Gesundheitspolitik

Schwäbische Maultaschen

Das sorgte für Unruhe bei der ABDA: DAZ.online und AZ berichteten darüber, dass der Gesamtvorstand der ABDA vor Kurzem für seine Gremien in einer verschärften Art Vertraulichkeit vereinbart hatte (siehe AZ 22): Personen aus diesen Gremien, die dagegen verstoßen, müssen fortan damit rechnen, Schadenersatz leisten zu müssen. Wir übersetzten dies in Klartext: ABDA-Gesamtvorstand und Gremien verhängen einen Maulkorberlass. Wer Vertrauliches aus den Sitzungen ausplaudert, also der Presse und damit der Öffentlichkeit zugänglich macht, wird schadenersatzpflichtig.

Dass AZ und DAZ.online über diese Vereinbarung berichteten, gefiel dem Vorsitzenden des PR-Ausschusses der ABDA (siehe Kommentar "Schwäbischer Maulkorb" von Lutz Engelen in der letzten PZ) nicht. Und es gefiel auch nicht, dass wir dazu unsere Meinung kundgetan haben. Aber zum Glück haben wir die Meinungs- und Pressefreiheit. Sie wahrzunehmen und zu pflegen, sehen wir als Aufgabe der DAZ (AZ und DAZ.online eingeschlossen).

Daher noch mal: Selbstverständlich ist es das gute Recht einer Organisation, ihre Gremienmitglieder zum Stillschweigen zu verpflichten. Der Wunsch, vertrauensvolle Diskussionen zur Findung von Strategien führen zu können, ist verständlich, keine Frage. Aber Mitgliedern Schadenersatz anzudrohen (wie wird ein solcher Schaden überhaupt bemessen?), die – aus welchem Grund auch immer – die eine oder andere Information an die Öffentlichkeit durchsickern lassen, ist absurd. Gestandene Politiker würden auf eine solche Schnapsidee nicht kommen. Auch in der großen Politik gilt die Regel, dass über Diskussionen in bestimmten Gremien nichts an die Öffentlichkeit sollte. Und trotzdem liest man montags im Spiegel so manche Details. Bisher wurde noch kein Politiker deshalb zu Schadenersatzforderungen verurteilt. Welche Ängste muss unsere Berufsvertretung ABDA umtreiben, dass sie schadenersatzbewehrte Maulkörbe verhängt?

Und trotz Verschwiegenheitsvereinbarung: Es werden auch weiterhin Interna an die Öffentlichkeit gelangen. Wir würden unseren Job schlecht machen, solche Informationen nicht aufzugreifen. Und an die Adresse des Chefs vom ABDA-PR-Ausschuss: Die Zeiten, in denen man den Boten von unbequemen Meldungen erschlug, sind vorbei. Sollen Medien verantwortlich gemacht werden, wenn Gremienmitglieder zuweilen für sich entscheiden: Das gehört an die Öffentlichkeit!? Mit Androhung von Schadenersatzforderungen wird man dem nicht beikommen. Für ihre interne Diskussionskultur ist die ABDA selbst verantwortlich – und nicht Medien, die aufgreifen, was ihnen zu Ohren kommt. Und noch eins: Einen schwäbischen Maulkorb gibt’s nicht, nur schwäbische Maultaschen – und das sind keine Plaudertaschen.


Peter Ditzel



AZ 2012, Nr. 23, S. 1

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