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Gesundheitspolitik
Von Butterflies und Barnacles
Das Marketing liefert unglaublich viele Segmentierungen von Kunden – dem Umstand geschuldet, dass die verschiedenartigsten Kriterien herangezogen werden können. So wird nach demografischen Kriterien wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Religionszugehörigkeit, Einkommensklasse oder auch Haushaltsgröße segmentiert. Daneben versuchen neuere Ansätze anhand von Verhaltensweisen Kunden einzuteilen und auf dieser Grundlage Strategien und Maßnahmen abzuleiten, wie man sich demgegenüber am besten verhält. Dies macht Sinn, ist aber ein aufwendiges und mitunter indirektes Geschäft. Dazu ist es gefährlich, die Kunden nach bestimmten Kriterien einschätzen zu wollen, denn anhand der Kleidung oder auch des reinen Aussehens ist es schwer, eindeutig auf den tatsächlichen sozialen Status, das Alter oder die finanziellen Möglichkeiten zu schließen. Nicht jeder, der ein hohes Einkommen hat, ist kaufbereit und nicht jeder, der extrem kaufbereit ist, hat ein hohes Einkommen.
Darüber hinaus haben sich Segmentierungsansätze herausgebildet, die sich eher an ökonomischen Größen orientieren und quasi den Kundenwert zu antizipieren oder zu ermitteln versuchen. Man mag den Amerikanern manchmal ein gewisses oberflächliches Gehabe unterstellen oder aber auch deren Vermarktungsstrategien als übertrieben und an den wirklichen Bedarfen vorbeigehend interpretieren, ihre Ansätze haben aber einen fundierten Hintergrund und sind in der Regel gut geeignet, tatsächlich sinnvolle Gruppen zu bilden. Voraussetzung sind aber Datenbanken und das entsprechende Management wie z. B. durch Kundenkarten, um auch speichern zu können, welcher Umsatz in welchen Warengruppen mit welchen Kunden gemacht wurde und wird.
Eine etwas vereinfachte Einteilung orientiert sich zum einen an der Neigung der Kunden, sich an Unternehmen zu binden bzw. binden zu lassen. Entsprechend werden die Kunden in short-term-customer und long-term-customer unterschieden. Zum Zweiten versucht man, die Kunden gemäß ihrer Profitabilität einzuteilen. Hier wird in Kunden mit low profitability und high profitability differenziert. Man muss dabei ergänzen, dass low profitability-Kunden auch jene Fälle umfasst, die ggf. negativ ausfallen, also in die mehr investiert werden muss als erwirtschaftet wird. Fatal!
Aus der Kombination ergeben sich vier Kundentypen:
Short term customer mit geringer Profitabilität: diese Kunden werden von den Amerikanern strangers genannt, bleiben den Händlern fremd und sind nur einmal oder wenige Male im Unternehmen, stiften dann keinen oder kaum Nutzen, weil sie entweder nur schauen wollen oder sich nur beraten lassen wollen, selten etwas kaufen und ggf. auch nicht wieder kommen. Reisende, Touristen, Multioptionale usw. sind typische Erscheinungen des strangers. Im Fall der Apotheken sind dies Kunden, die ggf. im Urlaub sind, auf der Durchreise und die ein Problem haben oder auch solche, die einen akuten Bedarf haben, den sie gerade nicht in ihrer Stammapotheke decken können.
Short term customer mit hoher Profitabilität: diese Kunden werden Butterflies genannt, Schmetterlinge, die von Blume zu Blume flattern, aber auf keiner Blume zu Hause sind. Diese Kunden sind ausgesprochen lohnend, oft noch etwas jünger, vielleicht noch alleine lebend, in der Regel gut ausgebildet und mit einem vergleichsweise hohen Einkommen, die nicht auf das Geld schauen und sich gerne etwas leisten. Diese zu binden, wäre lohnend, ist aber selten erfolgreich, weil sich diese Kunden eben nicht binden lassen. Sie haben kein Interesse an Stammgeschäften, damit auch nicht an einer Stammapotheke, wenn sie einkaufen, lohnt es sich aber.
Long term customer mit hoher Profitabilität: Das sind die sog. stars unter den Kunden, die sog. Wahren Freunde (True Friends). Diese lassen sich nicht nur lange an das Unternehmen binden, sondern wollen dies sogar. Diese als Stammkunden im engeren Sinne zu benennenden Kunden sind ausgesprochen hilfreich. Man weiß, mit wem man es zu tun hat, die Kunden haben ihre Ansprüche formuliert, haben sich mit dem Angebot des Händlers arrangiert und stellen viele Dinge erst gar nicht infrage, diese sind erlernt und für in Ordnung befunden. Für Apotheken ist dies eine wichtige Kundengruppe, die im Übrigen oft auch mit den Patienten der in der Nähe befindlichen Ärzte korrespondiert. Je höher der Anteil der wahren Freunde, umso besser für die Apotheke.
Long term customer mit geringer Profitabilität: Jetzt kommen die eigentlichen Problemkunden, nämlich solche, die sich gerne an das Unternehmen binden lassen bzw. von sich aus eine Motivation verspüren, beim Anbieter zu bleiben und diesen nicht zu wechseln, die aber nicht nur anstrengend und aufwendig sind, sondern bei denen man allzu oft draufzahlt. Die Amerikaner nennen diese Art von Kunden Barnacles, die Klette oder Ranke. Diese Kunden fordern höchste Kulanz ein, erwarten viel für ihr Geld, erheben Ansprüche auf kostenlose Zusatzleistungen usw.
Jetzt könnte man die Auflistung so verstehen, dass man auf Barnacles oder auch Fremde verzichten soll. Dies geht nicht, zumal man es den Kunden ja nicht auf Anhieb ansieht, welchem Kreis sie zugehörig sind. Wenn man sich nur auf wahre Freunde und Butterflies konzentrieren würde, so man diese tatsächlich identifiziert hat, läuft man Gefahr, irgendwann zu wenige Kunden zu haben, da auch diese Kunden nicht zwingend vor einem Wechsel zurückscheuen. Deshalb ist es umso wichtiger zu wissen, wer gehört zu welcher Gruppe, um dann die Marketing-Anstrengungen auch dosieren zu können. Den Barnacle genauso gut zu behandeln wie den wahren Freund wäre tödlich, weil es sich beim Barnacle nicht rechnet und beim True Friend rächt. Wenn dieser mitbekommt, dass die Leistungen allen zur Verfügung gestellt werden und nicht nur ausgewählten Kunden wie ihm, wird er böse und seine Wechselbereitschaft steigt. Dann würde die Apotheke noch nicht mal mehr das Geld mit True Friends verdienen, das sie dem Barnacle sinnlos hinterher werfen wollte.
Andreas Kaapke
Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de
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