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Gesundheitspolitik
Ticagrelor-Preis steht
Bei AstraZeneca und dem GKV-Spitzenverband zeigte man sich nach dem fünften Verhandlungstermin am vergangenen Donnerstag erleichtert und erfreut. Ticagrelor war die erste Arzneimittelinnovation, die das neue Verfahren der frühen Nutzenbewertung durchlaufen hat. Es steht seit Januar 2011 zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei erwachsenen Patienten mit Akutem Koronarsyndrom (Instabile Angina pectoris, NSTEMI oder STEMI) zur Verfügung. Auch für die zentralen Preisverhandlungen zwischen GKV-Spitzenverband und Hersteller war das Medikament der Vorreiter. Zu den Einzelheiten der nun erfolgten Einigung – insbesondere zur Höhe des künftig zu gewährenden Rabatts an die Kassen – hält man sich noch bedeckt. Bis zur endgültigen Vertragsunterzeichnung habe man Vertraulichkeit vereinbart, hieß es. An einer detaillierten Formulierung der Vertragsvereinbarungen werde nun mit Hochdruck gearbeitet. Der verhandelte Preis gilt rückwirkend zum 1. Januar 2012.
Für den GKV-Spitzenverband ist die erfolgreiche Einigung ein Beleg, dass das AMNOG im Punkt der Preisverhandlung für neue Arzneimittel nicht nachgebessert werden muss. Die eingeführten Instrumente funktionierten, betonte GKV-Sprecher Florian Lanz. "Echte Innovationen brauchen eine Zusatznutzenbewertung und eine Preisverhandlung nicht zu fürchten. Patienten und Beitragszahler werden von dem erreichten Verhandlungsergebnis profitieren."
Auch bei AstraZeneca ist man zufrieden: Innovationen hätten auch im AMNOG-System die Chance, angemessen honoriert zu werden. "Wir freuen uns, dass wir uns trotz schwieriger Verhandlungen nun auch auf einen fairen Preis einigen konnten", sagt Dr. Claus Runge, Vice President Corporate Affairs und Verhandlungsführer von AstraZeneca. Er betonte jedoch auch, dass das Unternehmen das AMNOG weiterhin als lernendes System verstehe. Daher müssten aus den ersten Erfahrungen jetzt die richtigen Konsequenzen für eine Weiterentwicklung des Gesetzes gezogen werden – "damit die Auslegungspraxis des Gesetzes der Versorgung von Patienten mit medizinischen Innovationen nicht im Wege steht".
GSK zieht Retigabin vom deutschen Markt zurück
Ebenfalls am 31. Mai hatten eigentlich die Preisverhandlungen des GKV-Spitzenverbandes mit GlaxoSmithKline (GSK) zu Retigabin (Trobalt®) starten sollen. Doch das Unternehmen entschied sich anders: Es erklärte, die Verhandlungen nicht aufzunehmen und das Epilepsie-Präparat vorerst aus dem deutschen Markt zurückzuziehen. Man sehe sich gezwungen, die Möglichkeit des "opt out" – das für den Fall der Nicht-Aufnahme von Preisverhandlungen obligatorische Verfahren – auszuüben. Damit wird das Präparat auch nicht mehr in der Lauertaxe geführt. Dennoch hofft GSK darauf, dass Tobalt® bald wieder in Deutschland zu haben ist und erstattet wird. Dazu müsste eine erneute frühe Nutzenbewertung – mit einer anderen Vergleichstherapie – durchgeführt werden und zu einem anderen Ergebnis kommen. Denn in seinem derzeit gültigen Beschluss sieht der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den Zusatznutzen von Retigabin als nicht belegt an. Zu Unrecht, meint GSK. Denn der G-BA habe "ohne Rücksicht auf die medizinische Versorgungsrealität" die zwei generischen Wirkstoffe Lamotrigin und Topiramat als Vergleichstherapie bestimmt. Retigabin werde jedoch anders als diese Substanzen im Wesentlichen bei schwerst und langjährig betroffenen Epilepsie-Patienten eingesetzt, die zumeist in ihrer Krankengeschichte Lamotrigin und Topiramat bereits ohne ausreichenden Erfolg eingenommen haben.
Bevor GSK nun Gefahr läuft, dass der deutsche Erstattungspreis für Trobalt® auf generischem Niveau festgesetzt wird, zieht das Unternehmen die Reißleine. Denn infolge der Preisreferenzierung anderer Länder fürchtet der Pharmakonzern international eine Preiserosion. GSK verweist darauf, dass in anderen Ländern mit etablierten Nutzenbewertungsverfahren andere und angemessenere Vergleichstherapien gewählt worden seien. Hier erziele Trobalt® auch Preise, die dem Wert des Produktes entsprechen. GSK setzt nun auf Einsicht beim G-BA: Komme man über eine angemessene zweckmäßige Vergleichstherapie und die Methodik des Vergleiches überein, werde ein neues Nutzendossier eingereicht und der AMNOG-Prozess erneut durchlaufen.
Vor der Entscheidung, sich mit Retigabin vom deutschen Markt zurückzuziehen, hatte GSK dem GKV-Spitzenverband angeboten, für einen befristeten Zeitraum – bis zum Abschluss der Neubewertung – , sein Medikament kostenneutral anzubieten. So sollte die Weiterversorgung der etwa 1000 auf Trobalt® eingestellten Epilepsie-Patienten in Deutschland sichergestellt werden. Doch der Verhandlungspartner sprang auf dieses Angebot nicht an. Dennoch können die betroffenen Patienten doch noch auf eine Weiterbehandlung mit Retigabin hoffen, bis über die endgültige deutsche Zukunft des Arzneimittels entschieden ist. GSK kündigte an, alles dafür zu tun, um mit Kassenvertretern pragmatische nächste Schritte für diese Patienten zu erarbeiten. Offenbar haben einzelne Krankenkassen bereits signalisiert, entsprechende Lösungen anzubieten. Im europäischen Ausland wird das Präparat weiterhin verfügbar sein. Ein Import wäre damit möglich – fraglich ist jedoch zu welchem Preis und auf wessen Kosten. GSK rät betroffenen Trobalt® -Patienten, sich in den nächsten Wochen mit ihrem Arzt in Verbindung zu setzen.
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