell

Festbetragsfestsetzung für Escitolapram gekippt

BERLIN (jz/ks). Patienten, die das Antidepressivum Cipralex (Escitalopram) verordnet bekommen, müssen ab sofort keine Aufzahlung mehr leisten. Wie der Hersteller Lundbeck mitteilte, hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) einem Eilantrag des Unternehmens stattgegeben und den Festbetrag für Cipralex® bis auf Weiteres außer Vollzug gesetzt. (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Dezember 2011, Az. L 1 KR 184/11 ER)

Seit dem 1. Juli 2011 befinden sich Citalopram und dessen noch bis Mitte 2014 patentgeschütztes S-Enantiomer Escitalopram in einer gemeinsamen Festbetragsgruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Lundbeck hatte gegen den dieser Eingruppierung zugrunde liegenden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geklagt und nun im Eilverfahren vom LSG vorläufig Recht zugesprochen bekommen.

Das LSG ist der Auffassung, dass von der Rechtswidrigkeit der Festbetragsfestsetzung auszugehen ist. Der Beschluss des G-BA leidet nach Auffassung des Senats an Beurteilungsfehlern. Unzutreffend sei es gewesen, dass der G-BA Escitalopram eine therapeutische Verbesserung der Behandlung der Depression abgesprochen hat. Zumindest empfanden die Richter die Begründung nicht als in dem Maße nachvollziehbar, wie es das SGB V fordert. Auch die Annahme des G-BA, Escitalopram dürfe zusammen mit Citalopram in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst werden, weil Therapiemöglichkeiten dadurch nicht eingeschränkt würden, sei aufgrund einer fehlerhaften Beurteilungsgrundlage ergangen, entschieden die Richter.

Beschwerde gegen den Eilbeschluss des LSG ist nicht möglich. Abzuwarten bleibt nun, wann über die Klage selbst entschieden werden kann. Laut G-BA ließ das Gericht wissen, dass eine Terminierung vor Ende 2014 nicht zu erwarten ist. Durch den Beschluss sind die Krankenkassen nun vorerst verpflichtet, Patienten die Behandlungskosten mit Cipralex® zu bezahlen. Die bislang durchaus beträchtlichen Aufzahlungen für Patienten fallen weg. Lundbeck hatte stets die Überlegenheit von Escitalopram gegenüber Citalopram betont – dabei verwies das Unternehmen unter anderem auf Bewertungen der Cochrane Collaboration. Eine Absenkung des Preises auf Festbetrag kam für Lundbeck nicht in Frage – umso größer dürfte die Erleichterung über den LSG-Beschluss sein.

G-BA verständnislos

Kassen und G-BA sind dagegen höchst verärgert. Sie bleiben dabei, dass Escitalopram und Citalopram gleichwertig und auch preislich gleich zu behandeln sind. Laut dem G-BA-Vorsitzenden Rainer Hess sprechen sogar immer mehr Gründe für diese Auffassung. Er verwies darauf, dass fast gleichzeitig zur Gerichts entscheidung Rote-Hand-Briefe zu Escitalopram und Citalopram erschienen sind. Wolfgang Kaesbach vom GKV-Spitzenverband verwies auf eine im Oktober ergangene Entscheidung eines belgischen Gerichts, das Escitalopram den Patentschutz abge sprochen hat. Ganz abgesehen davon sieht er durch die Entschei dung des LSG Millionen versickern, die die Kassen mit dem Festbetrag hätten sparen können. Dem pflichtete auch Carl-Heinz Müller, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, bei. Angesichts der knappen Ressourcen im System sollte man das Geld lieber für echte und nicht für Schein-Innovationen ausgeben. Ulrike Faber, Patientenvertreterin im G-BA, beklagte die "unerfreuliche Verunsicherung der Patienten" durch Lundbeck. Auch den frischen LSG-Beschluss nutze das Unternehmen nun als "Reklame".



DAZ 2011, Nr. 51-52, S. 24

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