Zukunftskongress

Apotheker zwischen Politik und Patient

Zukunftskongress des Apothekerverbands Nordrhein

Ein Bericht von Peter Ditzel und Constanze Schäfer

Die Situation der Apotheke in Zeiten von AMNOG und Rabattverträgen stand im Mittelpunkt des 3. Zukunftskongresses öffentliche Apotheke, veranstaltet vom Apothekerverband Nordrhein am 5. Februar im World Conference Center Bonn. Über 400 Apothekerinnen und Apotheker besuchten den Kongress, den eine kleine Ausstellung flankierte. Neben den aktuellen berufspolitischen Themen wie Packungsgrößenverordnung, Großhandelsrabatte und Mehrkostenregelung und die aktuelle wirtschaftliche Situation der Apotheken standen auch zwei Fortbildungsvorträge über Lifestyle-Arzneimittel und Anwendungsprobleme von Arzneimitteln auf dem Programm. Als Festredner befasste sich der Ressortchef der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, mit der Ökonomisierung des Marktes.
Schon Tradition Über 400 Apothekerinnen und Apotheker besuchten am 5. Februar den Zukunftskongress öffentliche Apotheke, den der Apothekerverband Nordrhein bereits zum dritten Mal im World Conference Center in Bonn veranstaltete. Eine kleine Ausstellung flankierte die berufspolitischen und die Fortbildungsvorträge. Foto: DAZ/diz

Packungsgrößenverordnung, Mehrkostenregelung, erhöhter Kassenzwangsabschlag und die überproportionale Belastung der Apotheken durch Einsparungen, die der Großhandel auf die Apotheken abwälzt, führen zu Frust und Chaos in den Apotheken. Der Vorstandsvorsitzende des Apothekerverbands, Thomas Preis, forderte mit Nachdruck die Beseitigung der Konstruktionsfehler des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG). Auch die Rabattverträge gaben ihm erneut Anlass zu heftiger Kritik: "Wir erleben den Wutpatienten in den Apotheken, er möchte keine Arzneimittelauswahl durch seine Krankenkasse."

Laut Koalitionsvertrag sollten Überregulierungen abgebaut werden. Das Gegenteil sei mit der Packungsgrößenverordnung und Mehrkostenregelung geschehen, so Preis. Auch die Auswüchse des Versandhandels sollten bekämpft werden. Fakt ist nun: Ein Verbot der Pick-up-Stellen wurde nicht verwirklicht. Preis: "Alles nur Ankündigungsrhetorik – statt Bürokratieabbau wurde enorm aufgerüstet."

Apotheker werden durch das AMNOG finanziell zu stark belastet. Für viele Apotheken sind die Belastungen nicht mehr tragbar. Preis forderte daher:

  • Die Konstruktionsfehler des AMNOG sind zu beseitigen, insbesondere der Effekt, dass der Großhandel seinen Sparbeitrag auf die Apotheken abwälzen kann.

  • Im Bereich der Packungsgrößen muss wieder Abgabesicherheit hergestellt werden.

  • Bei der Mehrkostenregelung ist klarzustellen, dass der Patient wirklich sein Wunsch-arzneimittel frei wählen kann als Alternative zu den kassenbestimmten Einheitsmedikamenten.

  • Entlastung der Apotheker von der zunehmenden Bürokratisierung.

  • Den politisch zugesagten Auswüchsen des Versandhandels muss ein Ende gesetzt werden.

Thomas Preis Vorstandsvorsitzen­der des Apothekerverbands Nordrhein Foto: DAZ/diz

Preis: "Der unabhängige Heilberuf des Apothekers muss gestärkt werden. Was der Gesundheit der Menschen zugute kommt und somit dem Gemeinwohl dient, darf nicht konzerngeleitet geschwächt und Lobbyinteressen geopfert werden. Hier ist verlässliche Gesundheitspolitik gefragt."

Steffens: Ärzte dispensieren, Apotheken betreuen

Nicht immer erleben Patienten in den Apotheken das, was man unter dem Heilberuf des Apothekers versteht, kritisierte Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffen in ihrem Grußwort und wandte sich gegen einige zu sehr in Richtung Kommerz gehende Entwicklungen im Apothekenbereich. Apothekerinnen und Apotheker sollten viel deutlicher herausstellen, dass sie einem Heilberuf angehören.

Barbara Steffens, Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen (Die Grünen): Gesundheitspolitik endlich aus Sicht der Patienten sehen! Foto: AV Nordrhein

Apotheken vor Ort mit entsprechenden Angeboten für Ältere werden zudem immer wichtiger, da ältere Menschen lieber in ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Versandhandel und Pick-up-Stellen lehnt Steffens von den Grünen im Gegensatz zu ihrer Parteikollegin Biggi Bender ab. Solche Entwicklungen führten zum Apothekensterben. Lieber wolle sie über neue Konzepte nachdenken, beispielsweise über Prävention und ärztliche Aufgaben durch die Apotheken und Arzneimittelabgabe durch Arztpraxen. Unser System sei zu stark von Sektoren bestimmt. Steffens: "Warum kann nicht die Apotheke der Zukunft im ländlichen Raum, in dem es einen Ärztemangel gibt, die eine oder andere Betreuung im Bereich der medizinischen Versorgung in Einzelfällen übernehmen? Und warum sollen nicht Arztpraxen dort, wo es keine Apotheken im ländlichen Raum gibt, Arzneimittel abgeben dürfen?" Hier müsse über neue Ansätze nachgedacht werden.

"Wir müssen endlich wieder Gesundheitspolitik aus der Richtung derjenigen sehen, für die sie gemacht wird, aus Sicht der Patienten", so die Grünen-Politikerin Steffens.


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DAZ 2011, Nr. 6, S. 72

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