Gesundheitspolitik

Deutschland hat sich untersuchen lassen

Neue Studie zur Erwachsenengesundheit soll Daten für gezielte Prävention liefern

Berlin (ks). Letzte Woche wurden die ersten Ergebnisse des neuen Erwachsenen-Gesundheitssurveys des Robert Koch-Instituts (RKI) vorgestellt. Ernüchternd ist: Gut jeder Fünfte in Deutschland ist stark übergewichtig. Damit häuft sich das Risiko für viele Folgeerkrankungen. Zwar bewegen sich die Erwachsenen hierzulande durchschnittlich mehr als noch Ende der 1990er Jahre – doch das reicht offenbar nicht aus.

RKI-Präsident Reinhard Burger, Daniel Bahr und Bärbel-Maria Kurth vom RKI Foto: AZ/Sket

7328 Personen zwischen 18 bis 79 Jahren haben an der "Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland" teilgenommen: Seit November 2008 wurden sie an 180 Studienorten sowohl untersucht als auch befragt. Weitere 914 Erwachsene absolvierten ausschließlich das Befragungsprogramm. Zuletzt wurde eine solch umfangreiche Erhebung vor mehr als zehn Jahren durchgeführt. Nun liegen zahlreiche aktuelle und zugleich belastbare Daten zur Gesundheit der deutschen Bevölkerung vor, betonte RKI-Präsident Prof. Reinhard Burger bei der Vorstellung der ersten Ergebnisse in Berlin. Ausgewählt wurden solche, die gesundheitspolitisch interessant sind. Denn die neuen Zahlen sollen der Politik einen Ansatz beispielsweise für Präventionsmaßnahmen bieten.

Dick und depressiv?

Während sich der Anteil der Übergewichtigen (67,1 Prozent bei Männern, 53 Prozent bei Frauen) gegenüber 1998 kaum verändert hat, ist bei der Fettleibigkeit ein deutlicher Anstieg zu erkennen. 23,3 Prozent der untersuchten Männer waren adipös, hatten also einen Body-Mass-Index von über 30. Im letzten Survey waren es nur 18,9 Prozent. Bei den Frauen ist der Anteil jedoch nur leicht von 22,5 Prozent auf 23,9 Prozent gestiegen. "Besorgniserregend ist, dass sich die Gruppe der Adipösen insbesondere im jungen Erwachsenenalter weiter vergrößert hat", meint Dr. Bärbel-Maria Kurth, Leiterin der Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung am RKI.

Ein besonders scharfes Auge warfen die Studienleiter auf die psychische Gesundheit der Deutschen. Dieses Thema wurde in einem Zusatzmodul bei 5318 Teilnehmenden vertieft. Es stellte sich heraus: 8,1 Prozent der Studienteilnehmer berichteten von aktuellen Symptomen einer Depression. 1,5 Prozent gaben an, dass ein Arzt oder Psychotherapeut bei ihnen in den letzten zwölf Monaten ein Burn-out-Syndrom festgestellt hat.

Auf der Suche nach unerkanntem Diabetes

Als gesundheitspolitisch relevant gelten auch die Daten zur Prävalenz des Diabetes mellitus. 7,2 Prozent der Studienteilnehmer berichteten, an Diabetes erkrankt zu sein. Dies sind zwei Prozentpunkte mehr als im letzten Gesundheitssurvey. Zur Einschätzung eines bislang unerkannten Diabetes wurden zudem der Blutzucker sowie der Anteil des an Zucker gebundenen Hämoglobins (HbA1c) bestimmt. Das Ergebnis: Die Prävalenz des bislang unerkannten Diabetes liegt bei 0,7 bis 2,1 Prozent – je nachdem ob Blutzucker und HbA1c getrennt oder in Kombination betrachtet werden. Übereinstimmend mit Ergebnissen aus vergleichbaren internationalen Studien liegen diese Werte niedriger als bisherige Einschätzungen durch den "oralen Glucosetoleranztest".

Ein weiterer Aspekt der Studie ist die körperliche Aktivität. Die Studienergebnisse zeigen, dass etwa die Hälfte der Deutschen regelmäßig mindestens einmal pro Woche sportlich aktiv sind. Ende der 1990er Jahre lag der Wert bei Männern um 14,1 Prozentpunkte tiefer, bei Frauen um 16,0 Prozentpunkte. Allerdings erreichen nur 25,4 Prozent der Männer und 15,5 Prozent der Frauen die von der WHO empfohlene körperliche Mindestaktivitätszeit von 2,5 Stunden pro Woche.

Spitze des Eisbergs

Kurth betont, dass diese ersten Zahlen nur "die Spitze des Eisbergs" seien. Es werden noch zahlreiche weitere Ergebnisse ans Tageslicht kommen – doch die Auswertung wird noch eine Weile dauern. Ende des Jahres, so der Plan, soll zunächst eine Probandenbroschüre erscheinen. Darin werden die Ergebnisse der Studie für die Teilnehmer aufbereitet – eine wissenschaftliche Aufschlüsselung und Analyse soll im Anschluss folgen.

Bahr will Präventionsstrategie im Herbst vorlegen

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) betonte, dass die aktuellen Daten eine wichtige Grundlage für die Politik seien. Insbesondere für die lange angekündigte Präventionsstrategie der Regierungskoalition, die nun im kommenden Herbst vorgelegt werden soll. Bahr betonte, dass er "keine Politik des erhobenen Zeigefingers" betreiben wolle. Er will die Menschen überzeugen: "Gesundheitsbewusstsein macht Lust und Laune" – Krankheit dagegen "nervt". Er betonte auch, dass für Prävention nicht nur Krankenkassen und Politik zuständig seien. Auch die Kommunen und Betriebe seien gefordert, ebenso Ärzte und andere Gesundheitsberufe. Die Menschen müssten dort abgeholt werden, wo sie stehen – bloße Marketingmaßnahmen für die Vorsorge reichten da nicht aus.



AZ 2012, Nr. 25, S. 3

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